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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Eine Reise um die Welt von Westen nach Osten durch Sibirien und das
stille und atlantische Meer. -- Mit einem Titelbilde und einer Karte. --
Aschaffenburg, Krebs. --

Der Verfasser spricht sich über sein Werkchen mit einer Bescheidenheit
aus, die für einen Reisebeschreiber aus dem 4 9. Jahrhundert wahrhaft uner¬
hört ist. Er hätte es nicht nöthig gehabt, denn das kleine Buch ist aus der
einschlagenden Literatur eins der interessantesten, das uns in neuester Zeit
vorgekommen ist, grade weil der Verfasser jede Ausschmückung, jedes Eingehen
aus Dinge, die er aus der Lectüre hatte schöpfen müssen, verschmäht, und ein¬
fach aber anschaulich nur das erzählt, was er wirklich gesehen hat. -- Er
wurde im Frühjahr 4 843 von der russisch-amerikanischen Compagnie als Arzt
nach Ajan, einer kleinen Factorei am Meer von Ochozk, berufen, grade als
er im Begriff war, zu heirathen. Das junge Ehepaar machte sich wirklich
auf, und erreichte nach sechs Monaten der entsetzlichsten Strapazen seinen
Bestimmungsort, wo er bis 48S4 blieb und dann auf dem Seewege, über die
australischen Inseln, das Cap.Horn u. f. w. nach seiner Heimat zurückkehrte.
-- Wer sich für menschliches Leben interessirt, wird diese Blätter nicht ohne
Befriedigung aus der Hand legen. --




Oestreich und Preußen.

Die Haltung der preußischen Regierung in der orientalischen Frage hatte
alle Hoffnungen, die wir aus unser Vaterland setzten, so durchkreuzt, daß es
uns schien, als wären die angebornen Sympathien in uns erblaßt; jene Sym¬
pathien, die uns im Jahre 4 848 viel entschiedener auf die streng konservative
Seite hinübergeführt hatten, als alle Scheu vor Anarchie, Communismus und
wie sonst die Schreckbilder heißen, um welche sich die Freunde des Bestehenden
zu scharen pflegen, weil ihnen ein positives Gefühl fehlt. Daß wir uns aber
dennoch getäuscht hatten, wenn wir glaubten, das angeborne Gefühl könne
durch Ueberlegung unterdrückt werden, empfanden wir recht lebhaft, als wir
die neueste östreichische Note an Preußen lasen. Mit unsrem Verstände mu߬
ten wir Oestreich vollkommen Recht geben; wir fanden alle seine Deductionen
richtig; wir fänden selbst seine Sprache, obgleich unerhört in den Acten der
Diplomatie, durch die Umstände erklärt und gerechtfertigt, und doch war das
Gefühl, mit dem wir sie lasen, alles andere eher als das der Befriedigung.
Es wird für den, der einem kleinen unhistorischen Staat angehört, schwer sein,
sich von diesem Gefühl eine Vorstellung zu machen. Wie kann sich die einzelne
Ziffer in den Millionen, welche den preußischen Staatsverband ausmachen,


Eine Reise um die Welt von Westen nach Osten durch Sibirien und das
stille und atlantische Meer. — Mit einem Titelbilde und einer Karte. —
Aschaffenburg, Krebs. —

Der Verfasser spricht sich über sein Werkchen mit einer Bescheidenheit
aus, die für einen Reisebeschreiber aus dem 4 9. Jahrhundert wahrhaft uner¬
hört ist. Er hätte es nicht nöthig gehabt, denn das kleine Buch ist aus der
einschlagenden Literatur eins der interessantesten, das uns in neuester Zeit
vorgekommen ist, grade weil der Verfasser jede Ausschmückung, jedes Eingehen
aus Dinge, die er aus der Lectüre hatte schöpfen müssen, verschmäht, und ein¬
fach aber anschaulich nur das erzählt, was er wirklich gesehen hat. — Er
wurde im Frühjahr 4 843 von der russisch-amerikanischen Compagnie als Arzt
nach Ajan, einer kleinen Factorei am Meer von Ochozk, berufen, grade als
er im Begriff war, zu heirathen. Das junge Ehepaar machte sich wirklich
auf, und erreichte nach sechs Monaten der entsetzlichsten Strapazen seinen
Bestimmungsort, wo er bis 48S4 blieb und dann auf dem Seewege, über die
australischen Inseln, das Cap.Horn u. f. w. nach seiner Heimat zurückkehrte.
— Wer sich für menschliches Leben interessirt, wird diese Blätter nicht ohne
Befriedigung aus der Hand legen. —




Oestreich und Preußen.

