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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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die Zukunft wird größere Vorsicht auf der "Westseite", wie aus der andern Seite der
Bewohner dieses Landes erfordern.

Beurtheilen wir die Petenten nicht zu hart. Wie Wenige giebt es, denen die
Finger nicht prickelten und die Fäuste zuckten, als ihnen der Witz ausging? Auch un¬
sren Frciburgcrn ging es so. Wie Viele gehen umher und sind einer schmerzhaften
Behandlung ihrer Westseite werth? Freiburg kennt Manche solcher Biedermänner.

Wenn nun die höchst ehrenwerthen Petenten in der constitutionellen Form der
Petition den Stock der Regierung in die Hand drücken, so wollen sie damit wahrschein¬
lich nicht um Schläge für sich selbst gebeten haben, sondern es beseelt sie das nicht
constitutionelle Bewußtsein, daß die Regierung mit ihnen zu Einer Partei gehöre. Diese
Leute glauben so gut, nur um Rechte und nicht um Pflichten zu bitten, wie die Bischöfe der
oberrheinischen Kirchenprovinz. -- In der Kammer war das Schicksal der Petitionen na¬
türlich ein entschieden ungünstiges, und das bestehende Verbot der Thierquälerei giebt
Veranlassung, bei der Regierung ein Gleiches zu erwarten. Aber sind nicht auch die Forde¬
rungen der Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz von der Regierung schon zurückge¬
wiesen worden? Rom läßt sich in keine Concordate mit diesen ketzerischen Regierungen ein,
und wir müssen uns daher mit seinen Circumscriptiousbullcn begnügen. Concessionen
können wir daher nicht erst nach Monate langem Notenwechsel machen, und die Bischöfe
sind der besten Hoffnung. Sollte es dahin kommen, sollte Hand in Hand die Auf¬
hebung des landesherrlichen Planet und die Einführung der Prügelstrafe unsrem Land ein
mehr historisches Gepräge geben, dann wird es für die Gesellschaftswissenschaft (denn
nur "gewisse Klassen" sollen geprügelt werden) von Interesse sein, den Stand der "Prü-
gclfähigen" genau zu begrenzen. Eine Circumscriptionsbulle ^.ä clominioi gregis eus-
toäism neuer Art wird unsre Gesetzgebung zieren.




Die Opposition gegen das englische Ministerium.

Die gegenwärtigen politischen Vorgänge in England sind deshalb so interessant,
weil sie zwei wichtige constitutionelle Streitfragen: das Verhältniß eines Minvritätsmi-
nisterinms zu !der Volksvertretung, und die Befugnis? der letzter", die Steuern zu ver¬
weigern, um das Ministerium zum Abtreten zu zwingen, zur parlamentarischen Erörte¬
rung bringen. Die Forderung, daß das Ministerium stets im Einklang mit der,
Majorität der Kammern handeln müsse, und daß diese als letzte Waffe gegen ein hart¬
näckiges Minoritätsministcrium zur Steuerverweigerung greifen dürfe, ist in Deutschland
als unverträglich mit einer starken und geordneten Regierung zurückgewiesen worden. Es
ist daher lehrreich zu sehen, wie man in England mit ihrer Gewährung recht gut auskommt.

Der in der Parteivcrsammluug bei Lord John Russell am 12. beschlossene Ver¬
such, das Ministerium Derby in der Montagssitzung durch eine directe Anfrage zu einer
bestimmten Erklärung über'seine Handelspolitik zu bringen, ist gescheitert. Lord Derby
im Oberhause und Herr d'Jsraeli im Unterhause befolgten die gleiche Taktik, "sie be¬
mühten sich, den Pferdefuß der Protectionspolitik unter dem Mantel amtlicher Schweig¬
samkeit zu verbergen", wie Herr Osborne, das radicale Mitglied sür Middlessex, spottete.
Lord Derby, einst wegen seiner rückhaltsloser Offenheit und seines feurigen Ungestüms
der Prinz Rupert der Debatte genannt, ist zum Fabius Cunctator geworden, und Herr


die Zukunft wird größere Vorsicht auf der „Westseite", wie aus der andern Seite der
Bewohner dieses Landes erfordern.

