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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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er zuerst in München als eine esoterische Lehre vortrug und dann in Berlin
als eine neue Fahne der streitenden Kirche aufpflanzte, dürfte von mindern
Belange sein. Indessen in einer Rücksicht wäre sie doch nicht zu umgehen.
Man würde hier bei der offenbar entarteten Methode manche Fingerzeige für
die Fehler der'Methode überhaupt finden, und die Irrwege, die sich bei einer
feinern und glänzendem Bearbeitung dem Auge verbergen, leichter aufspüren.




Aus Paris.

Der vierte Band von Verons Memoiren ist womöglich noch täppischer
und unbedeutender als die bisherigen. Man erkennt nun besser, den hohlen
Faiseur, der wol die industriöse Charlatanerie der Zeit wohl aufgefaßt hat, aber
jeden Blicks in das geistige und politische Leben der Epoche entbehrt. Ein
Kammerdiener irgendeines Ministers, der seine Memoiren im Vorzimmer des
Empfangsaales schriebe und von Zeit zu Zeit unredlicherweise eine Copie
eines historischen Dokumentes in seinen Besitz brächte, könnte nicht gemeiner
und nicht mehr ",<zre"z it ever" sein als dieser Veron. Das Inhaltsverzeichnis)
seiner Capitel ist das Beste am Buche und der Charivari sagt mit Recht, daß
der Erfinder der ?nec KsKnanw auch einen neuen Diebstahl erfunden habe'-
"le vol -rü sammmre." Man hat behauptet, Jean Paul habe seine Einfälle,
Bergleiche und Aphorismen in einen Hut geworfen, um sie dann in gefälliger
Reihe zu benutzen, in den Verlauf seiner Erzählungen oder Abhandlungen ein-
zuflechten; Veron scheint die wenigen Briefe und inedirten Anekdoten, in deren
Besitz er ist, ebenso durcheinandergeworfen zu haben, um sie dann eingerahmt
in unausstehliches altes Ahnengeklatsche wiederzugeben. Seine Bornirtheit "l
politischer Beziehung haben wir längst gekannt, wir hatten aber noch immer
geglaubt, baß die originelle geistreiche Weise, mit der einige Artikel des Con-
ftiiutionel abgefaßt waren, sich auch in diesem Werke nicht verleugnen werde-
Wir hatten vermuthet, Veron werde uns über daS Thcaterwescn, über seine
häufige Begegnung mit den Schriftstellern und Künstlern der Zeit interessante,
wenigstens pikante Mittheilungen machen. Nichts von alle dem. Dort,
ihn die Anekdote verläßt, läßt ihn auch sein Geist im Stiche. Wir wüßte"
auch nicht eine einzige feine Beobachtung ihm nachzuerzählen. So enthält
das fünfte Capitel nebst Anekdoten, Wiederholungen und langweiligen Aus-
einandersetzungen über Louis Philipp und die Staatsmänner seiner Zeit, neben
einer platten und geschäftlichen Erzählung der Geschichte des Constitutionel,
die ein Pächter geschrieben haben konnte, auch ein Capitel über Fräulein Rachel-
Wir erfahren darin, welche die vorzüglichsten Tragödincn der französische"


er zuerst in München als eine esoterische Lehre vortrug und dann in Berlin
als eine neue Fahne der streitenden Kirche aufpflanzte, dürfte von mindern
Belange sein. Indessen in einer Rücksicht wäre sie doch nicht zu umgehen.
Man würde hier bei der offenbar entarteten Methode manche Fingerzeige für
die Fehler der'Methode überhaupt finden, und die Irrwege, die sich bei einer
feinern und glänzendem Bearbeitung dem Auge verbergen, leichter aufspüren.




Aus Paris.

Der vierte Band von Verons Memoiren ist womöglich noch täppischer
und unbedeutender als die bisherigen. Man erkennt nun besser, den hohlen
Faiseur, der wol die industriöse Charlatanerie der Zeit wohl aufgefaßt hat, aber
jeden Blicks in das geistige und politische Leben der Epoche entbehrt. Ein
Kammerdiener irgendeines Ministers, der seine Memoiren im Vorzimmer des
Empfangsaales schriebe und von Zeit zu Zeit unredlicherweise eine Copie
eines historischen Dokumentes in seinen Besitz brächte, könnte nicht gemeiner
und nicht mehr «,<zre«z it ever» sein als dieser Veron. Das Inhaltsverzeichnis)
seiner Capitel ist das Beste am Buche und der Charivari sagt mit Recht, daß
der Erfinder der ?nec KsKnanw auch einen neuen Diebstahl erfunden habe'-
„le vol -rü sammmre." Man hat behauptet, Jean Paul habe seine Einfälle,
Bergleiche und Aphorismen in einen Hut geworfen, um sie dann in gefälliger
Reihe zu benutzen, in den Verlauf seiner Erzählungen oder Abhandlungen ein-
zuflechten; Veron scheint die wenigen Briefe und inedirten Anekdoten, in deren
Besitz er ist, ebenso durcheinandergeworfen zu haben, um sie dann eingerahmt
in unausstehliches altes Ahnengeklatsche wiederzugeben. Seine Bornirtheit »l
politischer Beziehung haben wir längst gekannt, wir hatten aber noch immer
geglaubt, baß die originelle geistreiche Weise, mit der einige Artikel des Con-
ftiiutionel abgefaßt waren, sich auch in diesem Werke nicht verleugnen werde-
Wir hatten vermuthet, Veron werde uns über daS Thcaterwescn, über seine
häufige Begegnung mit den Schriftstellern und Künstlern der Zeit interessante,
wenigstens pikante Mittheilungen machen. Nichts von alle dem. Dort,
ihn die Anekdote verläßt, läßt ihn auch sein Geist im Stiche. Wir wüßte»
auch nicht eine einzige feine Beobachtung ihm nachzuerzählen. So enthält
das fünfte Capitel nebst Anekdoten, Wiederholungen und langweiligen Aus-
einandersetzungen über Louis Philipp und die Staatsmänner seiner Zeit, neben
einer platten und geschäftlichen Erzählung der Geschichte des Constitutionel,
die ein Pächter geschrieben haben konnte, auch ein Capitel über Fräulein Rachel-
Wir erfahren darin, welche die vorzüglichsten Tragödincn der französische"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/396>, abgerufen am 31.08.2024.