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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Blick auf Spaniens letzte Vergangenheit und seine
gegenwärtige Lage.
t.

Bald nach Vertagung der Cortes, welche Mitte des Juli erfolgte, schied
Mon aus Gründen, welche nicht hinlänglich aufgeklärt sind, aus dem Ministerium.
Von Einigen ward die Zollreform, von Anderen seine Unzufriedenheit mit der
Amnestie als der Anlaß dazu bezeichnet. Mag besonders Letzteres ihn mit dazu
bestimmt haben, so scheint es doch, daß vor Allem die Unverträglichkeit seiner
schroffen und ehrgeizigen Natur mit dem gebieterischen Wesen des Ministerpräsi¬
denten seineu Rücktritt verursachte. Derselbe war in doppelter Hinsicht ein Verlust
für das Cabinet, sowol was dessen parlamentarische Stellung, als was die Ver¬
waltung der Finanzen betraf, in der Mon ungleich größere Fähigkeit während
seiner drei letzten Amtsführungen gezeigt hatte, als irgend einer der anderen spa-
nischen Finanzminister. Nachdem man vergebens dem Herzog von Sotomayor
das erledigte Portefeuille angeboten hatte, wurde es Bravo Murillo übergeben,
an dessen Stelle Seijas Lozano, ehemaliger Puritano und Mitglied jenes Eabinets,
das vor dem Einflüsse Serrano's zurücktrat, zum Minister des Handels und Unter¬
richts ernannt wurde. (Anfang September.)

Diese Krisis, deren Folgen sich erst später offenbaren sollten, ward somit
leicht durch die Ergänzung des Ministeriums beigelegt. Bald jedoch zeigte es
sich, daß dessen Bestand vou anderer Seite her ernstlich bedroht war. Zur Be¬
urtheilung des seltsamen Ereignisses, vor dem wir jetzt stehen, ist es nothwendig,
auf die Zustände des Hofes einzugehen. Narvaez hatte bekanntlich'durch seine
Gelangung zur Gewalt die Herrschaft des Güustlings gestürzt, und nach Serrano's
Entfernung die Wiedervereinigung der Königin mit ihrem Gemahl bewirkt. Trotz
dieser, äußerlichen Versöhnung schien das Verhältniß der beiden königlichen Ehe¬
gatten kein besonders inniges zu sein. Jsabella huldigte nach wie vor, in hohem
Grade der Leidenschaft für Musik, Tanz, Theater, Vergnügungen, denen der
wenig lebhafte Francisco de Assis nicht geneigt war. Die cdrolnyuö soimä-i-
1en8d des Hofes tischte außerdem vou Zeit zu Zeit Anekdoten auf, die nicht ge¬
rade dafür sprachen, daß eheliches Glück im Palast zu Madrid seinen Wohnsitz
aufgeschlagen habe. Schon- im Herbst des Jahres -1847 wurde ein italienischer
Tenorist, Mirall, dessen Gesangsunterricht und Vorträge ausnehmenden Beifall
bei Ihrer Majestät fanden, auf Narvaez Befehl brüsquer Weise aus der Haupt¬
stadt und dem Lande entfernt. Fast ein Jahr später erregte die Gunst, in
welcher der junge Marquis v. Bedmar bei der Königin stand, die Besorgniß des
Ministers in noch höherem Grade. Er wies ihn gleichfalls aus Madrid fort;


Blick auf Spaniens letzte Vergangenheit und seine
gegenwärtige Lage.
t.

Bald nach Vertagung der Cortes, welche Mitte des Juli erfolgte, schied
Mon aus Gründen, welche nicht hinlänglich aufgeklärt sind, aus dem Ministerium.
Von Einigen ward die Zollreform, von Anderen seine Unzufriedenheit mit der
Amnestie als der Anlaß dazu bezeichnet. Mag besonders Letzteres ihn mit dazu
bestimmt haben, so scheint es doch, daß vor Allem die Unverträglichkeit seiner
schroffen und ehrgeizigen Natur mit dem gebieterischen Wesen des Ministerpräsi¬
denten seineu Rücktritt verursachte. Derselbe war in doppelter Hinsicht ein Verlust
für das Cabinet, sowol was dessen parlamentarische Stellung, als was die Ver¬
waltung der Finanzen betraf, in der Mon ungleich größere Fähigkeit während
seiner drei letzten Amtsführungen gezeigt hatte, als irgend einer der anderen spa-
nischen Finanzminister. Nachdem man vergebens dem Herzog von Sotomayor
das erledigte Portefeuille angeboten hatte, wurde es Bravo Murillo übergeben,
an dessen Stelle Seijas Lozano, ehemaliger Puritano und Mitglied jenes Eabinets,
das vor dem Einflüsse Serrano's zurücktrat, zum Minister des Handels und Unter¬
richts ernannt wurde. (Anfang September.)

