Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Zollconferenz in Berlin.

Die Partei der deutschen Union findet immer neue Gegner im Kreise der
Kabinetöpolitiker, und ihr Kampf hat bis jetzt noch zu keinem unbedingt glücklichen
Resultat geführt. Sie hat aber auch verbündete Mächte, deren gewichtiges Schwert
bis jetzt noch nicht ans dem Schlachtfeld": gezogen ist und den Feinden Bedenken
eingeflößt hat. Diese Verbündeten sind die materiellen Interessen der deutschen Völker,
mit Ausnahme des Kaiserstaats, aber nicht mit Ausnahme Hannovers, Hamburgs
und der übrigen Staaten des nordischen Zollsystems. Preußen ist der natürliche
Vertreter der deutschen Agricultur- und Handelsinteressen gegenüber dem Aus¬
lande, durch seine Lage, seine Kraft, seine Politik, durch seine Schöpfung, den
Zollverein. Durch den Zollverein hat Preußen in der That die Schnüre zu den
Geldbeuteln Sachsens, Baierns und Würtembergs in der Hand, und von dem
klugen Gebrauch dieser Macht über das Leben opponirender Staaten wird es
abhängen, ob die Union eine deutsche Wahrheit werden wird. Sehr schnell ist
der Idealismus ans unsern Einheitsbestrebungen geschwunden, die rohsten, egoisti¬
schen Interessen spreizen sich gegenwärtig überall, wo unsere Politik gemacht
wird. So wird jetzt Preußens Aufgabe, dem Egoismus der Kabinette die höch¬
sten Interessen der Staaten gegenüber zu stellen. Die Entwickelung der Union
ist, wie die Dinge jetzt stehn, ans das innigste verknüpft mit der Entwickelung,
welche die Interessen des Ackerbaues, der Industrie und des Handels in der
nächsten Zeit erfahren. spätstens mit dem letzten December 1851 mag die jetzige
Gestalt des Zollvereins ihr Ende erreichen, denn länger als bis zu diesem Ter¬
min wird sich der gegenwärtige Zolltarif nicht verlängern lassen, und dieser Ter¬
min muß, wenn nicht frühere Entscheidung eintritt, für Leben und Zukunft der
Union maßgebend werden. So haben wir jetzt dringende Veranlassung, die An¬
gelegenheiten des Zollvereins in den Kreis der Besprechungen dieses Blattes zu
ziehn, denn es ist klar, daß die Tarife der neuen Zollconventiön jetzt die sicherste
Grundlage bilden werden, auf welcher sich der neue Staat "Deutschland" zu er¬
bauen hat. Die Kabinette aber müssen erkennen, daß es leichter ist, die geinüth-


Grenzvoten. III. I8S0. 1 .
Die Zollconferenz in Berlin.

