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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Neue Ly r i k.
Habana. Lyrisch-epische Dichtung von Adolf Böttger. Leipzig, Costenoble. --
Rudolf von Werdenberg im Freiheitskampf der Appenzeller von Thomas Vorn¬
hau ser. Frauenfeld, Verlags-Comptoir. --
Gedichte von Baucrnseld. Leipzig, Brockhaus.--
Aus dem Haus. Lieder und'Bilder ans dem Familienleben von Rudolf --
Ansbach, Gummi. --
Die katholische Kirche, dargestellt in einem Cyklus lyrischer Gesänge von Chr.
Wicucnbrügge. Trier, Gall. --
Spätherbst-Blüten. Dichtungen von Joseph Bauberger. Breslau, Maske. --
Lieder, Schleswig-Holstein geweiht, von V. P. Bremen, Geister. --
Patriotische Gedichte von Victor Precht. Zweite Sammlung. Der Ertrag
für den Zweck des Altonaer Hilfsvereins. Bremen. Geister.
Gedichte von Robert Harrmcinu. Mainz, Zabern. --
Lindenblüthen gesammelt von Minna Zimmermann. Königsberg, Theile.

Es ist "och nicht sehr lange Zeit her, daß wir eine ganze Reihe neuer
lyrischer Gedichte besprachen. Wir haben seitdem immer wieder von Zeit zu Zeit
einiges Neuere dem Publicum vorgeführt, trotzdem aber hat sich der Vorrath doch
wieder ziemlich stark angehäuft.

Wir betrachten zuerst die beiden erstgenannten Gedichte, die wenigstens
theilweise an den Charakter des Epischeu streifen. Herr Böttger hat ein nicht
gewöhnliches Talent für dasjenige, was wir vor einiger Zeit als die Hauptsache
beim romantischen Epos angaben, für die beschreibende Poesie. Einzelne Land-
schaftSschilderungen in diesem Gedicht siud vortrefflich ausgeführt, und es scheint
uns nur, als ob er zu leicht producirt und es daher selten zu jener strengen,
energischen Concentration kommen läßt, die doch anch vorhanden sein muß, um
das Interesse rege zu erhalten. Es ist nicht gilt, daß er sein Gedicht in kleine
Romanzen zersplittert hat, und daß er diese noch mehr dnrch das abweichende
Versmaß markirt. Der Rythmus muß im romantischen Gedicht ein gleichmäßiger
sei", um Stimmung und Färbung zu behaupten; den Wechsel in deu Empfindun-
gen muß der Inhalt selbst geben. Ihm durch die Veränderung der Verse zu
Hilfe zu kommen, ist nnr eine scheinbare Erleichterung. Ferner muß sich die
Masse des Gedichts in größeren Gruppe" gliedern. Das ist schon darum nützlich,
weil der Dichter damit el"e" heilsame" Zwang gegen sich selber ausübt. Je fester
der epische Stamm ist, um den sich die Blütenmasse der Schilderungen rankt, desto
freier kann sich der Dichter in dieser Beziehung bewegen; sobald die Handlung ans-,
einandersällt, verlieren auch die-Schilderungen ihr eigentliches Interesse. Außerdem
ist die Form nicht ganz correct, wie z. B. in de" folgenden Strophen:


Grenzboten. III. Z8
Neue Ly r i k.
Habana. Lyrisch-epische Dichtung von Adolf Böttger. Leipzig, Costenoble. —
Rudolf von Werdenberg im Freiheitskampf der Appenzeller von Thomas Vorn¬
hau ser. Frauenfeld, Verlags-Comptoir. —
Gedichte von Baucrnseld. Leipzig, Brockhaus.—
Aus dem Haus. Lieder und'Bilder ans dem Familienleben von Rudolf —
Ansbach, Gummi. —
Die katholische Kirche, dargestellt in einem Cyklus lyrischer Gesänge von Chr.
Wicucnbrügge. Trier, Gall. —
Spätherbst-Blüten. Dichtungen von Joseph Bauberger. Breslau, Maske. —
Lieder, Schleswig-Holstein geweiht, von V. P. Bremen, Geister. —
Patriotische Gedichte von Victor Precht. Zweite Sammlung. Der Ertrag
für den Zweck des Altonaer Hilfsvereins. Bremen. Geister.
Gedichte von Robert Harrmcinu. Mainz, Zabern. —
Lindenblüthen gesammelt von Minna Zimmermann. Königsberg, Theile.

Es ist »och nicht sehr lange Zeit her, daß wir eine ganze Reihe neuer
lyrischer Gedichte besprachen. Wir haben seitdem immer wieder von Zeit zu Zeit
einiges Neuere dem Publicum vorgeführt, trotzdem aber hat sich der Vorrath doch
wieder ziemlich stark angehäuft.

