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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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liehen hinausgehenden Erfolg zu vollziehen. Und was die tragische Ironie
erhöht, ist der.Umstand, daß seine früheren Erfolge, daß der Glaube, den die
Welt von ihm gehegt, es ihm moralisch unmöglich machen, den Schritt zu thun,
der ihn retten könnte; so erbittert die öffentliche Meinung Europas gegen
den Uebermächtigen ist, es würde ihm noch heute möglich sein, einen Frieden
zu schließen, der zwar von seinem Stolz die schwersten Opfer erheischte, aber
nicht von seiner wirklichen Macht. Aber es ist ihm nicht möglich; denn der
Glaube Europas, der Glaube seines eignen Volks an ihn ist sein eigner
Glaube geworden, und was man bei anderen Sterblichen persönlichen Stolz
nennen würde, erscheint bei ihm als religiöses Gefühl der Idee, der er dient.
Wie lange auch die Unentschlossenheit der ungeübten continentalen Politiker
und die Intrigue der geheimen Nussenfreunde den Ausgang noch aufschieben
mögen, das Verhängnis; schreitet unaufhaltsam vorwärts und ist nicht mehr
abzuwenden. Es liegt in der öffentlichen Stimmung, so sehr sie die Staats¬
männer verlachen, eine geheimnißvoll zwingende Gewalt. Sie schreitet vorwärts
und am wenigsten kann die Staatsweisheit sich ihrer erwehren. Und wie das
Kleine mit dem Großen von demselben Schicksale betroffen wird, so wird der
Stoß, der die russische Uebermacht trifft, auch die kleine, aber mächtige Partei
mit sich fortreißen, die bis jetzt, so dreist sie anscheinend den Wellen Trotz bot,
doch mit dem allgemeinen Fahrwinde segelte, deren Steuerruder aber bei dem
ersten starken Umschwung zerbrechen wird. Und einmal -aus dem Felde geschlagen
wird diese Partei sich nicht wieder ausrichten; denn sie, welche die Zeit zu
leiten glaubte, war doch nur ein Symptom von der Krankheit der Zeit. --


Geschichte der englischen Republik bis zum Tode Cromwells von Franz
Guizot. Leipzig, Lorck. --
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Da wir uns bei der Anzeige des französischen Originals bereits ausführ¬
lich über den Inhalt, den Ton und die Haltung dieses Werkes ausgesprochen
haben, so bleibt uns hier nichts weiter übrig, als der historischen Hausbibliothek
für die verständige Wahl Glück zu wünschen. Die Geschichte Cromwells bildet
mit der vorhergehenden der englischen Revolution, die gleichfalls in der histo¬
rischen Hausbibliothek erschienen ist, ein gemeinsames, höchst werthvolles und
interessantes Ganze. Wir fügen hinzu, daß das Werk nicht blos in Frankreich,
wo die historische Bildung deö größeren Publicums hinter der unsrigen zurück¬
geblieben ist, sondern auch in England die größte Anerkennung gefunden hat.
Die Engländer haben es mit lebhaftem Dank anerkannt, daß ein hochgebildeter
und geistvoller Schriftsteller einer fremden Nation für die würdigere Auffassung
einer Zeit gearbeitet hat, die von ihren eignen Schriftstellern aus Parteirück¬
sichten häufig in so ganz falschem Lichte dargestellt worden ist. Das deutsche
Publicum kann außer dem Gewinn an historischer Kenntniß, den es diesem


liehen hinausgehenden Erfolg zu vollziehen. Und was die tragische Ironie
erhöht, ist der.Umstand, daß seine früheren Erfolge, daß der Glaube, den die
Welt von ihm gehegt, es ihm moralisch unmöglich machen, den Schritt zu thun,
der ihn retten könnte; so erbittert die öffentliche Meinung Europas gegen
den Uebermächtigen ist, es würde ihm noch heute möglich sein, einen Frieden
zu schließen, der zwar von seinem Stolz die schwersten Opfer erheischte, aber
nicht von seiner wirklichen Macht. Aber es ist ihm nicht möglich; denn der
Glaube Europas, der Glaube seines eignen Volks an ihn ist sein eigner
Glaube geworden, und was man bei anderen Sterblichen persönlichen Stolz
nennen würde, erscheint bei ihm als religiöses Gefühl der Idee, der er dient.
Wie lange auch die Unentschlossenheit der ungeübten continentalen Politiker
und die Intrigue der geheimen Nussenfreunde den Ausgang noch aufschieben
mögen, das Verhängnis; schreitet unaufhaltsam vorwärts und ist nicht mehr
abzuwenden. Es liegt in der öffentlichen Stimmung, so sehr sie die Staats¬
männer verlachen, eine geheimnißvoll zwingende Gewalt. Sie schreitet vorwärts
und am wenigsten kann die Staatsweisheit sich ihrer erwehren. Und wie das
Kleine mit dem Großen von demselben Schicksale betroffen wird, so wird der
Stoß, der die russische Uebermacht trifft, auch die kleine, aber mächtige Partei
mit sich fortreißen, die bis jetzt, so dreist sie anscheinend den Wellen Trotz bot,
doch mit dem allgemeinen Fahrwinde segelte, deren Steuerruder aber bei dem
ersten starken Umschwung zerbrechen wird. Und einmal -aus dem Felde geschlagen
wird diese Partei sich nicht wieder ausrichten; denn sie, welche die Zeit zu
leiten glaubte, war doch nur ein Symptom von der Krankheit der Zeit. —


Geschichte der englischen Republik bis zum Tode Cromwells von Franz
Guizot. Leipzig, Lorck. —
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Da wir uns bei der Anzeige des französischen Originals bereits ausführ¬
lich über den Inhalt, den Ton und die Haltung dieses Werkes ausgesprochen
haben, so bleibt uns hier nichts weiter übrig, als der historischen Hausbibliothek
für die verständige Wahl Glück zu wünschen. Die Geschichte Cromwells bildet
mit der vorhergehenden der englischen Revolution, die gleichfalls in der histo¬
rischen Hausbibliothek erschienen ist, ein gemeinsames, höchst werthvolles und
interessantes Ganze. Wir fügen hinzu, daß das Werk nicht blos in Frankreich,
wo die historische Bildung deö größeren Publicums hinter der unsrigen zurück¬
geblieben ist, sondern auch in England die größte Anerkennung gefunden hat.
Die Engländer haben es mit lebhaftem Dank anerkannt, daß ein hochgebildeter
und geistvoller Schriftsteller einer fremden Nation für die würdigere Auffassung
einer Zeit gearbeitet hat, die von ihren eignen Schriftstellern aus Parteirück¬
sichten häufig in so ganz falschem Lichte dargestellt worden ist. Das deutsche
Publicum kann außer dem Gewinn an historischer Kenntniß, den es diesem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/135>, abgerufen am 27.07.2024.