Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.Studien zur Geschichte der französischen Romantik. Neuchristliche Poesie., Unter sämmtlichen Notabilitäten des neueren Frankreich ist Chateaubriand Für uns Deutsche hat diese Verehrung etwas Unbegreifliches. Der Inhalt Die Werte, die dahin gehören, zerfallen in zwei Reihen; sie beziehn sich Der "Geist des Christenthums" erschien in London 1802 , in einer Studien zur Geschichte der französischen Romantik. Neuchristliche Poesie., Unter sämmtlichen Notabilitäten des neueren Frankreich ist Chateaubriand Für uns Deutsche hat diese Verehrung etwas Unbegreifliches. Der Inhalt Die Werte, die dahin gehören, zerfallen in zwei Reihen; sie beziehn sich Der „Geist des Christenthums" erschien in London 1802 , in einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93199"/> </div> <div n="1"> <head> Studien zur Geschichte der französischen Romantik.</head><lb/> <div n="2"> <head> Neuchristliche Poesie.,</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1302"> Unter sämmtlichen Notabilitäten des neueren Frankreich ist Chateaubriand<lb/> so ziemlich die einzige, welche sämmtliche Parteien zu gleicher Verehrung ver¬<lb/> einigt. Vor diesem Namen streckt die Kritik ihre Waffen, Romantiker und Klassi¬<lb/> ker finden sich auf neutralen Boden. Selbst aus der älteren Literatur findet sich<lb/> kein Name von so allgemeiner Anerkennung.' Von Racine z. B. wird zwar jede<lb/> Literaturgeschichte berichten, er sei ein großer Dichter gewesen, denn der Franzose<lb/> ist zu eitel, um sich den Ruhm seiner Vergangenheit verkümmern zu lassen, und<lb/> der leidenschaftlichste Republikaner würde sich in seinem Patriotismus verletzt füh¬<lb/> len, wenn man die Große Ludwigs XIV. zu bezweifeln wagte; aber mit jener<lb/> unbedingten Anerkennung Racine's wird nur der Klassiker schließen, der Romantiker<lb/> wird, wenn auch noch so bescheiden, immer hinzusetzen: in:us e'ehr perruque.<lb/> Chateaubriand dagegen ist der große Mann ohne weitere Bemerkung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1303"> Für uns Deutsche hat diese Verehrung etwas Unbegreifliches. Der Inhalt<lb/> seiner Poesie steht mit der öffentlichen Meinung, auch in Frankreich, in directem<lb/> Widerspruch, und in seiner Form finden wir eine Frivolität und Oberflächlichkeit,<lb/> wie sie selbst bei Franzosen selten ist. In einem frühern Aufsatz (Grenzboten 1848,<lb/> Heft 30.) habe ich Chateaubriand als Totalität zu motiviren versucht. Ich be¬<lb/> schränke mich diesmal auf eine bestimmte Periode seiner Thätigkeit, die sich etwa auf<lb/> das erste Jahrzehend unsers Jahrhunderts zurückführt, und auf eine bestimmte<lb/> Seite derselben, den Versuch einer Wiederherstellung des Christenthums.</p><lb/> <p xml:id="ID_1304"> Die Werte, die dahin gehören, zerfallen in zwei Reihen; sie beziehn sich<lb/> nämlich entweder auf seine Wanderungen in Nordamerika oder auf seiue Pilger¬<lb/> schaft uach Jerusalem. In die erste Reihe gehören die beiden kleinen Erzählun¬<lb/> gen Atala und Neue, das prosaische Heldengedicht los Ratelie? und die<lb/> Vo^axe en .^merique; in die zweite das ^einer-tire, le äeinier 6v8<lb/> ^bencei-tFö«; das Epos: lesNart^rs <>n l<z triomplio (1 v 1a reli^ion<lb/> dnretienue, und aus der spätern Zeit: 1-t vio ac liance, die IZtuävs<lb/> nistoriques, und die Übersetzung des verlorenen Paradieses mit der dazu ge¬<lb/> hörigen Einleitung: Lssai sur 1a literature anAl-life et considerirtions<lb/> zur le Konie des Komme«, des temps et lies revolutions. In dem Keule ein<lb/> cnristianisme finden beide Reihen ihren Knotenpunkt. Mit dem letztern be¬<lb/> ginne ich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1305" next="#ID_1306"> Der „Geist des Christenthums" erschien in London 1802 , in einer<lb/> Zeit, als Napoleon durch die Restauration der Kirche dem Staat der Revolution</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Studien zur Geschichte der französischen Romantik.
Neuchristliche Poesie.,
Unter sämmtlichen Notabilitäten des neueren Frankreich ist Chateaubriand
so ziemlich die einzige, welche sämmtliche Parteien zu gleicher Verehrung ver¬
einigt. Vor diesem Namen streckt die Kritik ihre Waffen, Romantiker und Klassi¬
ker finden sich auf neutralen Boden. Selbst aus der älteren Literatur findet sich
kein Name von so allgemeiner Anerkennung.' Von Racine z. B. wird zwar jede
Literaturgeschichte berichten, er sei ein großer Dichter gewesen, denn der Franzose
ist zu eitel, um sich den Ruhm seiner Vergangenheit verkümmern zu lassen, und
der leidenschaftlichste Republikaner würde sich in seinem Patriotismus verletzt füh¬
len, wenn man die Große Ludwigs XIV. zu bezweifeln wagte; aber mit jener
unbedingten Anerkennung Racine's wird nur der Klassiker schließen, der Romantiker
wird, wenn auch noch so bescheiden, immer hinzusetzen: in:us e'ehr perruque.
Chateaubriand dagegen ist der große Mann ohne weitere Bemerkung.
Für uns Deutsche hat diese Verehrung etwas Unbegreifliches. Der Inhalt
seiner Poesie steht mit der öffentlichen Meinung, auch in Frankreich, in directem
Widerspruch, und in seiner Form finden wir eine Frivolität und Oberflächlichkeit,
wie sie selbst bei Franzosen selten ist. In einem frühern Aufsatz (Grenzboten 1848,
Heft 30.) habe ich Chateaubriand als Totalität zu motiviren versucht. Ich be¬
schränke mich diesmal auf eine bestimmte Periode seiner Thätigkeit, die sich etwa auf
das erste Jahrzehend unsers Jahrhunderts zurückführt, und auf eine bestimmte
Seite derselben, den Versuch einer Wiederherstellung des Christenthums.
Die Werte, die dahin gehören, zerfallen in zwei Reihen; sie beziehn sich
nämlich entweder auf seine Wanderungen in Nordamerika oder auf seiue Pilger¬
schaft uach Jerusalem. In die erste Reihe gehören die beiden kleinen Erzählun¬
gen Atala und Neue, das prosaische Heldengedicht los Ratelie? und die
Vo^axe en .^merique; in die zweite das ^einer-tire, le äeinier 6v8
^bencei-tFö«; das Epos: lesNart^rs <>n l<z triomplio (1 v 1a reli^ion
dnretienue, und aus der spätern Zeit: 1-t vio ac liance, die IZtuävs
nistoriques, und die Übersetzung des verlorenen Paradieses mit der dazu ge¬
hörigen Einleitung: Lssai sur 1a literature anAl-life et considerirtions
zur le Konie des Komme«, des temps et lies revolutions. In dem Keule ein
cnristianisme finden beide Reihen ihren Knotenpunkt. Mit dem letztern be¬
ginne ich.
Der „Geist des Christenthums" erschien in London 1802 , in einer
Zeit, als Napoleon durch die Restauration der Kirche dem Staat der Revolution
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |