Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

oder ein Behälter mit Tintenfischen im beständigen wilden Kriege, oder die schöne
purpurene Janthina mit ihrer schwimmenden Blase, oder die wasserspeiende Pa-
nopäa!

Einer der interessantesten Züge des neuen Schauspiels ist die ruhelose Orts-
veränderung mehrer dieser Geschöpfe. Man kann einen ganzen Tag unter den
Wasserbehältern zubringen, und doch jedesmal neues sehen. Die von beiden
Seiten zugänglichen Behälter bieten dem Auge eine Fläche von 390 Quadratfuß,
und enthalten sieben Ton Seewasser. Manchmal heftet sich der Palmipes mem-
branaceus an die Glaswand und zeigt seinen schönen Ban und den glänzenden
Carmoisinrand. Seeigel sind nicht selten, nud prächtig gefärbte Obhiocomas und
Masters erhellen die dunkeln Steine und schattigen Winkel unter deu Algen mit
wunderbarem Glänze. Von den Fischen fallen die aus den Gattungen Blennius
nud Cottas durch ihre Raubgier und ihre Rührigkeit auf. Sie halten sich sonst
nur ans dem Grunde des Meeres auf, und man hat daher hier das erste Mal
Gelegenheit, ihre Lebensmeise zu beobachten. Nicht blos dem schaulustigen Pu-
blicum, sondern auch der Wissenschaft verspricht das Aquarium große Dienste zu
leisten.

Der Kölner Gesangverein, der in London -12 Concerte gegeben hat, hat
außerordentliche und wohlverdiente Triumphe gefeiert. Aber so ungetheilten Bei¬
fall die Säuger selbst gefunden haben, so erhebliche Einwendungen hat man gegen
einen Theil ihres Repertoirs gemacht, und man begreift nicht, wie ein in technischer
Hinsicht so hoch ausgebildetes Institut sich zu Absingung so kindischer Tändeleien
und Trivialitäten, wie viele Kompositionen von Zöllner, Otto und anderen sind, her¬
geben kann. Die Sachen von Weber, Mendelssohn, Zellter und andern ältern
Meistern wurden mit der lebhaftesten Begeisterung begrüßt.




Wochenbericht.
Musik. '

-- In Leipzig gastirt seit einigen Wochen der herzoglich gothaische
Kammersänger Herr Neer mit entschiedenem Erfolge, der um so höher anzuschlagen
ist, als Tichatschek vor ihm das Publicum mit seinem Zauber umfangen hielt. Die Art
und Weise zu fingen ist bei beiden Künstlern eine verschiedene. Tichatschek im Besitze
eines gewaltigen Materials, besiegt durch Kraftäußerungen des Tons und stark accen-
tuirte dramatische Momente; seinem sonst genialen Wesen verzeiht Managern mancherlei
Uebergriffe. Ncers Stimme ist noch unberührt und erklingt noch, selbst im schwachen
Anschlage, in dem tenoreigenthümlichen Schmelze. Seine Kraft ist noch so wenig ge¬
brochen, daß er die Cantilene lang zu tragen vermag, eine Tugend, die wir bei
Tichatschek vermissen, der auch im ruhigen Motive jeden Ton anstößt. Darum gelingen
Reer besonders die rein lyrischen Stellen. Seine beste Leistung war unstreitig die


oder ein Behälter mit Tintenfischen im beständigen wilden Kriege, oder die schöne
purpurene Janthina mit ihrer schwimmenden Blase, oder die wasserspeiende Pa-
nopäa!

Einer der interessantesten Züge des neuen Schauspiels ist die ruhelose Orts-
veränderung mehrer dieser Geschöpfe. Man kann einen ganzen Tag unter den
Wasserbehältern zubringen, und doch jedesmal neues sehen. Die von beiden
Seiten zugänglichen Behälter bieten dem Auge eine Fläche von 390 Quadratfuß,
und enthalten sieben Ton Seewasser. Manchmal heftet sich der Palmipes mem-
branaceus an die Glaswand und zeigt seinen schönen Ban und den glänzenden
Carmoisinrand. Seeigel sind nicht selten, nud prächtig gefärbte Obhiocomas und
Masters erhellen die dunkeln Steine und schattigen Winkel unter deu Algen mit
wunderbarem Glänze. Von den Fischen fallen die aus den Gattungen Blennius
nud Cottas durch ihre Raubgier und ihre Rührigkeit auf. Sie halten sich sonst
nur ans dem Grunde des Meeres auf, und man hat daher hier das erste Mal
Gelegenheit, ihre Lebensmeise zu beobachten. Nicht blos dem schaulustigen Pu-
blicum, sondern auch der Wissenschaft verspricht das Aquarium große Dienste zu
leisten.

