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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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teuer Räuberschaaren zu schütze"? Erstlich 60 Mann irreguläre Soldaten, halb
Fußvolk und halb Reiter, wovon erstere 100 Piaster, letztere 130 Piaster jähr¬
lich bekommen, wofür sie noch das Pferd kaufen und erhalten müssen. Zu diesen
fünfzig Soldaten kommen noch 32 irreguläre Reiter (Saptys), die dem Vor¬
steher der Districte beigegeben sind, und man hat für die gesammte Provinz und
um 6 bis 8000 unruhige Kurden im Zaume zu halten, eine bewaffnete Macht von
82 Mann.

Der BergwerkSdistrict Akmadene gibt ein anderes Beispiel von diesem
Mangel an militärischen Mitteln in den Händen der türkischen Beamten. Der¬
selbe zählt ungefähr 90 Dörfer, die beständige Angriffe und Plünderungen von
den Kurden zu erdulden haben, welche sehr häufig sogar die Arbeiten in dem
der Regierung soviel eindringende" Bergwerken unterbrechen; und um diesen
Feinden der gesellschaftlichen Ordnung die Spitze zu bieten, hat das Oberhaupt
oder der Mudir dieses Districtes über sechszehn irreguläre Reiter zu
verfügen!




Der Proceß Gonzaga.

Spindler hat in seinem "Meister Kleiderleib" das ergötzliche Bild eines
Schwindlers gegeben, der einige Wochen lang das Publicum in Baden-Baden
unter verschiedenen erlogenen Charakteren mystificirt und ausbeutet. Judem man
sich an der Geschichte belustigt, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß
die zuweilen stark aufgetragenen Farben der Wahrscheinlichkeit doch mehr, als
erlaubt, Gewalt anthun und daß Meister Kleiderleib der Leichtgläubigkeit der von
ihm betrogenen Personen etwas zuviel zumuthet. Man greife wieder zu dem
Buche, nachdem mau den Proceß eines Schwindlers, der in diesen T,ager vor
dem Pariser Znchtpolizeigerichte stattgefunden, gelesen hat und man wird finden,
daß die kecke Phantasie des Erzählers von der Wirklichkeit übertroffen ist. Der
angebliche Prinz Gonzaga schlägt nicht nur Monsieur Kleiderleib aus dem Felde,
sondern die Einfalt der zahllose" Menschen, die er viele Jahre hindurch in ver¬
schiedenen Ländern Europas, namentlich aber in Frankreich, mit seiner Prinzen¬
schaft, seinen Ordenskrenzen, und seinen erdichteten Heldenthaten in Polen, Spa¬
nien :c. getäuscht und zu seinem Vortheil benutzt hat, erscheint noch bei weitem
unglaublicher, als diejenige der Opfer jenes Romanhelden.

Am 6. Juli erschien der besagte "Alexander Mnrzynowski, Prinz v. Gon¬
zaga", vor den Schranken des Zuchtpolizeigerichts unter der Anklage ungesetzlicher
Anmaßung des Kreuzes der Ehrenlegion, des Betrugs und der Contravention
gegen eine Ausweisungsordre. Der Beschreibung nach ist er ein Mann in den
Fünfzigen von mehr als mittlerer Größe und robuster Figur und antwortet auf


teuer Räuberschaaren zu schütze«? Erstlich 60 Mann irreguläre Soldaten, halb
Fußvolk und halb Reiter, wovon erstere 100 Piaster, letztere 130 Piaster jähr¬
lich bekommen, wofür sie noch das Pferd kaufen und erhalten müssen. Zu diesen
fünfzig Soldaten kommen noch 32 irreguläre Reiter (Saptys), die dem Vor¬
steher der Districte beigegeben sind, und man hat für die gesammte Provinz und
um 6 bis 8000 unruhige Kurden im Zaume zu halten, eine bewaffnete Macht von
82 Mann.

Der BergwerkSdistrict Akmadene gibt ein anderes Beispiel von diesem
Mangel an militärischen Mitteln in den Händen der türkischen Beamten. Der¬
selbe zählt ungefähr 90 Dörfer, die beständige Angriffe und Plünderungen von
den Kurden zu erdulden haben, welche sehr häufig sogar die Arbeiten in dem
der Regierung soviel eindringende» Bergwerken unterbrechen; und um diesen
Feinden der gesellschaftlichen Ordnung die Spitze zu bieten, hat das Oberhaupt
oder der Mudir dieses Districtes über sechszehn irreguläre Reiter zu
verfügen!




Der Proceß Gonzaga.

Spindler hat in seinem „Meister Kleiderleib" das ergötzliche Bild eines
Schwindlers gegeben, der einige Wochen lang das Publicum in Baden-Baden
unter verschiedenen erlogenen Charakteren mystificirt und ausbeutet. Judem man
sich an der Geschichte belustigt, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß
die zuweilen stark aufgetragenen Farben der Wahrscheinlichkeit doch mehr, als
erlaubt, Gewalt anthun und daß Meister Kleiderleib der Leichtgläubigkeit der von
ihm betrogenen Personen etwas zuviel zumuthet. Man greife wieder zu dem
Buche, nachdem mau den Proceß eines Schwindlers, der in diesen T,ager vor
dem Pariser Znchtpolizeigerichte stattgefunden, gelesen hat und man wird finden,
daß die kecke Phantasie des Erzählers von der Wirklichkeit übertroffen ist. Der
angebliche Prinz Gonzaga schlägt nicht nur Monsieur Kleiderleib aus dem Felde,
sondern die Einfalt der zahllose» Menschen, die er viele Jahre hindurch in ver¬
schiedenen Ländern Europas, namentlich aber in Frankreich, mit seiner Prinzen¬
schaft, seinen Ordenskrenzen, und seinen erdichteten Heldenthaten in Polen, Spa¬
nien :c. getäuscht und zu seinem Vortheil benutzt hat, erscheint noch bei weitem
unglaublicher, als diejenige der Opfer jenes Romanhelden.

Am 6. Juli erschien der besagte „Alexander Mnrzynowski, Prinz v. Gon¬
zaga", vor den Schranken des Zuchtpolizeigerichts unter der Anklage ungesetzlicher
Anmaßung des Kreuzes der Ehrenlegion, des Betrugs und der Contravention
gegen eine Ausweisungsordre. Der Beschreibung nach ist er ein Mann in den
Fünfzigen von mehr als mittlerer Größe und robuster Figur und antwortet auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/220>, abgerufen am 29.06.2024.