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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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gegen die Tyrannen in die Schranken zu ziehen, er es ebensowenig an sich
wird fehlen lassen, als irgendein anderer, und daß er vielleicht recht bald
Gelegenheit finden wird, wenn er einmal zur lyrischen Poesie zurückkehrt, die
Vaterlandsliebe und den Freiheitskampf wie ein zweiter Tyrtäus zu besingen.
Aber unsren Feuilletonisten kommt es vor allem darauf an, geistreich zu sein,
und sie haben aus Heine und der übrigen jungdeutschen Schule gelernt, daß
man sich am bequemsten als geistreich zeigt, wenn man gemüthlos redet und
dasjenige bezweifelt, was allen Menschen als heilig erscheint. Wenn das bloße
Stilübungen wären, so möchte es hingehen, aber die häufige Wiederholung
ähnlicher Phrasen thut doch großen Schaden. Ohne Zweifel ist Heine die
bedeutendste poetische Kraft, die in Deutschland seit den letzten dreißig Jahren
ausgetreten ist; aber niemals hat ein Dichter einen verderblichem Einfluß auf
eine ganze literarische Generation ausgeübt. Der Eifer unsrer sogenannten
politischen Dichter von 1850, die mit aller Gewalt darauf losschlagen wollten,
einerlei gegen wen, war mitunter sehr komisch: aber diese Geziertheit und
dieses blasirte, altkluge Wesen unsrer jüngsten Dichter ist noch unendlich viel
lächerlicher., ,, ,.,'., ?,..,> -.../.^-.i ' ...^p-

Möchte der talentvolle Verfasser durch dieses ernsthafte Wort aufmerksam
gemacht werden. Wenn er sich damit begnügt, als harmloser Tourist zu er¬
zählen, was er gesehen und gehört hat, so wird das um so besser sein, je un¬
befangener er es thut. Aber wenn er uns aufklären will über höhere Politik,
Geschichte und Staatskunst, so genügt es nicht, ein paar Spalten Bucherscher
Artikel durchzublättern, die Reminiscenzen aus denselben mit einigen Neise-
anekdoten zu vermischen und "Grundsätze" auszustellen, wie den folgenden:
"Der Engländer ist praktisch, aber ohne Menschenkenntniß" (S. A32). Wer
dergleichen unternimmt, muß ernsthafte Studien anstellen, und wenn er an
die Bearbeitung derselben geht, alle die schönen Phrasen, die er früher
für Feuilletons und Mvdezeitungen verwerthet, ohne Unterschied von sich
werfen. --


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Der Verfasser machte im Jahr 1868 seine Reise nach Südamerika und
berührte dabei vorzugsweise Chili, Peru, die oceanischen Inseln und Kali¬
fornien. Er hat seine Reise in dem leichten, graziösen Stil beschrieben, den
man bereits an ihm kennt, und das Buch gehört wesentlich in das Gebiet der
Unterhaltungslectüre, wenn es auch an einzelnen treffenden Bemerkungen über
die beobachteten Zustände nicht fehlt. Zuweilen erweitern sich die Anekdoten zu
ganzen Novelletten, darunter ist namentlich die eine, die Geschichte der beiden
Mariquita, mit entschiedenem poetischen Talent erzählt. --


gegen die Tyrannen in die Schranken zu ziehen, er es ebensowenig an sich
wird fehlen lassen, als irgendein anderer, und daß er vielleicht recht bald
Gelegenheit finden wird, wenn er einmal zur lyrischen Poesie zurückkehrt, die
Vaterlandsliebe und den Freiheitskampf wie ein zweiter Tyrtäus zu besingen.
Aber unsren Feuilletonisten kommt es vor allem darauf an, geistreich zu sein,
und sie haben aus Heine und der übrigen jungdeutschen Schule gelernt, daß
man sich am bequemsten als geistreich zeigt, wenn man gemüthlos redet und
dasjenige bezweifelt, was allen Menschen als heilig erscheint. Wenn das bloße
Stilübungen wären, so möchte es hingehen, aber die häufige Wiederholung
ähnlicher Phrasen thut doch großen Schaden. Ohne Zweifel ist Heine die
bedeutendste poetische Kraft, die in Deutschland seit den letzten dreißig Jahren
ausgetreten ist; aber niemals hat ein Dichter einen verderblichem Einfluß auf
eine ganze literarische Generation ausgeübt. Der Eifer unsrer sogenannten
politischen Dichter von 1850, die mit aller Gewalt darauf losschlagen wollten,
einerlei gegen wen, war mitunter sehr komisch: aber diese Geziertheit und
dieses blasirte, altkluge Wesen unsrer jüngsten Dichter ist noch unendlich viel
lächerlicher., ,, ,.,'., ?,..,> -.../.^-.i ' ...^p-

