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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Grote's 'Geschichte von Griechenland.

Von K. Lehrs.

Als Herr Georg Primrose, der Sohn eines ""sterblichen Mannes, des sei¬
ner Zeit Vicarius zu Wakefield, ans die Universität Löwen kam "ut sei"e Dienste,
dort für das Griechische z" wirke", angelegentlichst einer Notabilität unter den
dortige" Professoren anbot, erhielt er folgende Antwort: Sehen Sie mich, junger
Mann. Ich lernte niemals Griechisch und finde "icht, das; eS mir jemals gefehlt.
Ich habe Doctorhnt und Talar ohne Griechisch; ich habe zehntausend FlorinS das
Jahr ob"e Griechisch; ich habe herzliche" Appetit ohne Griechisch; und kurz, da ich
kein Griechisch verstehe, so glaube ich nicht, das; es zu etwas taugt. -- Ist es
Zufall, das; in dem populairsteu aller englische" Romane sich diese Stelle findet
von der Achtung eines Engländers für das Griechische einem Fremden gegenüber?
Vielleicht weniger, als daß derselbe Verfasser, der den Engländer" jenen-ganz
ans dem heiniischen und modernen Leben geschöpften Ronia" gegeben, anch eine
Geschichte der Griechen geschrieben hat. Den" Goldsmith, der schlechte Wirth,
wurde bekanntlich ans Mangel zu sehr verschiedenartigen schriftstellerischen Unter¬
nehmungen veranlaßt; und an seiner Geschichte der Griechen soll er mit wenig
Lust und mit geringer Kenntniß gearbeitet habe", so daß eine Anekdote darüber
gangbar gebliebe". Er hatte für eine griechische Geschichte in zwei' Bänden
Voranözahlnng erhalten, nachdem der erste vollendet war. ttnlnstig arbeitete er
am zweiten, als einst Gibbon z" ihm eintrat. "Sie sind es, rief ihm Goldsmith
entgegen, den ich mir von allen Menschen eben am meisten gewünscht. Wie hieß
doch der indische König, der Alexander dem Großen so viel z" schaffen machte?"
Montezuma, sagte Gibbon spaßend. Und Goldsmith soll schon dabei gewesen sein,
diesen Namen an seine Stelle einzutragen. Indessen je weniger Goldsmith zu
dieser Arbeit ausgerüstet war, desto mehr werden wir doch darauf hingewiesen,
daß eine griechische Geschichte auch damals ein Gegenstand der Spekulation sei"
konnte. Gewiß ist eS, daß die Engländer in neuerer Zeit drei mehrbändige


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Grote's 'Geschichte von Griechenland.

Von K. Lehrs.

Als Herr Georg Primrose, der Sohn eines »»sterblichen Mannes, des sei¬
ner Zeit Vicarius zu Wakefield, ans die Universität Löwen kam »ut sei»e Dienste,
dort für das Griechische z» wirke», angelegentlichst einer Notabilität unter den
dortige» Professoren anbot, erhielt er folgende Antwort: Sehen Sie mich, junger
Mann. Ich lernte niemals Griechisch und finde »icht, das; eS mir jemals gefehlt.
Ich habe Doctorhnt und Talar ohne Griechisch; ich habe zehntausend FlorinS das
Jahr ob»e Griechisch; ich habe herzliche» Appetit ohne Griechisch; und kurz, da ich
kein Griechisch verstehe, so glaube ich nicht, das; es zu etwas taugt. — Ist es
Zufall, das; in dem populairsteu aller englische» Romane sich diese Stelle findet
von der Achtung eines Engländers für das Griechische einem Fremden gegenüber?
Vielleicht weniger, als daß derselbe Verfasser, der den Engländer» jenen-ganz
ans dem heiniischen und modernen Leben geschöpften Ronia» gegeben, anch eine
Geschichte der Griechen geschrieben hat. Den» Goldsmith, der schlechte Wirth,
wurde bekanntlich ans Mangel zu sehr verschiedenartigen schriftstellerischen Unter¬
nehmungen veranlaßt; und an seiner Geschichte der Griechen soll er mit wenig
Lust und mit geringer Kenntniß gearbeitet habe», so daß eine Anekdote darüber
gangbar gebliebe». Er hatte für eine griechische Geschichte in zwei' Bänden
Voranözahlnng erhalten, nachdem der erste vollendet war. ttnlnstig arbeitete er
am zweiten, als einst Gibbon z» ihm eintrat. „Sie sind es, rief ihm Goldsmith
entgegen, den ich mir von allen Menschen eben am meisten gewünscht. Wie hieß
doch der indische König, der Alexander dem Großen so viel z» schaffen machte?"
Montezuma, sagte Gibbon spaßend. Und Goldsmith soll schon dabei gewesen sein,
diesen Namen an seine Stelle einzutragen. Indessen je weniger Goldsmith zu
dieser Arbeit ausgerüstet war, desto mehr werden wir doch darauf hingewiesen,
daß eine griechische Geschichte auch damals ein Gegenstand der Spekulation sei»
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[0133] Grote's 'Geschichte von Griechenland. Von K. Lehrs. Als Herr Georg Primrose, der Sohn eines »»sterblichen Mannes, des sei¬ ner Zeit Vicarius zu Wakefield, ans die Universität Löwen kam »ut sei»e Dienste, dort für das Griechische z» wirke», angelegentlichst einer Notabilität unter den dortige» Professoren anbot, erhielt er folgende Antwort: Sehen Sie mich, junger Mann. Ich lernte niemals Griechisch und finde »icht, das; eS mir jemals gefehlt. Ich habe Doctorhnt und Talar ohne Griechisch; ich habe zehntausend FlorinS das Jahr ob»e Griechisch; ich habe herzliche» Appetit ohne Griechisch; und kurz, da ich kein Griechisch verstehe, so glaube ich nicht, das; es zu etwas taugt. — Ist es Zufall, das; in dem populairsteu aller englische» Romane sich diese Stelle findet von der Achtung eines Engländers für das Griechische einem Fremden gegenüber? Vielleicht weniger, als daß derselbe Verfasser, der den Engländer» jenen-ganz ans dem heiniischen und modernen Leben geschöpften Ronia» gegeben, anch eine Geschichte der Griechen geschrieben hat. Den» Goldsmith, der schlechte Wirth, wurde bekanntlich ans Mangel zu sehr verschiedenartigen schriftstellerischen Unter¬ nehmungen veranlaßt; und an seiner Geschichte der Griechen soll er mit wenig Lust und mit geringer Kenntniß gearbeitet habe», so daß eine Anekdote darüber gangbar gebliebe». Er hatte für eine griechische Geschichte in zwei' Bänden Voranözahlnng erhalten, nachdem der erste vollendet war. ttnlnstig arbeitete er am zweiten, als einst Gibbon z» ihm eintrat. „Sie sind es, rief ihm Goldsmith entgegen, den ich mir von allen Menschen eben am meisten gewünscht. Wie hieß doch der indische König, der Alexander dem Großen so viel z» schaffen machte?" Montezuma, sagte Gibbon spaßend. Und Goldsmith soll schon dabei gewesen sein, diesen Namen an seine Stelle einzutragen. Indessen je weniger Goldsmith zu dieser Arbeit ausgerüstet war, desto mehr werden wir doch darauf hingewiesen, daß eine griechische Geschichte auch damals ein Gegenstand der Spekulation sei» konnte. Gewiß ist eS, daß die Engländer in neuerer Zeit drei mehrbändige lÄrcnzt'oder, M, >UW, 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/133>, abgerufen am 21.12.2024.