Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.und sagt seine hebräischen Gebete her. Auch ereignete sich ans diesem Platz vor unsern Auf der Mittagsstation Petrikau sitzen in der Restauration sieben blinde Musikanten Kaiser Faustin Soulouque. -- Der wackre Prinz der Schwarzen hat den fran¬ Verlag von F. L. Hevbig. -- Redacteure: Gustav Fveytag und Julian Schmidt. Druck von C. E. Eid ert. und sagt seine hebräischen Gebete her. Auch ereignete sich ans diesem Platz vor unsern Auf der Mittagsstation Petrikau sitzen in der Restauration sieben blinde Musikanten Kaiser Faustin Soulouque. — Der wackre Prinz der Schwarzen hat den fran¬ Verlag von F. L. Hevbig. — Redacteure: Gustav Fveytag und Julian Schmidt. Druck von C. E. Eid ert. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91870"/> <p xml:id="ID_355" prev="#ID_354"> und sagt seine hebräischen Gebete her. Auch ereignete sich ans diesem Platz vor unsern<lb/> Augen, daß ein polnischer, etwas betrunkener Officier, von dem Coudueteur gehalten, die<lb/> innere Thüre des Wagens so behandelte, wie der Hund den Eckstein, was übrigens<lb/> Niemandem seinen guten Humor nahm.</p><lb/> <p xml:id="ID_356"> Auf der Mittagsstation Petrikau sitzen in der Restauration sieben blinde Musikanten<lb/> am Ofen und spielen polnische Tänze. Es wird wieder geläutet und gepfiffen und<lb/> vorwärts soll's gehen nach Warschau. Aber dem Oberconducteur wird ein Zeichen<lb/> gegeben; der Zug bleibt halten. Zwei Polizeisoldaten lkommen an unsern Waggon.<lb/> „Wo ist der Herr?" — „„Da in der Ecke,"" lautet die Antwort. „Steigen<lb/> Sie aus," heißt es weiter. Ein blasser, junger Mann folgt betroffen der barschen<lb/> Weisung. „Sie haben aus einer deutschen Zeitung vorgelesen; es dürfen keine gedruckten<lb/> Sachen eingeführt werden; geben Sie das Blatt heraus." Der junge Mann zieht den<lb/> unglücklichen Kladderadatsch aus der Tasche. Der Polizist bemächtigt sich des Lorpus<lb/> cielieti und führt den Delinquenten ins Eisenbahnbureau, seine Sachen werden abgeladen,<lb/> der Zug geht ab. — Eine Weile war Alles still. Nach und nach kamen wieder Unter¬<lb/> haltungen in Gang, doch wurde der Vorfall selbst im Gespräch vermieden. In Warschau<lb/> frug ich einen höhern Beamten der Eisenbahn, was das Schicksal des Kladderadatsch¬<lb/> lesers sein werde. „Ihm geschieht nichts", war die Antwort, „denn er ist Ausländer.<lb/> Er bekommt ein Netourvisum aus seinen Paß, ein Zwangsbillet für den vierten Platz<lb/> und fährt mit dem Zug, der uns eben jetzt begegnete, wieder nach Haufe. Der Jude<lb/> neben Ihnen hatte ihn denuncirt. In dieser Woche ist es der dritte Fall."</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Kaiser Faustin Soulouque. </head> <p xml:id="ID_357"> — Der wackre Prinz der Schwarzen hat den fran¬<lb/> zösischen Republikanern durch seine lächerlichen Nachäffungen der französischen Monarchie,<lb/> und namentlich durch die Stiefeln und den dreieckigen Hut zu gute Veranlassung<lb/> gegeben, an dem „Neffen des Onkels", der von ähnlichen Wünschen ausgeht, sich in<lb/> guten und schlechten Witzen zu üben, als daß sie nicht aus Dankbarkeit ein größeres<lb/> Interesse für seine Person empfinden, und seine eigenthümliche Lage eines genauem<lb/> Studiums würdigen sollten. — Es ist in den letzten Monaten über diesen Gegenstand<lb/> von Kuswvö ä'^laux eine sehr lesenswerthe Abhandlung erschienen, aus welcher sich<lb/> ergibt, daß mitten unter jenen lächerlichen und scurrileu Scenen genug des scheu߬<lb/> lichen und des Grausenhaften zu finden ist, um Eugen Sue oder Victor Hugo Stoff<lb/> zu vielen Romanen zu geben. Kaiser Soülouque hat sich nämlich weder durch seine<lb/> staatsmännischen noch durch seine militärischen Talente den Thron von Hapel erworben;<lb/> er ist nichts mehr und nichts weniger als ein Zauberer, der Chef einer wilden, aber¬<lb/> gläubischen und blutigen afrikanischen Geheimreligion, die auch unter der Herrschaft der<lb/> Weißen niemals ganz ausgerottet werden konnte und die nun mit ihren Greueln und<lb/> Sonderbarkeiten zur Staatsreligion erhoben ist, natürlich neben dem katholischen Christen¬<lb/> thum, das dadurch an seiner Geltung nichts einbüßt. — Eine auf gründliche — freilich<lb/> sehr schwierige — Forschungen gestützte Geschichte von Se. Domingo würde mehr<lb/> moralisches Interesse gewähren, als einige hundert Novellen jener Schule, die zum<lb/> Grundsatz hat: rien n'est beau yue le tant, et rien n'est lala que 1e beau.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hevbig. — Redacteure: Gustav Fveytag und Julian Schmidt.<lb/> Druck von C. E. Eid ert.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
und sagt seine hebräischen Gebete her. Auch ereignete sich ans diesem Platz vor unsern
Augen, daß ein polnischer, etwas betrunkener Officier, von dem Coudueteur gehalten, die
innere Thüre des Wagens so behandelte, wie der Hund den Eckstein, was übrigens
Niemandem seinen guten Humor nahm.
Auf der Mittagsstation Petrikau sitzen in der Restauration sieben blinde Musikanten
am Ofen und spielen polnische Tänze. Es wird wieder geläutet und gepfiffen und
vorwärts soll's gehen nach Warschau. Aber dem Oberconducteur wird ein Zeichen
gegeben; der Zug bleibt halten. Zwei Polizeisoldaten lkommen an unsern Waggon.
„Wo ist der Herr?" — „„Da in der Ecke,"" lautet die Antwort. „Steigen
Sie aus," heißt es weiter. Ein blasser, junger Mann folgt betroffen der barschen
Weisung. „Sie haben aus einer deutschen Zeitung vorgelesen; es dürfen keine gedruckten
Sachen eingeführt werden; geben Sie das Blatt heraus." Der junge Mann zieht den
unglücklichen Kladderadatsch aus der Tasche. Der Polizist bemächtigt sich des Lorpus
cielieti und führt den Delinquenten ins Eisenbahnbureau, seine Sachen werden abgeladen,
der Zug geht ab. — Eine Weile war Alles still. Nach und nach kamen wieder Unter¬
haltungen in Gang, doch wurde der Vorfall selbst im Gespräch vermieden. In Warschau
frug ich einen höhern Beamten der Eisenbahn, was das Schicksal des Kladderadatsch¬
lesers sein werde. „Ihm geschieht nichts", war die Antwort, „denn er ist Ausländer.
Er bekommt ein Netourvisum aus seinen Paß, ein Zwangsbillet für den vierten Platz
und fährt mit dem Zug, der uns eben jetzt begegnete, wieder nach Haufe. Der Jude
neben Ihnen hatte ihn denuncirt. In dieser Woche ist es der dritte Fall."
Kaiser Faustin Soulouque. — Der wackre Prinz der Schwarzen hat den fran¬
zösischen Republikanern durch seine lächerlichen Nachäffungen der französischen Monarchie,
und namentlich durch die Stiefeln und den dreieckigen Hut zu gute Veranlassung
gegeben, an dem „Neffen des Onkels", der von ähnlichen Wünschen ausgeht, sich in
guten und schlechten Witzen zu üben, als daß sie nicht aus Dankbarkeit ein größeres
Interesse für seine Person empfinden, und seine eigenthümliche Lage eines genauem
Studiums würdigen sollten. — Es ist in den letzten Monaten über diesen Gegenstand
von Kuswvö ä'^laux eine sehr lesenswerthe Abhandlung erschienen, aus welcher sich
ergibt, daß mitten unter jenen lächerlichen und scurrileu Scenen genug des scheu߬
lichen und des Grausenhaften zu finden ist, um Eugen Sue oder Victor Hugo Stoff
zu vielen Romanen zu geben. Kaiser Soülouque hat sich nämlich weder durch seine
staatsmännischen noch durch seine militärischen Talente den Thron von Hapel erworben;
er ist nichts mehr und nichts weniger als ein Zauberer, der Chef einer wilden, aber¬
gläubischen und blutigen afrikanischen Geheimreligion, die auch unter der Herrschaft der
Weißen niemals ganz ausgerottet werden konnte und die nun mit ihren Greueln und
Sonderbarkeiten zur Staatsreligion erhoben ist, natürlich neben dem katholischen Christen¬
thum, das dadurch an seiner Geltung nichts einbüßt. — Eine auf gründliche — freilich
sehr schwierige — Forschungen gestützte Geschichte von Se. Domingo würde mehr
moralisches Interesse gewähren, als einige hundert Novellen jener Schule, die zum
Grundsatz hat: rien n'est beau yue le tant, et rien n'est lala que 1e beau.
Verlag von F. L. Hevbig. — Redacteure: Gustav Fveytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Eid ert.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |