Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.schwunden ist. Das junge England war eine kleine Coterie hyperromantischer aristo¬ Wenn aber die Torypartei weder durch die Macht ihrer Talente noch Wochenbericht Deutschland. Die Noth, der Zollverein, die Flotte. In die geselligen Freuden des Winters klingt ein Wehruf der Hungrigen und schwunden ist. Das junge England war eine kleine Coterie hyperromantischer aristo¬ Wenn aber die Torypartei weder durch die Macht ihrer Talente noch Wochenbericht Deutschland. Die Noth, der Zollverein, die Flotte. In die geselligen Freuden des Winters klingt ein Wehruf der Hungrigen und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93885"/> <p xml:id="ID_1440" prev="#ID_1439"> schwunden ist. Das junge England war eine kleine Coterie hyperromantischer aristo¬<lb/> kratischer Jünglinge, die in blauem Frack und weißer Weste den Untergang der<lb/> Stuarts, der Feudalherrschast, der Klöster und des Katholicismus beweinten, und<lb/> deren Faseleien ein ehrgeiziger Emporkömmling, Herr D'Jsraeli, mit geistreicher<lb/> Sophistik und blendender Rhetorik eine präsentable Gestalt gab, während er<lb/> die vornehmen Connexionen seiner Zöglinge als Stufen benutzte, um zu eiuer<lb/> politischen Stellung zu gelangen. Er hat sein Ziel erreicht, das junge England<lb/> aber ist verschwunden; sein letzter Rest, Lord John Manners, hat zwar im vori¬<lb/> gen Jahre die Stuarts noch in einem Gedicht als die einzigen rechtmäßigen<lb/> Erben der englischen Krone besungen, aber doch in diesem Jahre, als Mitglied<lb/> des Ministeriums Derby, der Königin Victoria Treue und Gehorsam geschworen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1441"> Wenn aber die Torypartei weder durch die Macht ihrer Talente noch<lb/> ihrer Ideen gefährlich ist, wenn man sie auch nur als einen Hemmschuh an der<lb/> Staatsmaschine betrachten darf, so ist doch wenig Aussicht vorhanden, daß ihre<lb/> Zahl, und also auch ihre parlamentarische Bedeutung vermindert werde, so lange<lb/> das gegenwärtige Wahlsystem unverändert bleibt. Ihre Stärke liegt in den<lb/> ackerbauenden Wahlbezirken. Die Tenantfarmer (Pächter auf feste, längere Ter¬<lb/> mine) sind' unzufrieden über ihre Lage, und klagen laut; aber Daraus beschränkt<lb/> sich ihre Opposition gegen die Grundbesitzer. Die l'emanes at will (Pächter auf<lb/> Kündigung) sind nicht in der' Lage, unabhängig aufzutreten, wenn sie auch<lb/> dazu geneigt wären; sie haben nicht genug politische Kenntnisse, um eine unab¬<lb/> hängige Partei zu bilden, wenn sie die Macht dazu hätten; und sie haben nicht<lb/> einmal Führer, wenn sie die Macht und die Fähigkeit hätten, gegen die Grund¬<lb/> besitzer eine Opposttiousstellung einzunehmen. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> <div n="1"> <head> Wochenbericht</head><lb/> <div n="2"> <head> Deutschland.</head><lb/> <div n="3"> <head> Die Noth, der Zollverein, die Flotte.