Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch, welche Nußland in stetigem Fortschritt seinen ehrgeizigen Plänen zu
Herrschaft im Osten Bahn brach, mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt, und fast
jedes bedeutende Geschichtswerk, das sich mit dem letzten Viertel des vorigen
und mit dem gegenwärtigen Jahrhundert beschäftigte, hat unsre Kenntniß jener
verwickelten Verhältnisse mit irgend einem neuen Detail bereichert.

Alle diese Forschungen hat Herr Nöpcll mit dem eindringenden Ver¬
ständniß einer umfassenden historischen Bildung studirt, und ein ebenso ein¬
faches als lichtvolles Bild daraus zusammengesetzt, das uns für das dunkle
Labyrinth der modernen Politik einen.untrüglichen Wegweiser gibt. Daß in dem
Vorschreiten Rußlands, in dem wachsenden Verfall der Türkei, ein nothwen¬
diger Naturproceß liegt, haben wir in diesen Blättern öfters ausgesprochen;
man wird es in dem gegenwärtigen Werk wissenschaftlich begründet finden:
ebenso aber wird man sich daraus in der Ueberzeugung bestärken, daß das
civilisirte Europa alle Kräfte, welche ihm seine eigne Natur und seine fortge¬
schrittene Staatsbildung verleihen, aufwenden muß, um diesem einseitigen
Narurproceß entgegenzuarbeiten. Der Orient darf nicht seiner eignen na¬
türlichen Entwicklung überlassen bleiben, wenn man nicht die gesammte euro¬
päische Cultur der größten Gefahr aussetzen will: nur das Zusammenwirken
der europäischen Mächte kann jener Entwicklung eine Wendung geben, der
mit dem Heil der Civilisation verträglich ist.

Und hier sei eS uns erlaubt, auf eine höchst interessante Abhandlung von
Emile Montigut über die Idee der Weltmonarchie hinzuweisen, die das
Juliheft der Revue des deur mondes mittheilt (t'erspootivLs sur le wmps prvsoiU).
Der Verfasser macht darauf aufmerksam, daß wir in unsrem Jahrhundert nur
zu geneigt sind, uns in trügliche Sicherheit einzuschläfern, als ob die historische
Idee, die ganze Jahrhunderte bewegt, durch die modernen Creditverhältnisse
unmöglich geworden wäre. Die Revolution von 1818, der Krieg von -I8S3
konnte uns von der Einseitigkeit dieser Annahme überzeugen. Die Idee der
Weltmonarchie besteht und wirkt sort; nur die nationale Befreiung der euro¬
päischen Völker kann ihr erfolgreichen Widerstand leisten. Der Artikel ist auf¬
fallend genug für ein französisches Blatt in protestantischen und consti-
tutionellen Geist geschrieben; er verdient allgemeine Beachtung.

Herr Röpell hat versprochen, die weitere Entwicklung der orientalischen
Frage seit -1830 in einem zweiten Bande zu verfolgen; möge er dies Ver¬
sprechen recht bald erfüllen. --


Geschichte des deutschen Volkes von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart
von Jacob Venedey. Siebente Lieferung. Berlin, Franz Duncker. --

Wir behalten uns vor, auf diese Fortsetzung des von uns bereits angezeigten Bu¬
ches näher einzugehen, sobald dasselbe einen gewissen Abschluß erreichthaben wird.--


durch, welche Nußland in stetigem Fortschritt seinen ehrgeizigen Plänen zu
Herrschaft im Osten Bahn brach, mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt, und fast
jedes bedeutende Geschichtswerk, das sich mit dem letzten Viertel des vorigen
und mit dem gegenwärtigen Jahrhundert beschäftigte, hat unsre Kenntniß jener
verwickelten Verhältnisse mit irgend einem neuen Detail bereichert.

Alle diese Forschungen hat Herr Nöpcll mit dem eindringenden Ver¬
ständniß einer umfassenden historischen Bildung studirt, und ein ebenso ein¬
faches als lichtvolles Bild daraus zusammengesetzt, das uns für das dunkle
Labyrinth der modernen Politik einen.untrüglichen Wegweiser gibt. Daß in dem
Vorschreiten Rußlands, in dem wachsenden Verfall der Türkei, ein nothwen¬
diger Naturproceß liegt, haben wir in diesen Blättern öfters ausgesprochen;
man wird es in dem gegenwärtigen Werk wissenschaftlich begründet finden:
ebenso aber wird man sich daraus in der Ueberzeugung bestärken, daß das
civilisirte Europa alle Kräfte, welche ihm seine eigne Natur und seine fortge¬
schrittene Staatsbildung verleihen, aufwenden muß, um diesem einseitigen
Narurproceß entgegenzuarbeiten. Der Orient darf nicht seiner eignen na¬
türlichen Entwicklung überlassen bleiben, wenn man nicht die gesammte euro¬
päische Cultur der größten Gefahr aussetzen will: nur das Zusammenwirken
der europäischen Mächte kann jener Entwicklung eine Wendung geben, der
mit dem Heil der Civilisation verträglich ist.

