Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Majorität im Hause besitze, überlassen werden könne. Dieser Antrag wurde sofort mit Die englische Wollenindustric sieht sich von einer Katastrophe bedroht, die nicht Deutsche Diplomatie. -- Bei der letzten sicilianischen Re¬ Majorität im Hause besitze, überlassen werden könne. Dieser Antrag wurde sofort mit Die englische Wollenindustric sieht sich von einer Katastrophe bedroht, die nicht Deutsche Diplomatie. — Bei der letzten sicilianischen Re¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94269"/> <p xml:id="ID_1010" prev="#ID_1009"> Majorität im Hause besitze, überlassen werden könne. Dieser Antrag wurde sofort mit<lb/> 234 gegen 148 Stimmen angenommen, so daß sich das Ministerium in einer Minorität'<lb/> von 86 Stimmen befand. Weitere Folgen wird diese Abstimmung nicht haben, als daß<lb/> das Ministerium keine neuen Versuche machen wird, die Session unnöthiger Weise in die<lb/> Länge zu ziehe»,, und daß das Parlament nun Anfang Juni geschlossen werden wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1011"> Die englische Wollenindustric sieht sich von einer Katastrophe bedroht, die nicht<lb/> ohne Rückwirkung aus die deutsche Industrie bleiben kann. Der Goldreichthum Austra¬<lb/> liens lockt die wenigen dort vorhandenen Arbeitskräfte nach den Golddistricten, und die<lb/> zahlreichen Schafherden irren ohne Aufsicht in der Wildniß herum. Eine Verschlech¬<lb/> terung und sehr beträchtliche Verminderung der Wollvroduction wird die nothwendige<lb/> Folge davon sein. England hat aber in dem letzten Jahre 43 Mill. Pfd. Wolle aus<lb/> Australien bezogen, und seine ganze Wollindustrie ist auf diese Einfuhr gegründet, da<lb/> Deutschland jetzt seine Wolle meist selbst verbraucht. Man beschäftigt sich, für jetzt mit<lb/> dem Plane, dem Mangel an Arbeitskräften in Australien durch unentgeltliche Hinüber¬<lb/> führung von armen Auswanderern abzuhelfen. Wenn jedoch nicht schnell und in gro¬<lb/> ßem Maßstabe geholfen wird, so kann die australische Wollvroduction leicht für viele<lb/> Jahre zu Grunde gerichtet werden.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Deutsche Diplomatie.</head> <p xml:id="ID_1012" next="#ID_1013"> — Bei der letzten sicilianischen Re¬<lb/> volution hatte sich ein Deutscher, in Neapel früher ansässiger, sonst sehr verdienstvoller<lb/> Gelehrter, Namens Peters, lebhaft betheiligt, war nachher geflohen, und soll jetzt in der<lb/> Türkei angestellt sein. Seit dieser Zeit fahndet die neapolitanische Polizei mit be¬<lb/> sonderem Eifer aus alle Peters, wo sie auch seien. Zufällig trug ein preußischer Kauf¬<lb/> mann, der, dringende Handelsgeschäfte in Neapel abzumachen, mit dem Dampfboot hin<lb/> kam, diesen ominösen Namen; obwol er sonst in keinem Stück die mindeste Aehnlichkeit<lb/> mit dem gefürchteten Revolutionär hat, und seine Papiere in der vollkommensten Nichtig¬<lb/> keit sind, so wird ihm doch das Aussteigen verwehrt, und sogar eine Wache aufs Schiff<lb/> gestellt, daß er ja nicht ans Land könne. — Der gute Mann glaubt, das müsse eine<lb/> Irrung sein, die sich gleich aufklären werde, wartet Angesichts der Stadt acht Tage ans dem<lb/> Schiffe; endlich verliert er doch seine deutsche Geduld, benachrichtigt den Gesandten von sei¬<lb/> ner fatalen Lage, ruft seine Hilfe zur Beseitigung des Mißvcrstandes an. Dieser begiebt<lb/> sich sofort zum Minister des Auswärtigen, und setzt dem die Sache aus einander. Der<lb/> Minister thut sehr überrascht, bedauert anscheinend und verspricht sofortige Abhilfe. —<lb/> Der Gesandte glaubt nun die Sache in Ordnung, und geht mit gerechtem Stolz auf seinen<lb/> mächtigen Schutz ruhig nach Hause. — Wirklich-wird dem armen Peters auch die Aus¬<lb/> schiffung erlaubt; kaum ist er aber am Lande, so fällt ein Haufe Häscher über ihn her,<lb/> und er wird in Ketten in ein elendes Gefängniß auf einer Insel, wenn ich nicht irre<lb/> unter den Auswurf der Menschheit, zu Räubern und Mördern geworfen, ohne Verhör,<lb/> ohne Angabe eines Grundes, kurz ohne Me die Dinge, die in civilisirten Staaten sonst<lb/> Sitte — sein sollten. — Vier Wochen muß der Unglückliche da zubringen, bis es ihm<lb/> gelingt, einen der Gefangenwärter durch Versprechungen aller Art zu bestechen, daß er<lb/> ihm die Mittel verschafft, den Gesandten von seiner Lage in Kenntniß zu setzen. Dieser,<lb/> dem man nachsagen muß, daß er alles das in der Sache that, was man thun kann,<lb/> wenn man im Voraus weiß, daß gegen eine solche Bagatelle zu Hause doch keine Patrone<lb/> mehr fabricirt wird, der Gesandte also läuft gleich zur letzten Instanz, um sich,zu beklagen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0368]
Majorität im Hause besitze, überlassen werden könne. Dieser Antrag wurde sofort mit
234 gegen 148 Stimmen angenommen, so daß sich das Ministerium in einer Minorität'
von 86 Stimmen befand. Weitere Folgen wird diese Abstimmung nicht haben, als daß
das Ministerium keine neuen Versuche machen wird, die Session unnöthiger Weise in die
Länge zu ziehe»,, und daß das Parlament nun Anfang Juni geschlossen werden wird.
