Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zufriedene vorhanden waren, die, ganz abgesehen davon, ob sie die Märzereignisse
in ihren Einzelnheiten billigten oder nicht, doch ihre Frucht, den Wechsel der
Zustände, oder die Hoffnung darauf, freudig acceptirten. Er hat aus dieser
richtigen Wahrnehmung die praktische Lehre gezogen, daß es nicht rathsam sei,
durch fortwährende Beschränkung der dem Volke gewährten Rechte die Zahl der
Unzufriedenen wieder ins Unendliche zu vermehren, und ans solche Weise an
und für sich unbedeutende Eventualitäten zu verhängnißvollen zu machen. So
motivirte er unter dem Beifall der Linken und dem Zischen der Rechten seine
Abstimmung gegen die Regierungsvorlage. Ihm folgten von Mitgliedern der
Rechten der Graf v. Ziethen, der schon mehrmals seine Neigung, eine unab¬
hängige Stellung einzunehmen, an den Tag gelegt hat, ferner v. Arnim-Krvchclu-
dors, v. Bärensprnng n. A. Diesem Umstände ist es zu zuschreiben, daß sich
gegen die Regierungsvorlage eine Majorität von L2 Stimmen vereinigte, --
ein Beweis, daß die Anwesenheit der constitutionellen Partei in den Kammern,
wenn auch meistentheils, so doch uicht immer fruchtlos ist.


Pariser Briefe. S.

-- Es ist mir lieb, daß ich meinen Wochenbericht,
chronologisch mit dem Seuatsball beginnen kann, denn ich müßte jeden Humor
dazu verlieren, nachdem ich einmal von dem gesprochen, was gegenwärtig alle
Welt beschäftigt und mit Angst und Entrüstung erfüllt. Da alles öffentliche Leben
jetzt im Hofe aufgeht und ein Ball zu einem wichtigen Ereigniß geworden ist,
so können Sie sich denken, wie viel das luxuriöse Fest, welches der Senat dem
kaiserlichen Ehepaar gab, den Parisern schon im Voraus zu sprechen machte. Die
Senatscommissiou, welcher die Vorbereitungen des Balles oblagen, wurde mit
Gesuchen und Einladungskarten für Fremde und Einheimische bestürmt; die Mo¬
distinnen und Putzmacherinnen, ans welche das bonapartistische Regime seine reich¬
sten Segnungen niederströmen läßt, hatten alle Hände voll mit Besorgung der
Dameutoiletten zu thun, und jene Unglücklichen, welche ohne Berechtigung zu einer
Uniform sind, marterten, da das schwarze Kleid aus der Gegenwart Sr. kaiser¬
lichen Majestät ein für allemal verbannt ist, ihre eigene Erfindungskraft und die
ihrer Schneider mit der Anfertigung von Phautasiecostümen. Endlich erschien der
große Tag, und unabsehbare Wageuzüge bedeckten Abends die Straßen, welche zum
Palais Luxembourg fuhren, dessen innere Räume in feenhaftem Glänze strahlten.
Mancher einzelne Ballgast, der in einem bescheidenen Fiaker in der unendlichen
Kette der Wagen Schritt für Schritt einherfuhr und die Geduld verlor, verließ
sein Fuhrwerk, um sich vermittelst seiner weiß oder rosa bestrumpfteu Füße auf den
Trottoirs schneller zu seinem Ziele durchzuschlagen und verfiel dem unbarmherzigen
Spott unserer Gamins, die sehr wenig Ehrerbietung sür die durch allerhöchstes
Beispiel eingeführte Mode der kurzen Hosen und Strümpfe zeigten. Auf den Treppen
und Couloirs des Luxembourg war das Gedränge ungeheuer; eine Postenkette


zufriedene vorhanden waren, die, ganz abgesehen davon, ob sie die Märzereignisse
in ihren Einzelnheiten billigten oder nicht, doch ihre Frucht, den Wechsel der
Zustände, oder die Hoffnung darauf, freudig acceptirten. Er hat aus dieser
richtigen Wahrnehmung die praktische Lehre gezogen, daß es nicht rathsam sei,
durch fortwährende Beschränkung der dem Volke gewährten Rechte die Zahl der
Unzufriedenen wieder ins Unendliche zu vermehren, und ans solche Weise an
und für sich unbedeutende Eventualitäten zu verhängnißvollen zu machen. So
motivirte er unter dem Beifall der Linken und dem Zischen der Rechten seine
Abstimmung gegen die Regierungsvorlage. Ihm folgten von Mitgliedern der
Rechten der Graf v. Ziethen, der schon mehrmals seine Neigung, eine unab¬
hängige Stellung einzunehmen, an den Tag gelegt hat, ferner v. Arnim-Krvchclu-
dors, v. Bärensprnng n. A. Diesem Umstände ist es zu zuschreiben, daß sich
gegen die Regierungsvorlage eine Majorität von L2 Stimmen vereinigte, —
ein Beweis, daß die Anwesenheit der constitutionellen Partei in den Kammern,
wenn auch meistentheils, so doch uicht immer fruchtlos ist.


Pariser Briefe. S.

