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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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vergrößern oder unterzugehen. Also unsere Zeit nutz kommen. Nicht wir, die
Männer von Frankfurt, von Berlin, Gotha, Erfurt u. s. w.; noch vielweniger
wir vereinzelten Schriftsteller, auf die gar nichts ankommt, sondern wir, die Partei,
die nicht stirbt, weil sie von einem Princip getragen wird, wir sind Deutschlands
Zukunft. Es kommt uns nicht darauf an, ob Herr Camphausen oder v. Auers-
wald, oder v. Gagern preußische Minister sind; selbst wenn Herr v. Bismark-
Schönhauseu -- wer steht für die Ironie der Weltgeschichte! -- einmal durch
die Nothwendigkeit der Lage dahin getrieben werden sollte, preußisch zu handeln,
werden wir auf seiner Seite sein.

Herr Diezel meint, wir wünschten die Fusion mit den Demokraten. Wir
haben uns im Gegentheil stets dagegen erklärt, denn wir trauen wenigstens dem
intelligenteren Theil der Demokratie ein Princip zu, ein Princip, das von dem
unsrigen abweicht. Aber wir haben eine loyale Haltung der Parteien gewünscht,
einen neutralen Boden, auf dem man sich verstehen könnte. Das geschieht nur,
wenn wir die Aufmerksamkeit von den Personen auf die Sache leiten. Es ist
sehr löblich von Herrn Diezel, wenn er seine Parteigenossen darauf aufmerksam
macht, daß wir mit England näher verwandt sind als mit Frankreich, daß wir
aus der englischen Staatseulwickelung mehr lernen können als aus der franzö¬
sischen. Für uns ist das freilich nichts Neues, wir haben es seit Jahren gewußt
und verfochten.*) Aber Herr Diezel fehlt dadurch, daß er fortwährend die Auf¬
merksamkeit wieder von deu Sachen auf die Personen lenkt, und dabei einen
""gezogenen und renommirenden Ton anschlägt, der seit einigen Jahren glücklicher¬
weise in Vergessenheit gerathen war. Abgesehen vou seiner Geschmacklosigkeit ist
dieser Ton auch störend für die politische Entwickelung, weil er das Parteileben
in unfruchtbare persönliche Reibungen herabdräugt.




Wochenbericht.
Bildende Kunst.

-- In Pompeji hat man kürzlich eine bemalte kollossale
männliche Marmorstatue entdeckt, bei welcher die Farben noch ganz gut erhalten sind;
ein sehr wichtiger, und belehrender Fund sür die Kenntniß der Anwendung der Malerei
aus die bildende Kunst im Alterthum. Die Ausgrabungen in Herculanum werden
regelmäßig, wie in Pompeji, nur in weit geringerem Umfange fortgesetzt, wobei in
architektonischer Hinsicht wieder manche interessante Gegenstände zum Vorschein gekommen
sind. --



Wenn wir die Politik des Aberdeenschen Cabinets angreifen, so ist es doch zu lächer¬
lich, uns, wie Hr. Diezel thut, den Glauben an "den Verfall Englands" in den Mund zu
legen. Wir wissen die augenblickliche Regierung vom Staat sehr wohl z" unterscheiden, was
diejenigen nicht wissen, die mit Ollmiitz Preußen aufgaben.

vergrößern oder unterzugehen. Also unsere Zeit nutz kommen. Nicht wir, die
Männer von Frankfurt, von Berlin, Gotha, Erfurt u. s. w.; noch vielweniger
wir vereinzelten Schriftsteller, auf die gar nichts ankommt, sondern wir, die Partei,
die nicht stirbt, weil sie von einem Princip getragen wird, wir sind Deutschlands
Zukunft. Es kommt uns nicht darauf an, ob Herr Camphausen oder v. Auers-
wald, oder v. Gagern preußische Minister sind; selbst wenn Herr v. Bismark-
Schönhauseu — wer steht für die Ironie der Weltgeschichte! — einmal durch
die Nothwendigkeit der Lage dahin getrieben werden sollte, preußisch zu handeln,
werden wir auf seiner Seite sein.

Herr Diezel meint, wir wünschten die Fusion mit den Demokraten. Wir
haben uns im Gegentheil stets dagegen erklärt, denn wir trauen wenigstens dem
intelligenteren Theil der Demokratie ein Princip zu, ein Princip, das von dem
unsrigen abweicht. Aber wir haben eine loyale Haltung der Parteien gewünscht,
einen neutralen Boden, auf dem man sich verstehen könnte. Das geschieht nur,
wenn wir die Aufmerksamkeit von den Personen auf die Sache leiten. Es ist
sehr löblich von Herrn Diezel, wenn er seine Parteigenossen darauf aufmerksam
macht, daß wir mit England näher verwandt sind als mit Frankreich, daß wir
aus der englischen Staatseulwickelung mehr lernen können als aus der franzö¬
sischen. Für uns ist das freilich nichts Neues, wir haben es seit Jahren gewußt
und verfochten.*) Aber Herr Diezel fehlt dadurch, daß er fortwährend die Auf¬
merksamkeit wieder von deu Sachen auf die Personen lenkt, und dabei einen
»»gezogenen und renommirenden Ton anschlägt, der seit einigen Jahren glücklicher¬
weise in Vergessenheit gerathen war. Abgesehen vou seiner Geschmacklosigkeit ist
dieser Ton auch störend für die politische Entwickelung, weil er das Parteileben
in unfruchtbare persönliche Reibungen herabdräugt.




Wochenbericht.
Bildende Kunst.

— In Pompeji hat man kürzlich eine bemalte kollossale
männliche Marmorstatue entdeckt, bei welcher die Farben noch ganz gut erhalten sind;
ein sehr wichtiger, und belehrender Fund sür die Kenntniß der Anwendung der Malerei
aus die bildende Kunst im Alterthum. Die Ausgrabungen in Herculanum werden
regelmäßig, wie in Pompeji, nur in weit geringerem Umfange fortgesetzt, wobei in
architektonischer Hinsicht wieder manche interessante Gegenstände zum Vorschein gekommen
sind. —



Wenn wir die Politik des Aberdeenschen Cabinets angreifen, so ist es doch zu lächer¬
lich, uns, wie Hr. Diezel thut, den Glauben an „den Verfall Englands" in den Mund zu
legen. Wir wissen die augenblickliche Regierung vom Staat sehr wohl z» unterscheiden, was
diejenigen nicht wissen, die mit Ollmiitz Preußen aufgaben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/45>, abgerufen am 05.02.2025.