Wir betrachten zuerst die beiden erstgenannten Gedichte, die wenigstens
theilweise an den Charakter des Epischeu streifen. Herr Böttger hat ein nicht
gewöhnliches Talent für dasjenige, was wir vor einiger Zeit als die Hauptsache
beim romantischen Epos angaben, für die beschreibende Poesie. Einzelne Land-
schaftSschilderungen in diesem Gedicht siud vortrefflich ausgeführt, und es scheint
uns nur, als ob er zu leicht producirt und es daher selten zu jener strengen,
energischen Concentration kommen läßt, die doch anch vorhanden sein muß, um
das Interesse rege zu erhalten. Es ist nicht gilt, daß er sein Gedicht in kleine
Romanzen zersplittert hat, und daß er diese noch mehr dnrch das abweichende
Versmaß markirt. Der Rythmus muß im romantischen Gedicht ein gleichmäßiger
sei», um Stimmung und Färbung zu behaupten; den Wechsel in deu Empfindun-
gen muß der Inhalt selbst geben. Ihm durch die Veränderung der Verse zu
Hilfe zu kommen, ist nnr eine scheinbare Erleichterung. Ferner muß sich die
Masse des Gedichts in größeren Gruppe» gliedern. Das ist schon darum nützlich,
weil der Dichter damit el»e» heilsame» Zwang gegen sich selber ausübt. Je fester
der epische Stamm ist, um den sich die Blütenmasse der Schilderungen rankt, desto
freier kann sich der Dichter in dieser Beziehung bewegen; sobald die Handlung ans-,
einandersällt, verlieren auch die-Schilderungen ihr eigentliches Interesse. Außerdem
ist die Form nicht ganz correct, wie z. B. in de» folgenden Strophen:


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[0303] Neue Ly r i k. Habana. Lyrisch-epische Dichtung von Adolf Böttger. Leipzig, Costenoble. — Rudolf von Werdenberg im Freiheitskampf der Appenzeller von Thomas Vorn¬ hau ser. Frauenfeld, Verlags-Comptoir. — Gedichte von Baucrnseld. Leipzig, Brockhaus.— Aus dem Haus. Lieder und'Bilder ans dem Familienleben von Rudolf — Ansbach, Gummi. — Die katholische Kirche, dargestellt in einem Cyklus lyrischer Gesänge von Chr. Wicucnbrügge. Trier, Gall. — Spätherbst-Blüten. Dichtungen von Joseph Bauberger. Breslau, Maske. — Lieder, Schleswig-Holstein geweiht, von V. P. Bremen, Geister. — Patriotische Gedichte von Victor Precht. Zweite Sammlung. Der Ertrag für den Zweck des Altonaer Hilfsvereins. Bremen. Geister. Gedichte von Robert Harrmcinu. Mainz, Zabern. — Lindenblüthen gesammelt von Minna Zimmermann. Königsberg, Theile. Es ist »och nicht sehr lange Zeit her, daß wir eine ganze Reihe neuer lyrischer Gedichte besprachen. Wir haben seitdem immer wieder von Zeit zu Zeit einiges Neuere dem Publicum vorgeführt, trotzdem aber hat sich der Vorrath doch wieder ziemlich stark angehäuft. Wir betrachten zuerst die beiden erstgenannten Gedichte, die wenigstens theilweise an den Charakter des Epischeu streifen. Herr Böttger hat ein nicht gewöhnliches Talent für dasjenige, was wir vor einiger Zeit als die Hauptsache beim romantischen Epos angaben, für die beschreibende Poesie. Einzelne Land- schaftSschilderungen in diesem Gedicht siud vortrefflich ausgeführt, und es scheint uns nur, als ob er zu leicht producirt und es daher selten zu jener strengen, energischen Concentration kommen läßt, die doch anch vorhanden sein muß, um das Interesse rege zu erhalten. Es ist nicht gilt, daß er sein Gedicht in kleine Romanzen zersplittert hat, und daß er diese noch mehr dnrch das abweichende Versmaß markirt. Der Rythmus muß im romantischen Gedicht ein gleichmäßiger sei», um Stimmung und Färbung zu behaupten; den Wechsel in deu Empfindun- gen muß der Inhalt selbst geben. Ihm durch die Veränderung der Verse zu Hilfe zu kommen, ist nnr eine scheinbare Erleichterung. Ferner muß sich die Masse des Gedichts in größeren Gruppe» gliedern. Das ist schon darum nützlich, weil der Dichter damit el»e» heilsame» Zwang gegen sich selber ausübt. Je fester der epische Stamm ist, um den sich die Blütenmasse der Schilderungen rankt, desto freier kann sich der Dichter in dieser Beziehung bewegen; sobald die Handlung ans-, einandersällt, verlieren auch die-Schilderungen ihr eigentliches Interesse. Außerdem ist die Form nicht ganz correct, wie z. B. in de» folgenden Strophen: Grenzboten. III. Z8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/303>, abgerufen am 23.07.2024.