Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Geschrei die Lust erfüllte, und erst stürmisches Drängen, dann verzweifeltes Nennen und Erst nach drei langen und bangen Stunden war die Gefahr der großen Pulver- Bildende Kunst. In Amsterdam hat man Rembrandt van Ryn ein Stand¬ Unter vielen erdichteten Geschichten erzählte man besonders die daß N, um durch Der Bildhauer Will). Wolff, der sich mit Vorliebe auf Darstellungen ausder Geschrei die Lust erfüllte, und erst stürmisches Drängen, dann verzweifeltes Nennen und Erst nach drei langen und bangen Stunden war die Gefahr der großen Pulver- Bildende Kunst. In Amsterdam hat man Rembrandt van Ryn ein Stand¬ Unter vielen erdichteten Geschichten erzählte man besonders die daß N, um durch Der Bildhauer Will). Wolff, der sich mit Vorliebe auf Darstellungen ausder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0449" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94350"/> <p xml:id="ID_1305" prev="#ID_1304"> Geschrei die Lust erfüllte, und erst stürmisches Drängen, dann verzweifeltes Nennen und<lb/> Flüchten nach der ?ort» ?gIiWg entstand; — Flüchtende von der Brandstätte hatten<lb/> durch den Ruf: it Krim äöposito sooppis! (das große Magazin springt!) das Signal<lb/> zum ssuve ami xeul, gegeben.Es war als ob das Volk bereits die Explosion ver¬<lb/> nähme; die einzelnen Wcheschreie verschmolzen sich zu einem wilden Geheul... Die Ver¬<lb/> zweiflung der Selbsterhaltung trat in ihrer scheußlichsten Nacktheit hervor;... raschere<lb/> Läufer stießen erbarmungslos ihre langsameren Vordermänner nieder; Niemand reichte<lb/> den Gefallenen die rettende Hand; die Masse hatte in diesem furchtbaren Augenblicke, der<lb/> mir unvergleichlich schreckcnvollcr erschien, als die beiden Pulver-Explosionen, Sinne<lb/> und Gefühl verloren; . . . mir fiel in diesem Momente der Uebergang über die<lb/> Beresina ein; — noch heute, drei Tage später, denke ich, daß dieser unmöglich von<lb/> solchem Angststurm, von solcher Todesverzwciflnng begleitet gewesen . .'.</p><lb/> <p xml:id="ID_1306"> Erst nach drei langen und bangen Stunden war die Gefahr der großen Pulver-<lb/> Explosion als beschworen zu betrachten.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bildende Kunst.</head> <p xml:id="ID_1307"> In Amsterdam hat man Rembrandt van Ryn ein Stand¬<lb/> bild gesetzt und am 27. Mai enthüllt; zu gleicher Zeit ist es aber auch gelungen, das<lb/> Bild seines Charakters von dem Schatten eines schmuzigen Geizes und einer gemeinen<lb/> Gesinnung, der bisher auf ihm ruhte, zu enthüllen.'</p><lb/> <p xml:id="ID_1308"> Unter vielen erdichteten Geschichten erzählte man besonders die daß N, um durch<lb/> den Verkauf seiner Arbeiten eine größere Summe Geldes zu erhalten, auf Unrathe»<lb/> seiner Frau sich todt habe melden, und seinen Nachlaß öffentlich habe versteigern lassen.<lb/> Diese entehrende Anekdote löst sich, durch schon 184-1 aufgefundene authentische Do¬<lb/> kumente, in das historische Factum aus, daß R.'S Gyter -1W6 dem Concursgeriehte<lb/> verfielen und wirklich, zur Befriedigung feines Gläubigers: Cornelis Witzen, von dem<lb/> er /i-180 Fi. als Darlehn entnommen hatte, zu Spottpreisen versteigert worden sind. Daß<lb/> nach Befriedigung des Witzen etwas später anch sein Haus dem Concursgerichte ver¬<lb/> fiel, beweist, daß er abermals in Schulden gerieth. — Wie man aus den unlängst in der<lb/> Sammlung Six zu Amsterdam versteigerten Autographen R.'