Der Kölner Gesangverein, der in London -12 Concerte gegeben hat, hat
außerordentliche und wohlverdiente Triumphe gefeiert. Aber so ungetheilten Bei¬
fall die Säuger selbst gefunden haben, so erhebliche Einwendungen hat man gegen
einen Theil ihres Repertoirs gemacht, und man begreift nicht, wie ein in technischer
Hinsicht so hoch ausgebildetes Institut sich zu Absingung so kindischer Tändeleien
und Trivialitäten, wie viele Kompositionen von Zöllner, Otto und anderen sind, her¬
geben kann. Die Sachen von Weber, Mendelssohn, Zellter und andern ältern
Meistern wurden mit der lebhaftesten Begeisterung begrüßt.




Wochenbericht.
Musik. '

— In Leipzig gastirt seit einigen Wochen der herzoglich gothaische
Kammersänger Herr Neer mit entschiedenem Erfolge, der um so höher anzuschlagen
ist, als Tichatschek vor ihm das Publicum mit seinem Zauber umfangen hielt. Die Art
und Weise zu fingen ist bei beiden Künstlern eine verschiedene. Tichatschek im Besitze
eines gewaltigen Materials, besiegt durch Kraftäußerungen des Tons und stark accen-
tuirte dramatische Momente; seinem sonst genialen Wesen verzeiht Managern mancherlei
Uebergriffe. Ncers Stimme ist noch unberührt und erklingt noch, selbst im schwachen
Anschlage, in dem tenoreigenthümlichen Schmelze. Seine Kraft ist noch so wenig ge¬
brochen, daß er die Cantilene lang zu tragen vermag, eine Tugend, die wir bei
Tichatschek vermissen, der auch im ruhigen Motive jeden Ton anstößt. Darum gelingen
Reer besonders die rein lyrischen Stellen. Seine beste Leistung war unstreitig die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96261"/>
          <p xml:id="ID_260" prev="#ID_259"> oder ein Behälter mit Tintenfischen im beständigen wilden Kriege, oder die schöne<lb/>
purpurene Janthina mit ihrer schwimmenden Blase, oder die wasserspeiende Pa-<lb/>
nopäa!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_261"> Einer der interessantesten Züge des neuen Schauspiels ist die ruhelose Orts-<lb/>
veränderung mehrer dieser Geschöpfe. Man kann einen ganzen Tag unter den<lb/>
Wasserbehältern zubringen, und doch jedesmal neues sehen. Die von beiden<lb/>
Seiten zugänglichen Behälter bieten dem Auge eine Fläche von 390 Quadratfuß,<lb/>
und enthalten sieben Ton Seewasser. Manchmal heftet sich der Palmipes mem-<lb/>
branaceus an die Glaswand und zeigt seinen schönen Ban und den glänzenden<lb/>
Carmoisinrand. Seeigel sind nicht selten, nud prächtig gefärbte Obhiocomas und<lb/>
Masters erhellen die dunkeln Steine und schattigen Winkel unter deu Algen mit<lb/>
wunderbarem Glänze. Von den Fischen fallen die aus den Gattungen Blennius<lb/>
nud Cottas durch ihre Raubgier und ihre Rührigkeit auf. Sie halten sich sonst<lb/>
nur ans dem Grunde des Meeres auf, und man hat daher hier das erste Mal<lb/>
Gelegenheit, ihre Lebensmeise zu beobachten. Nicht blos dem schaulustigen Pu-<lb/>
blicum, sondern auch der Wissenschaft verspricht das Aquarium große Dienste zu<lb/>
leisten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_262"> Der Kölner Gesangverein, der in London -12 Concerte gegeben hat, hat<lb/>
außerordentliche und wohlverdiente Triumphe gefeiert. Aber so ungetheilten Bei¬<lb/>
fall die Säuger selbst gefunden haben, so erhebliche Einwendungen hat man gegen<lb/>
einen Theil ihres Repertoirs gemacht, und man begreift nicht, wie ein in technischer<lb/>
Hinsicht so hoch ausgebildetes Institut sich zu Absingung so kindischer Tändeleien<lb/>
und Trivialitäten, wie viele Kompositionen von Zöllner, Otto und anderen sind, her¬<lb/>
geben kann. Die Sachen von Weber, Mendelssohn, Zellter und andern ältern<lb/>
Meistern wurden mit der lebhaftesten Begeisterung begrüßt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wochenbericht.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Musik. '</head>