</head><lb/> <p xml:id="ID_1442" next="#ID_1443"> In die geselligen Freuden des Winters klingt ein Wehruf der Hungrigen und<lb/> Elenden in verschiedenen Gegenden Deutschlands. Vom Spessart und der Rhön, aus<lb/> Oberschlesien, aus Preußen kommen Berichte über ein hilfloses Elend, welches pest¬<lb/> artige Krankheiten erzeugt und die Kirchhöfe füllt. Es ist klar, daß in solchen Ge¬<lb/> genden, wo der Tagelohn des Feldarbeiters oder der Verdienst des kleinen Hausarbei¬<lb/> ters nur Z —V Silbergroschen beträgt, der Arveiter fast ausschließlich auf Kartoffel¬<lb/> nahrung angewiesen ist, und bei jeder Mißernte derselben, zumal wenn diese mit einer<lb/> Preiserhöhung des Getreides verbunden ist, allen Qualen des Hungers ausgesetzt<lb/> wird; es ist nicht zu läugnen, daß Maugel an Intelligenz, schlechter Schulunterricht<lb/> und eine ungesunde bürgerliche Stellung des kleinsten ländlichen Grundbesitzes dieses<lb/> Leiden vergrößern; es ist ferner nicht zu läugnen, daß schlechte Gemeindegesetze und</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0520]
schwunden ist. Das junge England war eine kleine Coterie hyperromantischer aristo¬
kratischer Jünglinge, die in blauem Frack und weißer Weste den Untergang der
Stuarts, der Feudalherrschast, der Klöster und des Katholicismus beweinten, und
deren Faseleien ein ehrgeiziger Emporkömmling, Herr D'Jsraeli, mit geistreicher
Sophistik und blendender Rhetorik eine präsentable Gestalt gab, während er
die vornehmen Connexionen seiner Zöglinge als Stufen benutzte, um zu eiuer
politischen Stellung zu gelangen. Er hat sein Ziel erreicht, das junge England
aber ist verschwunden; sein letzter Rest, Lord John Manners, hat zwar im vori¬
gen Jahre die Stuarts noch in einem Gedicht als die einzigen rechtmäßigen
Erben der englischen Krone besungen, aber doch in diesem Jahre, als Mitglied
des Ministeriums Derby, der Königin Victoria Treue und Gehorsam geschworen.
Wenn aber die Torypartei weder durch die Macht ihrer Talente noch
ihrer Ideen gefährlich ist, wenn man sie auch nur als einen Hemmschuh an der
Staatsmaschine betrachten darf, so ist doch wenig Aussicht vorhanden, daß ihre
Zahl, und also auch ihre parlamentarische Bedeutung vermindert werde, so lange
das gegenwärtige Wahlsystem unverändert bleibt. Ihre Stärke liegt in den
ackerbauenden Wahlbezirken. Die Tenantfarmer (Pächter auf feste, längere Ter¬
mine) sind' unzufrieden über ihre Lage, und klagen laut; aber Daraus beschränkt
sich ihre Opposition gegen die Grundbesitzer. Die l'emanes at will (Pächter auf
Kündigung) sind nicht in der' Lage, unabhängig aufzutreten, wenn sie auch
dazu geneigt wären; sie haben nicht genug politische Kenntnisse, um eine unab¬
hängige Partei zu bilden, wenn sie die Macht dazu hätten; und sie haben nicht
einmal Führer, wenn sie die Macht und die Fähigkeit hätten, gegen die Grund¬
besitzer eine Opposttiousstellung einzunehmen. —
Wochenbericht
Deutschland.
Die Noth, der Zollverein, die Flotte.
In die geselligen Freuden des Winters klingt ein Wehruf der Hungrigen und
Elenden in verschiedenen Gegenden Deutschlands. Vom Spessart und der Rhön, aus
Oberschlesien, aus Preußen kommen Berichte über ein hilfloses Elend, welches pest¬
artige Krankheiten erzeugt und die Kirchhöfe füllt. Es ist klar, daß in solchen Ge¬
genden, wo der Tagelohn des Feldarbeiters oder der Verdienst des kleinen Hausarbei¬
ters nur Z —V Silbergroschen beträgt, der Arveiter fast ausschließlich auf Kartoffel¬
nahrung angewiesen ist, und bei jeder Mißernte derselben, zumal wenn diese mit einer
Preiserhöhung des Getreides verbunden ist, allen Qualen des Hungers ausgesetzt
wird; es ist nicht zu läugnen, daß Maugel an Intelligenz, schlechter Schulunterricht
und eine ungesunde bürgerliche Stellung des kleinsten ländlichen Grundbesitzes dieses
Leiden vergrößern; es ist ferner nicht zu läugnen, daß schlechte Gemeindegesetze und
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