Die Haltung der preußischen Regierung in der orientalischen Frage hatte
alle Hoffnungen, die wir aus unser Vaterland setzten, so durchkreuzt, daß es
uns schien, als wären die angebornen Sympathien in uns erblaßt; jene Sym¬
pathien, die uns im Jahre 4 848 viel entschiedener auf die streng konservative
Seite hinübergeführt hatten, als alle Scheu vor Anarchie, Communismus und
wie sonst die Schreckbilder heißen, um welche sich die Freunde des Bestehenden
zu scharen pflegen, weil ihnen ein positives Gefühl fehlt. Daß wir uns aber
dennoch getäuscht hatten, wenn wir glaubten, das angeborne Gefühl könne
durch Ueberlegung unterdrückt werden, empfanden wir recht lebhaft, als wir
die neueste östreichische Note an Preußen lasen. Mit unsrem Verstände mu߬
ten wir Oestreich vollkommen Recht geben; wir fanden alle seine Deductionen
richtig; wir fänden selbst seine Sprache, obgleich unerhört in den Acten der
Diplomatie, durch die Umstände erklärt und gerechtfertigt, und doch war das
Gefühl, mit dem wir sie lasen, alles andere eher als das der Befriedigung.
Es wird für den, der einem kleinen unhistorischen Staat angehört, schwer sein,
sich von diesem Gefühl eine Vorstellung zu machen. Wie kann sich die einzelne
Ziffer in den Millionen, welche den preußischen Staatsverband ausmachen,


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[0104] Eine Reise um die Welt von Westen nach Osten durch Sibirien und das stille und atlantische Meer. — Mit einem Titelbilde und einer Karte. — Aschaffenburg, Krebs. — Der Verfasser spricht sich über sein Werkchen mit einer Bescheidenheit aus, die für einen Reisebeschreiber aus dem 4 9. Jahrhundert wahrhaft uner¬ hört ist. Er hätte es nicht nöthig gehabt, denn das kleine Buch ist aus der einschlagenden Literatur eins der interessantesten, das uns in neuester Zeit vorgekommen ist, grade weil der Verfasser jede Ausschmückung, jedes Eingehen aus Dinge, die er aus der Lectüre hatte schöpfen müssen, verschmäht, und ein¬ fach aber anschaulich nur das erzählt, was er wirklich gesehen hat. — Er wurde im Frühjahr 4 843 von der russisch-amerikanischen Compagnie als Arzt nach Ajan, einer kleinen Factorei am Meer von Ochozk, berufen, grade als er im Begriff war, zu heirathen. Das junge Ehepaar machte sich wirklich auf, und erreichte nach sechs Monaten der entsetzlichsten Strapazen seinen Bestimmungsort, wo er bis 48S4 blieb und dann auf dem Seewege, über die australischen Inseln, das Cap.Horn u. f. w. nach seiner Heimat zurückkehrte. — Wer sich für menschliches Leben interessirt, wird diese Blätter nicht ohne Befriedigung aus der Hand legen. — Oestreich und Preußen. Die Haltung der preußischen Regierung in der orientalischen Frage hatte alle Hoffnungen, die wir aus unser Vaterland setzten, so durchkreuzt, daß es uns schien, als wären die angebornen Sympathien in uns erblaßt; jene Sym¬ pathien, die uns im Jahre 4 848 viel entschiedener auf die streng konservative Seite hinübergeführt hatten, als alle Scheu vor Anarchie, Communismus und wie sonst die Schreckbilder heißen, um welche sich die Freunde des Bestehenden zu scharen pflegen, weil ihnen ein positives Gefühl fehlt. Daß wir uns aber dennoch getäuscht hatten, wenn wir glaubten, das angeborne Gefühl könne durch Ueberlegung unterdrückt werden, empfanden wir recht lebhaft, als wir die neueste östreichische Note an Preußen lasen. Mit unsrem Verstände mu߬ ten wir Oestreich vollkommen Recht geben; wir fanden alle seine Deductionen richtig; wir fänden selbst seine Sprache, obgleich unerhört in den Acten der Diplomatie, durch die Umstände erklärt und gerechtfertigt, und doch war das Gefühl, mit dem wir sie lasen, alles andere eher als das der Befriedigung. Es wird für den, der einem kleinen unhistorischen Staat angehört, schwer sein, sich von diesem Gefühl eine Vorstellung zu machen. Wie kann sich die einzelne Ziffer in den Millionen, welche den preußischen Staatsverband ausmachen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/104>, abgerufen am 28.12.2024.