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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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In einem Sumpfe fand ich einst ein Kranichnest mit zwei Eiern, von denen
das eine schon an einer Stelle aufgepickt war, so daß man durch die Oeffnung
hindurch das Junge piepen hören konnte. Ich nahm die Eier mit mir nach
Hanse, und hatte das Glück, das eine derselben zum Ausbrüten zu bringen. Der
junge Kranich machte mir durch sein munteres, znthuliches Wesen viel Vergnügen;
leider aber starb er nach ungefähr einem Vierteljahr.




Ca Blick auf Schleswig-Holstein.

Traurig sind die Weihnachten in dem schönen Lande. Altona ein Haupt¬
quartier östreichischer Truppen: Ungarn, Slovaken, Czechen, Galizier, Söhne der
verschiedenartigsten Provinzen Oestreichs, sind die Besatzung der ehrbaren deut¬
schen Handelsstadt, selbst der "freien" Republik Hamburg. Daß man diese
fremden Gäste, mit denen oft das Verständniß wegen ihrer Urkunde der deut¬
schen Sprache schwer fällt, nur in wenigen Kreisen gern sieht, ist natürlich,
wenn auch die Bevölkerung sowol dieser Städte, als der umliegenden Gegen¬
den bis nahe vor Kiel, die stark mit östreichischen Truppen belegt sind, viel
zu gutmüthig und gastfreundlich ist, um dem Einzelnen dies entgelten zu lassen.
Auch ist das Betragen der Truppen im Allgemeinen so, daß sie keinen Grund
zur Klage gebe". Die wilden und. rohen Gelüste Einzelner unter der Mannschaft
hält die strenge Disciplin in Zucht, die in der östreichischen Armee herrscht, und
mit den Officieren läßt sich trotz all ihres hohen Selbstgefühles im Allgemeinen ganz
gut verkehren, oft besser als mit den freilich gebildeteren, dafür aber vor
häufig auch viel citieren Preußen. Um Politik kümmern sich die Oestreicher
wenig, dulden uicht, wozu sie auch ein Recht haben, daß man in ihrer Gegen¬
wart .von Oestreich gering spricht, lassen sonst aber die Dinge gehen, wie sie eben
wollen. Daß Alle bis zum letzten Gemeinen hinab einen nicht geringen Begriff
von Oestreichs Macht besitzen, wer kann ihnen dies nach den wunderbaren Erfol¬
gen, die Oestreich durch die Schwäche seiner Geguer errungen hat, wol ver¬
denken? ,,Von Ancona bis Rendsburg sind wir in einem Marsch fortmarschirt,
und immer durch des Kaisers Land," sagte mir der böhmische Dragoner des
Regiments "Windischgrätz,/' mit dem aus einem Dorfe unfern Altona der Zufall
mich zusammenführte. "Was der Kaiser will, das muß geschehen und auch der
Preuß mit seinem langen Bart -- die Reiter des Regiments Windischgrätz tragen
einer historischen Erinnerung wegen sämmtlich keine Bärte -- muß thun, was



Im vorigen Heft S. am Anfange des Artikels ist ein Schreibfehler zu berichtigen:
lies: mit eigenen Beinen statt: mit Eisenbahn.
Grenzboten. I. 9

In einem Sumpfe fand ich einst ein Kranichnest mit zwei Eiern, von denen
das eine schon an einer Stelle aufgepickt war, so daß man durch die Oeffnung
hindurch das Junge piepen hören konnte. Ich nahm die Eier mit mir nach
Hanse, und hatte das Glück, das eine derselben zum Ausbrüten zu bringen. Der
junge Kranich machte mir durch sein munteres, znthuliches Wesen viel Vergnügen;
leider aber starb er nach ungefähr einem Vierteljahr.




Ca Blick auf Schleswig-Holstein.

Traurig sind die Weihnachten in dem schönen Lande. Altona ein Haupt¬
quartier östreichischer Truppen: Ungarn, Slovaken, Czechen, Galizier, Söhne der
verschiedenartigsten Provinzen Oestreichs, sind die Besatzung der ehrbaren deut¬
schen Handelsstadt, selbst der „freien" Republik Hamburg. Daß man diese
fremden Gäste, mit denen oft das Verständniß wegen ihrer Urkunde der deut¬
schen Sprache schwer fällt, nur in wenigen Kreisen gern sieht, ist natürlich,
wenn auch die Bevölkerung sowol dieser Städte, als der umliegenden Gegen¬
den bis nahe vor Kiel, die stark mit östreichischen Truppen belegt sind, viel
zu gutmüthig und gastfreundlich ist, um dem Einzelnen dies entgelten zu lassen.
Auch ist das Betragen der Truppen im Allgemeinen so, daß sie keinen Grund
zur Klage gebe«. Die wilden und. rohen Gelüste Einzelner unter der Mannschaft
hält die strenge Disciplin in Zucht, die in der östreichischen Armee herrscht, und
mit den Officieren läßt sich trotz all ihres hohen Selbstgefühles im Allgemeinen ganz
gut verkehren, oft besser als mit den freilich gebildeteren, dafür aber vor
häufig auch viel citieren Preußen. Um Politik kümmern sich die Oestreicher
wenig, dulden uicht, wozu sie auch ein Recht haben, daß man in ihrer Gegen¬
wart .von Oestreich gering spricht, lassen sonst aber die Dinge gehen, wie sie eben
wollen. Daß Alle bis zum letzten Gemeinen hinab einen nicht geringen Begriff
von Oestreichs Macht besitzen, wer kann ihnen dies nach den wunderbaren Erfol¬
gen, die Oestreich durch die Schwäche seiner Geguer errungen hat, wol ver¬
denken? ,,Von Ancona bis Rendsburg sind wir in einem Marsch fortmarschirt,
und immer durch des Kaisers Land," sagte mir der böhmische Dragoner des
Regiments „Windischgrätz,/' mit dem aus einem Dorfe unfern Altona der Zufall
mich zusammenführte. „Was der Kaiser will, das muß geschehen und auch der
Preuß mit seinem langen Bart — die Reiter des Regiments Windischgrätz tragen
einer historischen Erinnerung wegen sämmtlich keine Bärte — muß thun, was



Im vorigen Heft S. am Anfange des Artikels ist ein Schreibfehler zu berichtigen:
lies: mit eigenen Beinen statt: mit Eisenbahn.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/75>, abgerufen am 05.12.2024.