Diese Krisis, deren Folgen sich erst später offenbaren sollten, ward somit
leicht durch die Ergänzung des Ministeriums beigelegt. Bald jedoch zeigte es
sich, daß dessen Bestand vou anderer Seite her ernstlich bedroht war. Zur Be¬
urtheilung des seltsamen Ereignisses, vor dem wir jetzt stehen, ist es nothwendig,
auf die Zustände des Hofes einzugehen. Narvaez hatte bekanntlich'durch seine
Gelangung zur Gewalt die Herrschaft des Güustlings gestürzt, und nach Serrano's
Entfernung die Wiedervereinigung der Königin mit ihrem Gemahl bewirkt. Trotz
dieser, äußerlichen Versöhnung schien das Verhältniß der beiden königlichen Ehe¬
gatten kein besonders inniges zu sein. Jsabella huldigte nach wie vor, in hohem
Grade der Leidenschaft für Musik, Tanz, Theater, Vergnügungen, denen der
wenig lebhafte Francisco de Assis nicht geneigt war. Die cdrolnyuö soimä-i-
1en8d des Hofes tischte außerdem vou Zeit zu Zeit Anekdoten auf, die nicht ge¬
rade dafür sprachen, daß eheliches Glück im Palast zu Madrid seinen Wohnsitz
aufgeschlagen habe. Schon- im Herbst des Jahres -1847 wurde ein italienischer
Tenorist, Mirall, dessen Gesangsunterricht und Vorträge ausnehmenden Beifall
bei Ihrer Majestät fanden, auf Narvaez Befehl brüsquer Weise aus der Haupt¬
stadt und dem Lande entfernt. Fast ein Jahr später erregte die Gunst, in
welcher der junge Marquis v. Bedmar bei der Königin stand, die Besorgniß des
Ministers in noch höherem Grade. Er wies ihn gleichfalls aus Madrid fort;


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[0347] Blick auf Spaniens letzte Vergangenheit und seine gegenwärtige Lage. t. Bald nach Vertagung der Cortes, welche Mitte des Juli erfolgte, schied Mon aus Gründen, welche nicht hinlänglich aufgeklärt sind, aus dem Ministerium. Von Einigen ward die Zollreform, von Anderen seine Unzufriedenheit mit der Amnestie als der Anlaß dazu bezeichnet. Mag besonders Letzteres ihn mit dazu bestimmt haben, so scheint es doch, daß vor Allem die Unverträglichkeit seiner schroffen und ehrgeizigen Natur mit dem gebieterischen Wesen des Ministerpräsi¬ denten seineu Rücktritt verursachte. Derselbe war in doppelter Hinsicht ein Verlust für das Cabinet, sowol was dessen parlamentarische Stellung, als was die Ver¬ waltung der Finanzen betraf, in der Mon ungleich größere Fähigkeit während seiner drei letzten Amtsführungen gezeigt hatte, als irgend einer der anderen spa- nischen Finanzminister. Nachdem man vergebens dem Herzog von Sotomayor das erledigte Portefeuille angeboten hatte, wurde es Bravo Murillo übergeben, an dessen Stelle Seijas Lozano, ehemaliger Puritano und Mitglied jenes Eabinets, das vor dem Einflüsse Serrano's zurücktrat, zum Minister des Handels und Unter¬ richts ernannt wurde. (Anfang September.) Diese Krisis, deren Folgen sich erst später offenbaren sollten, ward somit leicht durch die Ergänzung des Ministeriums beigelegt. Bald jedoch zeigte es sich, daß dessen Bestand vou anderer Seite her ernstlich bedroht war. Zur Be¬ urtheilung des seltsamen Ereignisses, vor dem wir jetzt stehen, ist es nothwendig, auf die Zustände des Hofes einzugehen. Narvaez hatte bekanntlich'durch seine Gelangung zur Gewalt die Herrschaft des Güustlings gestürzt, und nach Serrano's Entfernung die Wiedervereinigung der Königin mit ihrem Gemahl bewirkt. Trotz dieser, äußerlichen Versöhnung schien das Verhältniß der beiden königlichen Ehe¬ gatten kein besonders inniges zu sein. Jsabella huldigte nach wie vor, in hohem Grade der Leidenschaft für Musik, Tanz, Theater, Vergnügungen, denen der wenig lebhafte Francisco de Assis nicht geneigt war. Die cdrolnyuö soimä-i- 1en8d des Hofes tischte außerdem vou Zeit zu Zeit Anekdoten auf, die nicht ge¬ rade dafür sprachen, daß eheliches Glück im Palast zu Madrid seinen Wohnsitz aufgeschlagen habe. Schon- im Herbst des Jahres -1847 wurde ein italienischer Tenorist, Mirall, dessen Gesangsunterricht und Vorträge ausnehmenden Beifall bei Ihrer Majestät fanden, auf Narvaez Befehl brüsquer Weise aus der Haupt¬ stadt und dem Lande entfernt. Fast ein Jahr später erregte die Gunst, in welcher der junge Marquis v. Bedmar bei der Königin stand, die Besorgniß des Ministers in noch höherem Grade. Er wies ihn gleichfalls aus Madrid fort;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/347>, abgerufen am 21.12.2024.