Beurtheilen wir die Petenten nicht zu hart. Wie Wenige giebt es, denen die
Finger nicht prickelten und die Fäuste zuckten, als ihnen der Witz ausging? Auch un¬
sren Frciburgcrn ging es so. Wie Viele gehen umher und sind einer schmerzhaften
Behandlung ihrer Westseite werth? Freiburg kennt Manche solcher Biedermänner.

Wenn nun die höchst ehrenwerthen Petenten in der constitutionellen Form der
Petition den Stock der Regierung in die Hand drücken, so wollen sie damit wahrschein¬
lich nicht um Schläge für sich selbst gebeten haben, sondern es beseelt sie das nicht
constitutionelle Bewußtsein, daß die Regierung mit ihnen zu Einer Partei gehöre. Diese
Leute glauben so gut, nur um Rechte und nicht um Pflichten zu bitten, wie die Bischöfe der
oberrheinischen Kirchenprovinz. — In der Kammer war das Schicksal der Petitionen na¬
türlich ein entschieden ungünstiges, und das bestehende Verbot der Thierquälerei giebt
Veranlassung, bei der Regierung ein Gleiches zu erwarten. Aber sind nicht auch die Forde¬
rungen der Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz von der Regierung schon zurückge¬
wiesen worden? Rom läßt sich in keine Concordate mit diesen ketzerischen Regierungen ein,
und wir müssen uns daher mit seinen Circumscriptiousbullcn begnügen. Concessionen
können wir daher nicht erst nach Monate langem Notenwechsel machen, und die Bischöfe
sind der besten Hoffnung. Sollte es dahin kommen, sollte Hand in Hand die Auf¬
hebung des landesherrlichen Planet und die Einführung der Prügelstrafe unsrem Land ein
mehr historisches Gepräge geben, dann wird es für die Gesellschaftswissenschaft (denn
nur „gewisse Klassen" sollen geprügelt werden) von Interesse sein, den Stand der „Prü-
gclfähigen" genau zu begrenzen. Eine Circumscriptionsbulle ^.ä clominioi gregis eus-
toäism neuer Art wird unsre Gesetzgebung zieren.




Die Opposition gegen das englische Ministerium.

Die gegenwärtigen politischen Vorgänge in England sind deshalb so interessant,
weil sie zwei wichtige constitutionelle Streitfragen: das Verhältniß eines Minvritätsmi-
nisterinms zu !der Volksvertretung, und die Befugnis? der letzter», die Steuern zu ver¬
weigern, um das Ministerium zum Abtreten zu zwingen, zur parlamentarischen Erörte¬
rung bringen. Die Forderung, daß das Ministerium stets im Einklang mit der,
Majorität der Kammern handeln müsse, und daß diese als letzte Waffe gegen ein hart¬
näckiges Minoritätsministcrium zur Steuerverweigerung greifen dürfe, ist in Deutschland
als unverträglich mit einer starken und geordneten Regierung zurückgewiesen worden. Es
ist daher lehrreich zu sehen, wie man in England mit ihrer Gewährung recht gut auskommt.

Der in der Parteivcrsammluug bei Lord John Russell am 12. beschlossene Ver¬
such, das Ministerium Derby in der Montagssitzung durch eine directe Anfrage zu einer
bestimmten Erklärung über'seine Handelspolitik zu bringen, ist gescheitert. Lord Derby
im Oberhause und Herr d'Jsraeli im Unterhause befolgten die gleiche Taktik, „sie be¬
mühten sich, den Pferdefuß der Protectionspolitik unter dem Mantel amtlicher Schweig¬
samkeit zu verbergen", wie Herr Osborne, das radicale Mitglied sür Middlessex, spottete.
Lord Derby, einst wegen seiner rückhaltsloser Offenheit und seines feurigen Ungestüms
der Prinz Rupert der Debatte genannt, ist zum Fabius Cunctator geworden, und Herr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/40>, abgerufen am 05.12.2024.