            <p xml:id="ID_263" next="#ID_264"> &#x2014; In Leipzig gastirt seit einigen Wochen der herzoglich gothaische<lb/>
Kammersänger Herr Neer mit entschiedenem Erfolge, der um so höher anzuschlagen<lb/>
ist, als Tichatschek vor ihm das Publicum mit seinem Zauber umfangen hielt. Die Art<lb/>
und Weise zu fingen ist bei beiden Künstlern eine verschiedene. Tichatschek im Besitze<lb/>
eines gewaltigen Materials, besiegt durch Kraftäußerungen des Tons und stark accen-<lb/>
tuirte dramatische Momente; seinem sonst genialen Wesen verzeiht Managern mancherlei<lb/>
Uebergriffe. Ncers Stimme ist noch unberührt und erklingt noch, selbst im schwachen<lb/>
Anschlage, in dem tenoreigenthümlichen Schmelze. Seine Kraft ist noch so wenig ge¬<lb/>
brochen, daß er die Cantilene lang zu tragen vermag, eine Tugend, die wir bei<lb/>
Tichatschek vermissen, der auch im ruhigen Motive jeden Ton anstößt. Darum gelingen<lb/>
Reer besonders die rein lyrischen Stellen.  Seine beste Leistung war unstreitig die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0086] oder ein Behälter mit Tintenfischen im beständigen wilden Kriege, oder die schöne purpurene Janthina mit ihrer schwimmenden Blase, oder die wasserspeiende Pa- nopäa! Einer der interessantesten Züge des neuen Schauspiels ist die ruhelose Orts- veränderung mehrer dieser Geschöpfe. Man kann einen ganzen Tag unter den Wasserbehältern zubringen, und doch jedesmal neues sehen. Die von beiden Seiten zugänglichen Behälter bieten dem Auge eine Fläche von 390 Quadratfuß, und enthalten sieben Ton Seewasser. Manchmal heftet sich der Palmipes mem- branaceus an die Glaswand und zeigt seinen schönen Ban und den glänzenden Carmoisinrand. Seeigel sind nicht selten, nud prächtig gefärbte Obhiocomas und Masters erhellen die dunkeln Steine und schattigen Winkel unter deu Algen mit wunderbarem Glänze. Von den Fischen fallen die aus den Gattungen Blennius nud Cottas durch ihre Raubgier und ihre Rührigkeit auf. Sie halten sich sonst nur ans dem Grunde des Meeres auf, und man hat daher hier das erste Mal Gelegenheit, ihre Lebensmeise zu beobachten. Nicht blos dem schaulustigen Pu- blicum, sondern auch der Wissenschaft verspricht das Aquarium große Dienste zu leisten. Der Kölner Gesangverein, der in London -12 Concerte gegeben hat, hat außerordentliche und wohlverdiente Triumphe gefeiert. Aber so ungetheilten Bei¬ fall die Säuger selbst gefunden haben, so erhebliche Einwendungen hat man gegen einen Theil ihres Repertoirs gemacht, und man begreift nicht, wie ein in technischer Hinsicht so hoch ausgebildetes Institut sich zu Absingung so kindischer Tändeleien und Trivialitäten, wie viele Kompositionen von Zöllner, Otto und anderen sind, her¬ geben kann. Die Sachen von Weber, Mendelssohn, Zellter und andern ältern Meistern wurden mit der lebhaftesten Begeisterung begrüßt. Wochenbericht. Musik. ' — In Leipzig gastirt seit einigen Wochen der herzoglich gothaische Kammersänger Herr Neer mit entschiedenem Erfolge, der um so höher anzuschlagen ist, als Tichatschek vor ihm das Publicum mit seinem Zauber umfangen hielt. Die Art und Weise zu fingen ist bei beiden Künstlern eine verschiedene. Tichatschek im Besitze eines gewaltigen Materials, besiegt durch Kraftäußerungen des Tons und stark accen- tuirte dramatische Momente; seinem sonst genialen Wesen verzeiht Managern mancherlei Uebergriffe. Ncers Stimme ist noch unberührt und erklingt noch, selbst im schwachen Anschlage, in dem tenoreigenthümlichen Schmelze. Seine Kraft ist noch so wenig ge¬ brochen, daß er die Cantilene lang zu tragen vermag, eine Tugend, die wir bei Tichatschek vermissen, der auch im ruhigen Motive jeden Ton anstößt. Darum gelingen Reer besonders die rein lyrischen Stellen. Seine beste Leistung war unstreitig die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/86
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/86>, abgerufen am 22.07.2024.