— Es ist mir lieb, daß ich meinen Wochenbericht,
chronologisch mit dem Seuatsball beginnen kann, denn ich müßte jeden Humor
dazu verlieren, nachdem ich einmal von dem gesprochen, was gegenwärtig alle
Welt beschäftigt und mit Angst und Entrüstung erfüllt. Da alles öffentliche Leben
jetzt im Hofe aufgeht und ein Ball zu einem wichtigen Ereigniß geworden ist,
so können Sie sich denken, wie viel das luxuriöse Fest, welches der Senat dem
kaiserlichen Ehepaar gab, den Parisern schon im Voraus zu sprechen machte. Die
Senatscommissiou, welcher die Vorbereitungen des Balles oblagen, wurde mit
Gesuchen und Einladungskarten für Fremde und Einheimische bestürmt; die Mo¬
distinnen und Putzmacherinnen, ans welche das bonapartistische Regime seine reich¬
sten Segnungen niederströmen läßt, hatten alle Hände voll mit Besorgung der
Dameutoiletten zu thun, und jene Unglücklichen, welche ohne Berechtigung zu einer
Uniform sind, marterten, da das schwarze Kleid aus der Gegenwart Sr. kaiser¬
lichen Majestät ein für allemal verbannt ist, ihre eigene Erfindungskraft und die
ihrer Schneider mit der Anfertigung von Phautasiecostümen. Endlich erschien der
große Tag, und unabsehbare Wageuzüge bedeckten Abends die Straßen, welche zum
Palais Luxembourg fuhren, dessen innere Räume in feenhaftem Glänze strahlten.
Mancher einzelne Ballgast, der in einem bescheidenen Fiaker in der unendlichen
Kette der Wagen Schritt für Schritt einherfuhr und die Geduld verlor, verließ
sein Fuhrwerk, um sich vermittelst seiner weiß oder rosa bestrumpfteu Füße auf den
Trottoirs schneller zu seinem Ziele durchzuschlagen und verfiel dem unbarmherzigen
Spott unserer Gamins, die sehr wenig Ehrerbietung sür die durch allerhöchstes
Beispiel eingeführte Mode der kurzen Hosen und Strümpfe zeigten. Auf den Treppen
und Couloirs des Luxembourg war das Gedränge ungeheuer; eine Postenkette


