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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Zwei Tage in Lissabon.

Zu hoch gesteigerte Erwartungen sind das größte Unglück des Touristen.
Was hatte ich nicht Alles von der reizenden Lage des königlichen Lissabon
an den breiten Ufern des Tejo gehört und gelesen. Ein zweites Paradies sollte
Hiersein, und nichts auf der Welt sich mit dem Schauspiel vergleichen, wcunmanan
einem schönen Sommermorgen den Tejo hiuaussegelte, so hatte mir oft ein junger
gebildeter Portugiese, mit'dem mich der Zufall längere Zeit zusammengeführt,
versichert.

Solche frohe Hoffnungen trieben mich schon am grauenden Morgen aus dem
zwar eleganten, aber engen Schlafraum, als unser Schiff, der Jupiter, in die
Mündung desTejo hincinranschte. Man merkte augenblicklich, daß das Schiff
in die stärkere Strömung gerieth und gegen dieselbe hinan arbeiten mußte. Schon
vorher war ein portugiesischer Lootse zu uns am Bord gekommen, ein kleines
braungebranntes, dürres Männchen, ganz in einen weiten braunen Mantel von
grobem Wollenzeug gehüllt, stach er trübselig gegen die derben, rothwangigen
Matrosen unsres Schiffes, lauter echte Söhne Altenglands, ab. Und mit welcher
krächzenden Stimme ertheilte er in einem Gemisch von Englisch und Portugiesisch
dem Mister Smith, erstem Steuermann unsres Dampfers, seine Befehle, die dieser
mit sehr unwilligen! Gesicht darüber, jetzt wenigstens unter dem Befehl eines
tief von ihm verachteten Portugiesen stehn zu müssen, an die Leute verdolmetschte.

Es ist ein schöner mächtiger Srrvm dieser Tejo, hier wo er seine Fluthen dem
Ocean zuwälzt, und man könnte ihn seiner Breite und Tiefe wegen eher für eine
weit einschneidende Meeresbucht, als für ein Binnenwasser halten, trägt er doch
die mächtigste Kriegsflotte bis dicht vor die Mauern Lissabons. Die Ufer desselben
sind fruchtbar, voll südlicher Vegetation; reich bedeckt mit Dörfern, die sich
aus der Ferne besser als in der Nähe präsentiren, geschmückt mit Landhäusern,
Kirchen und den Trümmern alter Schlösser. Eine fortlaufende Reihe lieblicher
Bilder erfreut das Ange, großartige Eindrücke, die für das Leben bleiben, habe


Grenzboten. I. -IW. 11
Zwei Tage in Lissabon.

Zu hoch gesteigerte Erwartungen sind das größte Unglück des Touristen.
Was hatte ich nicht Alles von der reizenden Lage des königlichen Lissabon
an den breiten Ufern des Tejo gehört und gelesen. Ein zweites Paradies sollte
Hiersein, und nichts auf der Welt sich mit dem Schauspiel vergleichen, wcunmanan
einem schönen Sommermorgen den Tejo hiuaussegelte, so hatte mir oft ein junger
gebildeter Portugiese, mit'dem mich der Zufall längere Zeit zusammengeführt,
versichert.

Solche frohe Hoffnungen trieben mich schon am grauenden Morgen aus dem
zwar eleganten, aber engen Schlafraum, als unser Schiff, der Jupiter, in die
Mündung desTejo hincinranschte. Man merkte augenblicklich, daß das Schiff
in die stärkere Strömung gerieth und gegen dieselbe hinan arbeiten mußte. Schon
vorher war ein portugiesischer Lootse zu uns am Bord gekommen, ein kleines
braungebranntes, dürres Männchen, ganz in einen weiten braunen Mantel von
grobem Wollenzeug gehüllt, stach er trübselig gegen die derben, rothwangigen
Matrosen unsres Schiffes, lauter echte Söhne Altenglands, ab. Und mit welcher
krächzenden Stimme ertheilte er in einem Gemisch von Englisch und Portugiesisch
dem Mister Smith, erstem Steuermann unsres Dampfers, seine Befehle, die dieser
mit sehr unwilligen! Gesicht darüber, jetzt wenigstens unter dem Befehl eines
tief von ihm verachteten Portugiesen stehn zu müssen, an die Leute verdolmetschte.

Es ist ein schöner mächtiger Srrvm dieser Tejo, hier wo er seine Fluthen dem
Ocean zuwälzt, und man könnte ihn seiner Breite und Tiefe wegen eher für eine
weit einschneidende Meeresbucht, als für ein Binnenwasser halten, trägt er doch
die mächtigste Kriegsflotte bis dicht vor die Mauern Lissabons. Die Ufer desselben
sind fruchtbar, voll südlicher Vegetation; reich bedeckt mit Dörfern, die sich
aus der Ferne besser als in der Nähe präsentiren, geschmückt mit Landhäusern,
Kirchen und den Trümmern alter Schlösser. Eine fortlaufende Reihe lieblicher
Bilder erfreut das Ange, großartige Eindrücke, die für das Leben bleiben, habe


Grenzboten. I. -IW. 11
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[0089] Zwei Tage in Lissabon. Zu hoch gesteigerte Erwartungen sind das größte Unglück des Touristen. Was hatte ich nicht Alles von der reizenden Lage des königlichen Lissabon an den breiten Ufern des Tejo gehört und gelesen. Ein zweites Paradies sollte Hiersein, und nichts auf der Welt sich mit dem Schauspiel vergleichen, wcunmanan einem schönen Sommermorgen den Tejo hiuaussegelte, so hatte mir oft ein junger gebildeter Portugiese, mit'dem mich der Zufall längere Zeit zusammengeführt, versichert. Solche frohe Hoffnungen trieben mich schon am grauenden Morgen aus dem zwar eleganten, aber engen Schlafraum, als unser Schiff, der Jupiter, in die Mündung desTejo hincinranschte. Man merkte augenblicklich, daß das Schiff in die stärkere Strömung gerieth und gegen dieselbe hinan arbeiten mußte. Schon vorher war ein portugiesischer Lootse zu uns am Bord gekommen, ein kleines braungebranntes, dürres Männchen, ganz in einen weiten braunen Mantel von grobem Wollenzeug gehüllt, stach er trübselig gegen die derben, rothwangigen Matrosen unsres Schiffes, lauter echte Söhne Altenglands, ab. Und mit welcher krächzenden Stimme ertheilte er in einem Gemisch von Englisch und Portugiesisch dem Mister Smith, erstem Steuermann unsres Dampfers, seine Befehle, die dieser mit sehr unwilligen! Gesicht darüber, jetzt wenigstens unter dem Befehl eines tief von ihm verachteten Portugiesen stehn zu müssen, an die Leute verdolmetschte. Es ist ein schöner mächtiger Srrvm dieser Tejo, hier wo er seine Fluthen dem Ocean zuwälzt, und man könnte ihn seiner Breite und Tiefe wegen eher für eine weit einschneidende Meeresbucht, als für ein Binnenwasser halten, trägt er doch die mächtigste Kriegsflotte bis dicht vor die Mauern Lissabons. Die Ufer desselben sind fruchtbar, voll südlicher Vegetation; reich bedeckt mit Dörfern, die sich aus der Ferne besser als in der Nähe präsentiren, geschmückt mit Landhäusern, Kirchen und den Trümmern alter Schlösser. Eine fortlaufende Reihe lieblicher Bilder erfreut das Ange, großartige Eindrücke, die für das Leben bleiben, habe Grenzboten. I. -IW. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/89>, abgerufen am 26.12.2024.