Die englische Wollenindustric sieht sich von einer Katastrophe bedroht, die nicht
ohne Rückwirkung aus die deutsche Industrie bleiben kann. Der Goldreichthum Austra¬
liens lockt die wenigen dort vorhandenen Arbeitskräfte nach den Golddistricten, und die
zahlreichen Schafherden irren ohne Aufsicht in der Wildniß herum. Eine Verschlech¬
terung und sehr beträchtliche Verminderung der Wollvroduction wird die nothwendige
Folge davon sein. England hat aber in dem letzten Jahre 43 Mill. Pfd. Wolle aus
Australien bezogen, und seine ganze Wollindustrie ist auf diese Einfuhr gegründet, da
Deutschland jetzt seine Wolle meist selbst verbraucht. Man beschäftigt sich, für jetzt mit
dem Plane, dem Mangel an Arbeitskräften in Australien durch unentgeltliche Hinüber¬
führung von armen Auswanderern abzuhelfen. Wenn jedoch nicht schnell und in gro¬
ßem Maßstabe geholfen wird, so kann die australische Wollvroduction leicht für viele
Jahre zu Grunde gerichtet werden.
Deutsche Diplomatie. — Bei der letzten sicilianischen Re¬
volution hatte sich ein Deutscher, in Neapel früher ansässiger, sonst sehr verdienstvoller
Gelehrter, Namens Peters, lebhaft betheiligt, war nachher geflohen, und soll jetzt in der
Türkei angestellt sein. Seit dieser Zeit fahndet die neapolitanische Polizei mit be¬
sonderem Eifer aus alle Peters, wo sie auch seien. Zufällig trug ein preußischer Kauf¬
mann, der, dringende Handelsgeschäfte in Neapel abzumachen, mit dem Dampfboot hin
kam, diesen ominösen Namen; obwol er sonst in keinem Stück die mindeste Aehnlichkeit
mit dem gefürchteten Revolutionär hat, und seine Papiere in der vollkommensten Nichtig¬
keit sind, so wird ihm doch das Aussteigen verwehrt, und sogar eine Wache aufs Schiff
gestellt, daß er ja nicht ans Land könne. — Der gute Mann glaubt, das müsse eine
Irrung sein, die sich gleich aufklären werde, wartet Angesichts der Stadt acht Tage ans dem
Schiffe; endlich verliert er doch seine deutsche Geduld, benachrichtigt den Gesandten von sei¬
ner fatalen Lage, ruft seine Hilfe zur Beseitigung des Mißvcrstandes an. Dieser begiebt
sich sofort zum Minister des Auswärtigen, und setzt dem die Sache aus einander. Der
Minister thut sehr überrascht, bedauert anscheinend und verspricht sofortige Abhilfe. —
Der Gesandte glaubt nun die Sache in Ordnung, und geht mit gerechtem Stolz auf seinen
mächtigen Schutz ruhig nach Hause. — Wirklich-wird dem armen Peters auch die Aus¬
schiffung erlaubt; kaum ist er aber am Lande, so fällt ein Haufe Häscher über ihn her,
und er wird in Ketten in ein elendes Gefängniß auf einer Insel, wenn ich nicht irre
unter den Auswurf der Menschheit, zu Räubern und Mördern geworfen, ohne Verhör,
ohne Angabe eines Grundes, kurz ohne Me die Dinge, die in civilisirten Staaten sonst
Sitte — sein sollten. — Vier Wochen muß der Unglückliche da zubringen, bis es ihm
gelingt, einen der Gefangenwärter durch Versprechungen aller Art zu bestechen, daß er
ihm die Mittel verschafft, den Gesandten von seiner Lage in Kenntniß zu setzen. Dieser,
dem man nachsagen muß, daß er alles das in der Sache that, was man thun kann,
wenn man im Voraus weiß, daß gegen eine solche Bagatelle zu Hause doch keine Patrone
mehr fabricirt wird, der Gesandte also läuft gleich zur letzten Instanz, um sich,zu beklagen
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