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186230"/>
            <p xml:id="ID_1090" prev="#ID_1089"> zufriedene vorhanden waren, die, ganz abgesehen davon, ob sie die Märzereignisse<lb/>
in ihren Einzelnheiten billigten oder nicht, doch ihre Frucht, den Wechsel der<lb/>
Zustände, oder die Hoffnung darauf, freudig acceptirten. Er hat aus dieser<lb/>
richtigen Wahrnehmung die praktische Lehre gezogen, daß es nicht rathsam sei,<lb/>
durch fortwährende Beschränkung der dem Volke gewährten Rechte die Zahl der<lb/>
Unzufriedenen wieder ins Unendliche zu vermehren, und ans solche Weise an<lb/>
und für sich unbedeutende Eventualitäten zu verhängnißvollen zu machen. So<lb/>
motivirte er unter dem Beifall der Linken und dem Zischen der Rechten seine<lb/>
Abstimmung gegen die Regierungsvorlage. Ihm folgten von Mitgliedern der<lb/>
Rechten der Graf v. Ziethen, der schon mehrmals seine Neigung, eine unab¬<lb/>
hängige Stellung einzunehmen, an den Tag gelegt hat, ferner v. Arnim-Krvchclu-<lb/>
dors, v. Bärensprnng n. A. Diesem Umstände ist es zu zuschreiben, daß sich<lb/>
gegen die Regierungsvorlage eine Majorität von L2 Stimmen vereinigte, &#x2014;<lb/>
ein Beweis, daß die Anwesenheit der constitutionellen Partei in den Kammern,<lb/>
wenn auch meistentheils, so doch uicht immer fruchtlos ist.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Pariser Briefe. S.</head>
            <p xml:id="ID_1091" next="#ID_1092"> &#x2014; Es ist mir lieb, daß ich meinen Wochenbericht,<lb/>
chronologisch mit dem Seuatsball beginnen kann, denn ich müßte jeden Humor<lb/>
dazu verlieren, nachdem ich einmal von dem gesprochen, was gegenwärtig alle<lb/>
Welt beschäftigt und mit Angst und Entrüstung erfüllt. Da alles öffentliche Leben<lb/>
jetzt im Hofe aufgeht und ein Ball zu einem wichtigen Ereigniß geworden ist,<lb/>
so können Sie sich denken, wie viel das luxuriöse Fest, welches der Senat dem<lb/>
kaiserlichen Ehepaar gab, den Parisern schon im Voraus zu sprechen machte. Die<lb/>
Senatscommissiou, welcher die Vorbereitungen des Balles oblagen, wurde mit<lb/>
Gesuchen und Einladungskarten für Fremde und Einheimische bestürmt; die Mo¬<lb/>
distinnen und Putzmacherinnen, ans welche das bonapartistische Regime seine reich¬<lb/>
sten Segnungen niederströmen läßt, hatten alle Hände voll mit Besorgung der<lb/>
Dameutoiletten zu thun, und jene Unglücklichen, welche ohne Berechtigung zu einer<lb/>
Uniform sind, marterten, da das schwarze Kleid aus der Gegenwart Sr. kaiser¬<lb/>
lichen Majestät ein für allemal verbannt ist, ihre eigene Erfindungskraft und die<lb/>
ihrer Schneider mit der Anfertigung von Phautasiecostümen. Endlich erschien der<lb/>
große Tag, und unabsehbare Wageuzüge bedeckten Abends die Straßen, welche zum<lb/>
Palais Luxembourg fuhren, dessen innere Räume in feenhaftem Glänze strahlten.<lb/>
Mancher einzelne Ballgast, der in einem bescheidenen Fiaker in der unendlichen<lb/>
Kette der Wagen Schritt für Schritt einherfuhr und die Geduld verlor, verließ<lb/>
sein Fuhrwerk, um sich vermittelst seiner weiß oder rosa bestrumpfteu Füße auf den<lb/>
Trottoirs schneller zu seinem Ziele durchzuschlagen und verfiel dem unbarmherzigen<lb/>
Spott unserer Gamins, die sehr wenig Ehrerbietung sür die durch allerhöchstes<lb/>
Beispiel eingeführte Mode der kurzen Hosen und Strümpfe zeigten. Auf den Treppen<lb/>
und Couloirs des Luxembourg war das Gedränge ungeheuer; eine Postenkette</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] zufriedene vorhanden waren, die, ganz abgesehen davon, ob sie die Märzereignisse in ihren Einzelnheiten billigten oder nicht, doch ihre Frucht, den Wechsel der Zustände, oder die Hoffnung darauf, freudig acceptirten. Er hat aus dieser richtigen Wahrnehmung die praktische Lehre gezogen, daß es nicht rathsam sei, durch fortwährende Beschränkung der dem Volke gewährten Rechte die Zahl der Unzufriedenen wieder ins Unendliche zu vermehren, und ans solche Weise an und für sich unbedeutende Eventualitäten zu verhängnißvollen zu machen. So motivirte er unter dem Beifall der Linken und dem Zischen der Rechten seine Abstimmung gegen die Regierungsvorlage. Ihm folgten von Mitgliedern der Rechten der Graf v. Ziethen, der schon mehrmals seine Neigung, eine unab¬ hängige Stellung einzunehmen, an den Tag gelegt hat, ferner v. Arnim-Krvchclu- dors, v. Bärensprnng n. A. Diesem Umstände ist es zu zuschreiben, daß sich gegen die Regierungsvorlage eine Majorität von L2 Stimmen vereinigte, — ein Beweis, daß die Anwesenheit der constitutionellen Partei in den Kammern, wenn auch meistentheils, so doch uicht immer fruchtlos ist. Pariser Briefe. S. — Es ist mir lieb, daß ich meinen Wochenbericht, chronologisch mit dem Seuatsball beginnen kann, denn ich müßte jeden Humor dazu verlieren, nachdem ich einmal von dem gesprochen, was gegenwärtig alle Welt beschäftigt und mit Angst und Entrüstung erfüllt. Da alles öffentliche Leben jetzt im Hofe aufgeht und ein Ball zu einem wichtigen Ereigniß geworden ist, so können Sie sich denken, wie viel das luxuriöse Fest, welches der Senat dem kaiserlichen Ehepaar gab, den Parisern schon im Voraus zu sprechen machte. Die Senatscommissiou, welcher die Vorbereitungen des Balles oblagen, wurde mit Gesuchen und Einladungskarten für Fremde und Einheimische bestürmt; die Mo¬ distinnen und Putzmacherinnen, ans welche das bonapartistische Regime seine reich¬ sten Segnungen niederströmen läßt, hatten alle Hände voll mit Besorgung der Dameutoiletten zu thun, und jene Unglücklichen, welche ohne Berechtigung zu einer Uniform sind, marterten, da das schwarze Kleid aus der Gegenwart Sr. kaiser¬ lichen Majestät ein für allemal verbannt ist, ihre eigene Erfindungskraft und die ihrer Schneider mit der Anfertigung von Phautasiecostümen. Endlich erschien der große Tag, und unabsehbare Wageuzüge bedeckten Abends die Straßen, welche zum Palais Luxembourg fuhren, dessen innere Räume in feenhaftem Glänze strahlten. Mancher einzelne Ballgast, der in einem bescheidenen Fiaker in der unendlichen Kette der Wagen Schritt für Schritt einherfuhr und die Geduld verlor, verließ sein Fuhrwerk, um sich vermittelst seiner weiß oder rosa bestrumpfteu Füße auf den Trottoirs schneller zu seinem Ziele durchzuschlagen und verfiel dem unbarmherzigen Spott unserer Gamins, die sehr wenig Ehrerbietung sür die durch allerhöchstes Beispiel eingeführte Mode der kurzen Hosen und Strümpfe zeigten. Auf den Treppen und Couloirs des Luxembourg war das Gedränge ungeheuer; eine Postenkette

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/354>, abgerufen am 26.12.2024.