Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.ausplatzt, daß die Gräfin selbst den Tod ihres Bruders veranlaßt habe, aber Ueber die Schuld der beiden Angeklagten kann kein Zweifel sein. Der Wochenschau. Neue N o in a n e. Rußlands Novellendichter. Uebertragen und mit biographisch-kritischen ausplatzt, daß die Gräfin selbst den Tod ihres Bruders veranlaßt habe, aber Ueber die Schuld der beiden Angeklagten kann kein Zweifel sein. Der Wochenschau. Neue N o in a n e. Rußlands Novellendichter. Uebertragen und mit biographisch-kritischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91596"/> <p xml:id="ID_1095" prev="#ID_1094"> ausplatzt, daß die Gräfin selbst den Tod ihres Bruders veranlaßt habe, aber<lb/> doch unschuldig sei. „Wir hatten im Sänlensaale den Fideicommiß gesucht, und<lb/> träte» wieder in den Speisesaal," erzählt er darauf. „Gustav sagte mir: Gieb<lb/> mir ein Glas Wein. Wir gingen an das Büffet; meine Fran nahm eine Flasche<lb/> und goß zwei Gläser voll; Fougnies leerte Seins in einem Zuge und schrie:<lb/> 8sLi'L nom! Ich hatte gerade-' das andere Glas an die Lippen gesetzt, zog es<lb/> aber rasch zurück und sagte: däs ist Gift! Gustav sing an nach Hilfe zu schreien.<lb/> Ich legte ihm die Hand ans den Mund, um ihn am Schreien zu verhindern,<lb/> weil ich einen Scandal fürchtete. Die Flasche war beim Herausholen aus dem<lb/> Keller aus Versehen mit der Weinflasche verwechselt worden." Die Unwahrscheinlich-<lb/> keit dieser Erzählung führt er als Grund an, weshalb er nicht früher die Wahrheit<lb/> gesagt habe. Seine frühere Erklärung gegen den Gesängnißdirector modistcirt er<lb/> dahin, seine Frau habe allerdings das Gift eingegossen, aber nicht in den Mund<lb/> des Ermordeten; er habe sagen wollen, in das Glas, habe sich aber, weil er<lb/> Kopfschmerz gehabt, nicht deutlich genug ausgedrückt. Von ähnlicher Art send auch<lb/> seiue andern Ausreden, die er mit der Zungenfertigkeit und Ruhe eiues Advocaten<lb/> vorbringt, der nicht seinen Kopf, sondern den eines ihm gleichgültigen Clienten<lb/> vertheidigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1096"> Ueber die Schuld der beiden Angeklagten kann kein Zweifel sein. Der<lb/> Proceß wird sich noch eine Weile lang hinziehen, da nicht weniger als 101 Zeugen<lb/> zu vernehmen sind; schwerlich wird jedoch noch etwas Neues zu dem Thatbestand<lb/> hinzukommen. Sollte es jedoch wider Vermuthen geschehen, so werden wir es<lb/> mit dem Endresultat des Processes mittheilen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Wochenschau.<lb/> Neue N o in a n e.</head><lb/> <div n="2"> <head> Rußlands Novellendichter.</head> <p xml:id="ID_1097" next="#ID_1098"> Uebertragen und mit biographisch-kritischen<lb/> Einleitungen von Friedrich Wolsso du. Drei Bände. Leipzig, Brockhims. —<lb/> Jede neue Kunde über dieses finstere Reich, dessen Schwert seit langer Zeit verhäng-<lb/> nißvoll über unserm Haupte schwebt, muß uns willkommen sein, in welcher Form sie uns<lb/> auch entgegen treten möge. Freilich kann man die belletristischen Schriften einer Treib¬<lb/> hausliteratur, die an fremdem Feuer genährt ist, nur mit großer Vorsicht benutzen.