Möchte der talentvolle Verfasser durch dieses ernsthafte Wort aufmerksam
gemacht werden. Wenn er sich damit begnügt, als harmloser Tourist zu er¬
zählen, was er gesehen und gehört hat, so wird das um so besser sein, je un¬
befangener er es thut. Aber wenn er uns aufklären will über höhere Politik,
Geschichte und Staatskunst, so genügt es nicht, ein paar Spalten Bucherscher
Artikel durchzublättern, die Reminiscenzen aus denselben mit einigen Neise-
anekdoten zu vermischen und „Grundsätze" auszustellen, wie den folgenden:
„Der Engländer ist praktisch, aber ohne Menschenkenntniß" (S. A32). Wer
dergleichen unternimmt, muß ernsthafte Studien anstellen, und wenn er an
die Bearbeitung derselben geht, alle die schönen Phrasen, die er früher
für Feuilletons und Mvdezeitungen verwerthet, ohne Unterschied von sich
werfen. —


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Der Verfasser machte im Jahr 1868 seine Reise nach Südamerika und
berührte dabei vorzugsweise Chili, Peru, die oceanischen Inseln und Kali¬
fornien. Er hat seine Reise in dem leichten, graziösen Stil beschrieben, den
man bereits an ihm kennt, und das Buch gehört wesentlich in das Gebiet der
Unterhaltungslectüre, wenn es auch an einzelnen treffenden Bemerkungen über
die beobachteten Zustände nicht fehlt. Zuweilen erweitern sich die Anekdoten zu
ganzen Novelletten, darunter ist namentlich die eine, die Geschichte der beiden
Mariquita, mit entschiedenem poetischen Talent erzählt. —


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[0103] gegen die Tyrannen in die Schranken zu ziehen, er es ebensowenig an sich wird fehlen lassen, als irgendein anderer, und daß er vielleicht recht bald Gelegenheit finden wird, wenn er einmal zur lyrischen Poesie zurückkehrt, die Vaterlandsliebe und den Freiheitskampf wie ein zweiter Tyrtäus zu besingen. Aber unsren Feuilletonisten kommt es vor allem darauf an, geistreich zu sein, und sie haben aus Heine und der übrigen jungdeutschen Schule gelernt, daß man sich am bequemsten als geistreich zeigt, wenn man gemüthlos redet und dasjenige bezweifelt, was allen Menschen als heilig erscheint. Wenn das bloße Stilübungen wären, so möchte es hingehen, aber die häufige Wiederholung ähnlicher Phrasen thut doch großen Schaden. Ohne Zweifel ist Heine die bedeutendste poetische Kraft, die in Deutschland seit den letzten dreißig Jahren ausgetreten ist; aber niemals hat ein Dichter einen verderblichem Einfluß auf eine ganze literarische Generation ausgeübt. Der Eifer unsrer sogenannten politischen Dichter von 1850, die mit aller Gewalt darauf losschlagen wollten, einerlei gegen wen, war mitunter sehr komisch: aber diese Geziertheit und dieses blasirte, altkluge Wesen unsrer jüngsten Dichter ist noch unendlich viel lächerlicher., ,, ,.,'., ?,..,> -.../.^-.i ' ...^p- Möchte der talentvolle Verfasser durch dieses ernsthafte Wort aufmerksam gemacht werden. Wenn er sich damit begnügt, als harmloser Tourist zu er¬ zählen, was er gesehen und gehört hat, so wird das um so besser sein, je un¬ befangener er es thut. Aber wenn er uns aufklären will über höhere Politik, Geschichte und Staatskunst, so genügt es nicht, ein paar Spalten Bucherscher Artikel durchzublättern, die Reminiscenzen aus denselben mit einigen Neise- anekdoten zu vermischen und „Grundsätze" auszustellen, wie den folgenden: „Der Engländer ist praktisch, aber ohne Menschenkenntniß" (S. A32). Wer dergleichen unternimmt, muß ernsthafte Studien anstellen, und wenn er an die Bearbeitung derselben geht, alle die schönen Phrasen, die er früher für Feuilletons und Mvdezeitungen verwerthet, ohne Unterschied von sich werfen. — I^of moiläes nouvöiiux. Vo^»-Zg um;e«lcUujuo «ums l'ovüiiii jia<!iliquij IMI' ?>'>»Ilm IXibasvl,. I^Li^ig, ^!>>>i. Dürr. — Der Verfasser machte im Jahr 1868 seine Reise nach Südamerika und berührte dabei vorzugsweise Chili, Peru, die oceanischen Inseln und Kali¬ fornien. Er hat seine Reise in dem leichten, graziösen Stil beschrieben, den man bereits an ihm kennt, und das Buch gehört wesentlich in das Gebiet der Unterhaltungslectüre, wenn es auch an einzelnen treffenden Bemerkungen über die beobachteten Zustände nicht fehlt. Zuweilen erweitern sich die Anekdoten zu ganzen Novelletten, darunter ist namentlich die eine, die Geschichte der beiden Mariquita, mit entschiedenem poetischen Talent erzählt. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/103>, abgerufen am 28.12.2024.