<S ersieht, war die Ein><lb/> nähme sür seine Gemälde eben nicht glänzend; dabei hatte er aber eine große Leiden¬<lb/> schaft für Kunstschätze aller Art: Gemälde, Handzeichnungen, Radirungen und Kupfer¬<lb/> stiche, von denen er eine glänzende Sammlung zusammenbrachte, und so kam es, daß er<lb/> keineswegs Geldsummen anhäufte, sondern im Gegentheil in Geldverlegenheit und<lb/> Schulden gerieth, die endlich den Concurs herbeiführten. Da die Familie Witzen aber,<lb/> von der er Geldvvrschnssc entnahm, als angesehen und reich und zugleich kunstliebend<lb/> bekannt ist, so drängt sich der Verdacht auf, daß die Begierde nach R.'s Kunstschätze»<lb/> eine legitime Plünderung, wie die gerichtliche Versteigerung seiner Sammlungen, ver¬<lb/> anlaßt habe. ' ,'</p><lb/> <p xml:id="ID_1309" next="#ID_1310"> Der Bildhauer Will). Wolff, der sich mit Vorliebe auf Darstellungen ausder<lb/> Thierwelt geworfen hat, hat sich in neuester Zeit aus einem Felde dieses Gebietes ver¬<lb/> sucht, das, mit Ausucchme untergeordneter Stcinhcmerarbciten des Mittelalters, noch<lb/> nicht bebaut worden ist, nämlich auf dem der satirischen Thierfabel. Den ersten Ge¬<lb/> danken dazu gab ihm die unglückliche Staar-Operation an einem Bären im zoologischen<lb/> Garten in Berlin, bei der bekanntlich das Chloroform zu beruhigend gewirkt hatte; und<lb/> so entstand eine kleine Gruppe, die durch echten Humor jeden Beschauer fesselt. — Ein<lb/> alter Bär sitzt gesenkten Hauptes in Schlafrock, Pantoffeln und Zipfelmütze auf dem<lb/> Lehnstuhle, vor ihm das weinende Söhnlein, zur Seite ein ärztliches Collegium, beste¬<lb/> hend aus Affe, Eule und Fuchs, von denen der erste die Unfehlbarkeit seines Verfahrens<lb/> nachdrücklichst demonstrirt, der zweite mit ernster Amtsmiene den Herzschlag des Patien¬<lb/> ten behorcht, der dritte sich, in Voraussicht des unglücklichen Resultates, noch zur rechten<lb/> Zeit davon schleicht, endlich zu hinterst mit der Miene vollständigster Gewissensruhe der<lb/> Bock' als Famulus mit der mächtigen Chloroformflasche. Dazu die Inschrift:</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0449]
Geschrei die Lust erfüllte, und erst stürmisches Drängen, dann verzweifeltes Nennen und
Flüchten nach der ?ort» ?gIiWg entstand; — Flüchtende von der Brandstätte hatten
durch den Ruf: it Krim äöposito sooppis! (das große Magazin springt!) das Signal
zum ssuve ami xeul, gegeben.Es war als ob das Volk bereits die Explosion ver¬
nähme; die einzelnen Wcheschreie verschmolzen sich zu einem wilden Geheul... Die Ver¬
zweiflung der Selbsterhaltung trat in ihrer scheußlichsten Nacktheit hervor;... raschere
Läufer stießen erbarmungslos ihre langsameren Vordermänner nieder; Niemand reichte
den Gefallenen die rettende Hand; die Masse hatte in diesem furchtbaren Augenblicke, der
mir unvergleichlich schreckcnvollcr erschien, als die beiden Pulver-Explosionen, Sinne
und Gefühl verloren; . . . mir fiel in diesem Momente der Uebergang über die
Beresina ein; — noch heute, drei Tage später, denke ich, daß dieser unmöglich von
solchem Angststurm, von solcher Todesverzwciflnng begleitet gewesen . .'.
Erst nach drei langen und bangen Stunden war die Gefahr der großen Pulver-
Explosion als beschworen zu betrachten.
Bildende Kunst. In Amsterdam hat man Rembrandt van Ryn ein Stand¬
bild gesetzt und am 27. Mai enthüllt; zu gleicher Zeit ist es aber auch gelungen, das
Bild seines Charakters von dem Schatten eines schmuzigen Geizes und einer gemeinen
Gesinnung, der bisher auf ihm ruhte, zu enthüllen.'
Unter vielen erdichteten Geschichten erzählte man besonders die daß N, um durch
den Verkauf seiner Arbeiten eine größere Summe Geldes zu erhalten, auf Unrathe»
seiner Frau sich todt habe melden, und seinen Nachlaß öffentlich habe versteigern lassen.
Diese entehrende Anekdote löst sich, durch schon 184-1 aufgefundene authentische Do¬
kumente, in das historische Factum aus, daß R.'S Gyter -1W6 dem Concursgeriehte
verfielen und wirklich, zur Befriedigung feines Gläubigers: Cornelis Witzen, von dem
er /i-180 Fi. als Darlehn entnommen hatte, zu Spottpreisen versteigert worden sind. Daß
nach Befriedigung des Witzen etwas später anch sein Haus dem Concursgerichte ver¬
fiel, beweist, daß er abermals in Schulden gerieth. — Wie man aus den unlängst in der
Sammlung Six zu Amsterdam versteigerten Autographen R.'<S ersieht, war die Ein>
nähme sür seine Gemälde eben nicht glänzend; dabei hatte er aber eine große Leiden¬
schaft für Kunstschätze aller Art: Gemälde, Handzeichnungen, Radirungen und Kupfer¬
stiche, von denen er eine glänzende Sammlung zusammenbrachte, und so kam es, daß er
keineswegs Geldsummen anhäufte, sondern im Gegentheil in Geldverlegenheit und
Schulden gerieth, die endlich den Concurs herbeiführten. Da die Familie Witzen aber,
von der er Geldvvrschnssc entnahm, als angesehen und reich und zugleich kunstliebend
bekannt ist, so drängt sich der Verdacht auf, daß die Begierde nach R.'s Kunstschätze»
eine legitime Plünderung, wie die gerichtliche Versteigerung seiner Sammlungen, ver¬
anlaßt habe. ' ,'
Der Bildhauer Will). Wolff, der sich mit Vorliebe auf Darstellungen ausder
Thierwelt geworfen hat, hat sich in neuester Zeit aus einem Felde dieses Gebietes ver¬
sucht, das, mit Ausucchme untergeordneter Stcinhcmerarbciten des Mittelalters, noch
nicht bebaut worden ist, nämlich auf dem der satirischen Thierfabel. Den ersten Ge¬
danken dazu gab ihm die unglückliche Staar-Operation an einem Bären im zoologischen
Garten in Berlin, bei der bekanntlich das Chloroform zu beruhigend gewirkt hatte; und
so entstand eine kleine Gruppe, die durch echten Humor jeden Beschauer fesselt. — Ein
alter Bär sitzt gesenkten Hauptes in Schlafrock, Pantoffeln und Zipfelmütze auf dem
Lehnstuhle, vor ihm das weinende Söhnlein, zur Seite ein ärztliches Collegium, beste¬
hend aus Affe, Eule und Fuchs, von denen der erste die Unfehlbarkeit seines Verfahrens
nachdrücklichst demonstrirt, der zweite mit ernster Amtsmiene den Herzschlag des Patien¬
ten behorcht, der dritte sich, in Voraussicht des unglücklichen Resultates, noch zur rechten
Zeit davon schleicht, endlich zu hinterst mit der Miene vollständigster Gewissensruhe der
Bock' als Famulus mit der mächtigen Chloroformflasche. Dazu die Inschrift:
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