<lb/> Während die Masse des Russischen Volks noch in halb barbarischen Zuständen lebt, hat<lb/> sich über die obern Schichten der Gesellschaft ein Firniß gebreitet, der aus Paris her¬<lb/> stammt; allein gerade diese Mischung barbarischer Voraussetzungen mit dem Raffinement<lb/> der Französischen Empfindung ist das Lehrreiche in diese» Novellen, die übrigens zum<lb/> Theil nicht ohne Talent geschrieben sind. Am Schwächsten sind die Bilder von den<lb/> eigentlich wilden Völkerschaften, die der Russe mit keinen andern Augen ansieht, als ein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0403]
ausplatzt, daß die Gräfin selbst den Tod ihres Bruders veranlaßt habe, aber
doch unschuldig sei. „Wir hatten im Sänlensaale den Fideicommiß gesucht, und
träte» wieder in den Speisesaal," erzählt er darauf. „Gustav sagte mir: Gieb
mir ein Glas Wein. Wir gingen an das Büffet; meine Fran nahm eine Flasche
und goß zwei Gläser voll; Fougnies leerte Seins in einem Zuge und schrie:
8sLi'L nom! Ich hatte gerade-' das andere Glas an die Lippen gesetzt, zog es
aber rasch zurück und sagte: däs ist Gift! Gustav sing an nach Hilfe zu schreien.
Ich legte ihm die Hand ans den Mund, um ihn am Schreien zu verhindern,
weil ich einen Scandal fürchtete. Die Flasche war beim Herausholen aus dem
Keller aus Versehen mit der Weinflasche verwechselt worden." Die Unwahrscheinlich-
keit dieser Erzählung führt er als Grund an, weshalb er nicht früher die Wahrheit
gesagt habe. Seine frühere Erklärung gegen den Gesängnißdirector modistcirt er
dahin, seine Frau habe allerdings das Gift eingegossen, aber nicht in den Mund
des Ermordeten; er habe sagen wollen, in das Glas, habe sich aber, weil er
Kopfschmerz gehabt, nicht deutlich genug ausgedrückt. Von ähnlicher Art send auch
seiue andern Ausreden, die er mit der Zungenfertigkeit und Ruhe eiues Advocaten
vorbringt, der nicht seinen Kopf, sondern den eines ihm gleichgültigen Clienten
vertheidigt.
Ueber die Schuld der beiden Angeklagten kann kein Zweifel sein. Der
Proceß wird sich noch eine Weile lang hinziehen, da nicht weniger als 101 Zeugen
zu vernehmen sind; schwerlich wird jedoch noch etwas Neues zu dem Thatbestand
hinzukommen. Sollte es jedoch wider Vermuthen geschehen, so werden wir es
mit dem Endresultat des Processes mittheilen.
Wochenschau.
Neue N o in a n e.
Rußlands Novellendichter. Uebertragen und mit biographisch-kritischen
Einleitungen von Friedrich Wolsso du. Drei Bände. Leipzig, Brockhims. —
Jede neue Kunde über dieses finstere Reich, dessen Schwert seit langer Zeit verhäng-
nißvoll über unserm Haupte schwebt, muß uns willkommen sein, in welcher Form sie uns
auch entgegen treten möge. Freilich kann man die belletristischen Schriften einer Treib¬
hausliteratur, die an fremdem Feuer genährt ist, nur mit großer Vorsicht benutzen.
Während die Masse des Russischen Volks noch in halb barbarischen Zuständen lebt, hat
sich über die obern Schichten der Gesellschaft ein Firniß gebreitet, der aus Paris her¬
stammt; allein gerade diese Mischung barbarischer Voraussetzungen mit dem Raffinement
der Französischen Empfindung ist das Lehrreiche in diese» Novellen, die übrigens zum
Theil nicht ohne Talent geschrieben sind. Am Schwächsten sind die Bilder von den
eigentlich wilden Völkerschaften, die der Russe mit keinen andern Augen ansieht, als ein
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |