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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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nicht in den wahren Interessen ihrer Bürger, die bedenkliche Nöthigung eines An¬
schlusses ein das östreichische Zollgebiet sich unwiderstehlich geltend gemacht haben
wird, in einer weit minder günstigen Lage zur Aufstellung von Bedingungen be¬
finden werden, als jetzt, wo sie -- nach langer und reiflicher Ueberlegung der
Sachlage trotz mancher lebhaften Wünsche und. geneigter Stimmungen sich zu
dieser Einigung mit dem lauter- und völkerreichen Kaiserstaate nicht entschließen
können.




UebervölVerung und Auswanderung.

Die wiederkehrende Noth der arbeitenden Klassen wird oft ans "Über¬
völkerung" und "Ueberproduction" hergeleitet; und die Auswanderung gilt als
das beste Mittel zur Hebung dieses Uebelstandes. So weit ist man noch nicht
gegangen zu behaupten, daß die Vermehrung der Menschen künstlich vermindert,
öder ein bestimmter Theil der bereits Geborenen getödtet werden müßte, obmvl
es nicht an gelehrten Hebammen fehlt, welche den Krieg als eine höchst noth¬
wendige Sache zur Verhütung übermäßiger Vermehrung des Menschengeschlechts
betrachten.

Daß die Begriffe "Uebervölkerung"'und "Ueberproduction" neben einander
nicht wohl bestehen können, daß noch weniger der Zustand der vermeintlichen
Ueberproduction durch die Übervölkerung hervorgerufen werden kann, das sollte
eigentlich des Beweises nicht erst bedürfen. Es begreift sich leicht, daß ein ein¬
ziger Schuhmacher ein Ueberproduceut sein müßte, wenn er innerhalb eines ab¬
geschlossenen Bezirkes als einziger Mensch lebte und sein Handwerk täglich üben
wollte, und es leuchtet ein, daß je größer die Bevölkerung eines Bezirks ist, um
so größer auch das Bedürfniß nach Producten, also auch nach Producenten sein
wird. Wie sich aber demnach der Producent stets da am besten befinden wird,
wo die Bevölkerung am zahlreichsten ist, -- und die Erfahrung lehrt dasselbe, --
so wird auch diejenige Bevölkerung die glücklichste sein, welche die meisten Pro¬
ducenten zählt. Unstreitig wird hier das einzelne Product am billigsten sein, also
jeder Consument, gleichviel ob er selbst Producent ist oder nicht, sich seine Be¬
dürfnisse um den geringsten Werth, d. h. die geringste Arbeit, also deren am
meisten verschaffen und damit hier persönlich am reichsten sein kommend Da aber
auch jeder Producent mehr an Werth producirt, als er consumirt, weil der Lohn,
welchen er für die Arbeit erhält, jederzeit geringer sein muß, als der Werth
dieser Arbeit, so ist jeder thätige Arbeiter ein werdendes Capital sür das Land,
und das Land wird daher auch in der Gesammtheit seiner Werthe um so reicher
sein, je mehr es productive Hände beschäftigt. >


nicht in den wahren Interessen ihrer Bürger, die bedenkliche Nöthigung eines An¬
schlusses ein das östreichische Zollgebiet sich unwiderstehlich geltend gemacht haben
wird, in einer weit minder günstigen Lage zur Aufstellung von Bedingungen be¬
finden werden, als jetzt, wo sie — nach langer und reiflicher Ueberlegung der
Sachlage trotz mancher lebhaften Wünsche und. geneigter Stimmungen sich zu
dieser Einigung mit dem lauter- und völkerreichen Kaiserstaate nicht entschließen
können.




UebervölVerung und Auswanderung.

Die wiederkehrende Noth der arbeitenden Klassen wird oft ans „Über¬
völkerung" und „Ueberproduction" hergeleitet; und die Auswanderung gilt als
das beste Mittel zur Hebung dieses Uebelstandes. So weit ist man noch nicht
gegangen zu behaupten, daß die Vermehrung der Menschen künstlich vermindert,
öder ein bestimmter Theil der bereits Geborenen getödtet werden müßte, obmvl
es nicht an gelehrten Hebammen fehlt, welche den Krieg als eine höchst noth¬
wendige Sache zur Verhütung übermäßiger Vermehrung des Menschengeschlechts
betrachten.

Daß die Begriffe „Uebervölkerung"'und „Ueberproduction" neben einander
nicht wohl bestehen können, daß noch weniger der Zustand der vermeintlichen
Ueberproduction durch die Übervölkerung hervorgerufen werden kann, das sollte
eigentlich des Beweises nicht erst bedürfen. Es begreift sich leicht, daß ein ein¬
ziger Schuhmacher ein Ueberproduceut sein müßte, wenn er innerhalb eines ab¬
geschlossenen Bezirkes als einziger Mensch lebte und sein Handwerk täglich üben
wollte, und es leuchtet ein, daß je größer die Bevölkerung eines Bezirks ist, um
so größer auch das Bedürfniß nach Producten, also auch nach Producenten sein
wird. Wie sich aber demnach der Producent stets da am besten befinden wird,
wo die Bevölkerung am zahlreichsten ist, — und die Erfahrung lehrt dasselbe, —
so wird auch diejenige Bevölkerung die glücklichste sein, welche die meisten Pro¬
ducenten zählt. Unstreitig wird hier das einzelne Product am billigsten sein, also
jeder Consument, gleichviel ob er selbst Producent ist oder nicht, sich seine Be¬
dürfnisse um den geringsten Werth, d. h. die geringste Arbeit, also deren am
meisten verschaffen und damit hier persönlich am reichsten sein kommend Da aber
auch jeder Producent mehr an Werth producirt, als er consumirt, weil der Lohn,
welchen er für die Arbeit erhält, jederzeit geringer sein muß, als der Werth
dieser Arbeit, so ist jeder thätige Arbeiter ein werdendes Capital sür das Land,
und das Land wird daher auch in der Gesammtheit seiner Werthe um so reicher
sein, je mehr es productive Hände beschäftigt. >


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/146>, abgerufen am 04.07.2024.