Und hier sei eS uns erlaubt, auf eine höchst interessante Abhandlung von
Emile Montigut über die Idee der Weltmonarchie hinzuweisen, die das
Juliheft der Revue des deur mondes mittheilt (t'erspootivLs sur le wmps prvsoiU).
Der Verfasser macht darauf aufmerksam, daß wir in unsrem Jahrhundert nur
zu geneigt sind, uns in trügliche Sicherheit einzuschläfern, als ob die historische
Idee, die ganze Jahrhunderte bewegt, durch die modernen Creditverhältnisse
unmöglich geworden wäre. Die Revolution von 1818, der Krieg von -I8S3
konnte uns von der Einseitigkeit dieser Annahme überzeugen. Die Idee der
Weltmonarchie besteht und wirkt sort; nur die nationale Befreiung der euro¬
päischen Völker kann ihr erfolgreichen Widerstand leisten. Der Artikel ist auf¬
fallend genug für ein französisches Blatt in protestantischen und consti-
tutionellen Geist geschrieben; er verdient allgemeine Beachtung.

Herr Röpell hat versprochen, die weitere Entwicklung der orientalischen
Frage seit -1830 in einem zweiten Bande zu verfolgen; möge er dies Ver¬
sprechen recht bald erfüllen. —


Geschichte des deutschen Volkes von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart
von Jacob Venedey. Siebente Lieferung. Berlin, Franz Duncker. —

Wir behalten uns vor, auf diese Fortsetzung des von uns bereits angezeigten Bu¬
ches näher einzugehen, sobald dasselbe einen gewissen Abschluß erreichthaben wird.—


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281284"/>
            <p xml:id="ID_399" prev="#ID_398"> durch, welche Nußland in stetigem Fortschritt seinen ehrgeizigen Plänen zu<lb/>
Herrschaft im Osten Bahn brach, mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt, und fast<lb/>
jedes bedeutende Geschichtswerk, das sich mit dem letzten Viertel des vorigen<lb/>
und mit dem gegenwärtigen Jahrhundert beschäftigte, hat unsre Kenntniß jener<lb/>
verwickelten Verhältnisse mit irgend einem neuen Detail bereichert.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_400"> Alle diese Forschungen hat Herr Nöpcll mit dem eindringenden Ver¬<lb/>
ständniß einer umfassenden historischen Bildung studirt, und ein ebenso ein¬<lb/>
faches als lichtvolles Bild daraus zusammengesetzt, das uns für das dunkle<lb/>
Labyrinth der modernen Politik einen.untrüglichen Wegweiser gibt. Daß in dem<lb/>
Vorschreiten Rußlands, in dem wachsenden Verfall der Türkei, ein nothwen¬<lb/>
diger Naturproceß liegt, haben wir in diesen Blättern öfters ausgesprochen;<lb/>
man wird es in dem gegenwärtigen Werk wissenschaftlich begründet finden:<lb/>
ebenso aber wird man sich daraus in der Ueberzeugung bestärken, daß das<lb/>
civilisirte Europa alle Kräfte, welche ihm seine eigne Natur und seine fortge¬<lb/>
schrittene Staatsbildung verleihen, aufwenden muß, um diesem einseitigen<lb/>
Narurproceß entgegenzuarbeiten. Der Orient darf nicht seiner eignen na¬<lb/>
türlichen Entwicklung überlassen bleiben, wenn man nicht die gesammte euro¬<lb/>
päische Cultur der größten Gefahr aussetzen will: nur das Zusammenwirken<lb/>
der europäischen Mächte kann jener Entwicklung eine Wendung geben, der<lb/>
mit dem Heil der Civilisation verträglich ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_401"> Und hier sei eS uns erlaubt, auf eine höchst interessante Abhandlung von<lb/>
Emile Montigut über die Idee der Weltmonarchie hinzuweisen, die das<lb/>
Juliheft der Revue des deur mondes mittheilt (t'erspootivLs sur le wmps prvsoiU).<lb/>
Der Verfasser macht darauf aufmerksam, daß wir in unsrem Jahrhundert nur<lb/>
zu geneigt sind, uns in trügliche Sicherheit einzuschläfern, als ob die historische<lb/>
Idee, die ganze Jahrhunderte bewegt, durch die modernen Creditverhältnisse<lb/>
unmöglich geworden wäre. Die Revolution von 1818, der Krieg von -I8S3<lb/>
konnte uns von der Einseitigkeit dieser Annahme überzeugen. Die Idee der<lb/>
Weltmonarchie besteht und wirkt sort; nur die nationale Befreiung der euro¬<lb/>
päischen Völker kann ihr erfolgreichen Widerstand leisten. Der Artikel ist auf¬<lb/>
fallend genug für ein französisches Blatt in protestantischen und consti-<lb/>
tutionellen Geist geschrieben; er verdient allgemeine Beachtung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_402"> Herr Röpell hat versprochen, die weitere Entwicklung der orientalischen<lb/>
Frage seit -1830 in einem zweiten Bande zu verfolgen; möge er dies Ver¬<lb/>
sprechen recht bald erfüllen. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Geschichte des deutschen Volkes von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart<lb/>
von Jacob Venedey.  Siebente Lieferung.  Berlin, Franz Duncker. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_403" next="#ID_404"> Wir behalten uns vor, auf diese Fortsetzung des von uns bereits angezeigten Bu¬<lb/>
ches näher einzugehen, sobald dasselbe einen gewissen Abschluß erreichthaben wird.&#x2014;</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0133] durch, welche Nußland in stetigem Fortschritt seinen ehrgeizigen Plänen zu Herrschaft im Osten Bahn brach, mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt, und fast jedes bedeutende Geschichtswerk, das sich mit dem letzten Viertel des vorigen und mit dem gegenwärtigen Jahrhundert beschäftigte, hat unsre Kenntniß jener verwickelten Verhältnisse mit irgend einem neuen Detail bereichert. Alle diese Forschungen hat Herr Nöpcll mit dem eindringenden Ver¬ ständniß einer umfassenden historischen Bildung studirt, und ein ebenso ein¬ faches als lichtvolles Bild daraus zusammengesetzt, das uns für das dunkle Labyrinth der modernen Politik einen.untrüglichen Wegweiser gibt. Daß in dem Vorschreiten Rußlands, in dem wachsenden Verfall der Türkei, ein nothwen¬ diger Naturproceß liegt, haben wir in diesen Blättern öfters ausgesprochen; man wird es in dem gegenwärtigen Werk wissenschaftlich begründet finden: ebenso aber wird man sich daraus in der Ueberzeugung bestärken, daß das civilisirte Europa alle Kräfte, welche ihm seine eigne Natur und seine fortge¬ schrittene Staatsbildung verleihen, aufwenden muß, um diesem einseitigen Narurproceß entgegenzuarbeiten. Der Orient darf nicht seiner eignen na¬ türlichen Entwicklung überlassen bleiben, wenn man nicht die gesammte euro¬ päische Cultur der größten Gefahr aussetzen will: nur das Zusammenwirken der europäischen Mächte kann jener Entwicklung eine Wendung geben, der mit dem Heil der Civilisation verträglich ist. Und hier sei eS uns erlaubt, auf eine höchst interessante Abhandlung von Emile Montigut über die Idee der Weltmonarchie hinzuweisen, die das Juliheft der Revue des deur mondes mittheilt (t'erspootivLs sur le wmps prvsoiU). Der Verfasser macht darauf aufmerksam, daß wir in unsrem Jahrhundert nur zu geneigt sind, uns in trügliche Sicherheit einzuschläfern, als ob die historische Idee, die ganze Jahrhunderte bewegt, durch die modernen Creditverhältnisse unmöglich geworden wäre. Die Revolution von 1818, der Krieg von -I8S3 konnte uns von der Einseitigkeit dieser Annahme überzeugen. Die Idee der Weltmonarchie besteht und wirkt sort; nur die nationale Befreiung der euro¬ päischen Völker kann ihr erfolgreichen Widerstand leisten. Der Artikel ist auf¬ fallend genug für ein französisches Blatt in protestantischen und consti- tutionellen Geist geschrieben; er verdient allgemeine Beachtung. Herr Röpell hat versprochen, die weitere Entwicklung der orientalischen Frage seit -1830 in einem zweiten Bande zu verfolgen; möge er dies Ver¬ sprechen recht bald erfüllen. — Geschichte des deutschen Volkes von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart von Jacob Venedey. Siebente Lieferung. Berlin, Franz Duncker. — Wir behalten uns vor, auf diese Fortsetzung des von uns bereits angezeigten Bu¬ ches näher einzugehen, sobald dasselbe einen gewissen Abschluß erreichthaben wird.—

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/133
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/133>, abgerufen am 31.08.2024.