Die Partei der deutschen Union findet immer neue Gegner im Kreise der
Kabinetöpolitiker, und ihr Kampf hat bis jetzt noch zu keinem unbedingt glücklichen
Resultat geführt. Sie hat aber auch verbündete Mächte, deren gewichtiges Schwert
bis jetzt noch nicht ans dem Schlachtfeld«: gezogen ist und den Feinden Bedenken
eingeflößt hat. Diese Verbündeten sind die materiellen Interessen der deutschen Völker,
mit Ausnahme des Kaiserstaats, aber nicht mit Ausnahme Hannovers, Hamburgs
und der übrigen Staaten des nordischen Zollsystems. Preußen ist der natürliche
Vertreter der deutschen Agricultur- und Handelsinteressen gegenüber dem Aus¬
lande, durch seine Lage, seine Kraft, seine Politik, durch seine Schöpfung, den
Zollverein. Durch den Zollverein hat Preußen in der That die Schnüre zu den
Geldbeuteln Sachsens, Baierns und Würtembergs in der Hand, und von dem
klugen Gebrauch dieser Macht über das Leben opponirender Staaten wird es
abhängen, ob die Union eine deutsche Wahrheit werden wird. Sehr schnell ist
der Idealismus ans unsern Einheitsbestrebungen geschwunden, die rohsten, egoisti¬
schen Interessen spreizen sich gegenwärtig überall, wo unsere Politik gemacht
wird. So wird jetzt Preußens Aufgabe, dem Egoismus der Kabinette die höch¬
sten Interessen der Staaten gegenüber zu stellen. Die Entwickelung der Union
ist, wie die Dinge jetzt stehn, ans das innigste verknüpft mit der Entwickelung,
welche die Interessen des Ackerbaues, der Industrie und des Handels in der
nächsten Zeit erfahren. spätstens mit dem letzten December 1851 mag die jetzige
Gestalt des Zollvereins ihr Ende erreichen, denn länger als bis zu diesem Ter¬
min wird sich der gegenwärtige Zolltarif nicht verlängern lassen, und dieser Ter¬
min muß, wenn nicht frühere Entscheidung eintritt, für Leben und Zukunft der
Union maßgebend werden. So haben wir jetzt dringende Veranlassung, die An¬
gelegenheiten des Zollvereins in den Kreis der Besprechungen dieses Blattes zu
ziehn, denn es ist klar, daß die Tarife der neuen Zollconventiön jetzt die sicherste
Grundlage bilden werden, auf welcher sich der neue Staat „Deutschland" zu er¬
bauen hat. Die Kabinette aber müssen erkennen, daß es leichter ist, die geinüth-


Grenzvoten. III. I8S0. 1 .
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0009" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85592"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Zollconferenz in Berlin.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_11" next="#ID_12"> Die Partei der deutschen Union findet immer neue Gegner im Kreise der<lb/>
Kabinetöpolitiker, und ihr Kampf hat bis jetzt noch zu keinem unbedingt glücklichen<lb/>
Resultat geführt. Sie hat aber auch verbündete Mächte, deren gewichtiges Schwert<lb/>
bis jetzt noch nicht ans dem Schlachtfeld«: gezogen ist und den Feinden Bedenken<lb/>
eingeflößt hat. Diese Verbündeten sind die materiellen Interessen der deutschen Völker,<lb/>
mit Ausnahme des Kaiserstaats, aber nicht mit Ausnahme Hannovers, Hamburgs<lb/>
und der übrigen Staaten des nordischen Zollsystems. Preußen ist der natürliche<lb/>
Vertreter der deutschen Agricultur- und Handelsinteressen gegenüber dem Aus¬<lb/>
lande, durch seine Lage, seine Kraft, seine Politik, durch seine Schöpfung, den<lb/>
Zollverein. Durch den Zollverein hat Preußen in der That die Schnüre zu den<lb/>
Geldbeuteln Sachsens, Baierns und Würtembergs in der Hand, und von dem<lb/>
klugen Gebrauch dieser Macht über das Leben opponirender Staaten wird es<lb/>
abhängen, ob die Union eine deutsche Wahrheit werden wird. Sehr schnell ist<lb/>
der Idealismus ans unsern Einheitsbestrebungen geschwunden, die rohsten, egoisti¬<lb/>
schen Interessen spreizen sich gegenwärtig überall, wo unsere Politik gemacht<lb/>
wird. So wird jetzt Preußens Aufgabe, dem Egoismus der Kabinette die höch¬<lb/>
sten Interessen der Staaten gegenüber zu stellen. Die Entwickelung der Union<lb/>
ist, wie die Dinge jetzt stehn, ans das innigste verknüpft mit der Entwickelung,<lb/>
welche die Interessen des Ackerbaues, der Industrie und des Handels in der<lb/>
nächsten Zeit erfahren. spätstens mit dem letzten December 1851 mag die jetzige<lb/>
Gestalt des Zollvereins ihr Ende erreichen, denn länger als bis zu diesem Ter¬<lb/>
min wird sich der gegenwärtige Zolltarif nicht verlängern lassen, und dieser Ter¬<lb/>
min muß, wenn nicht frühere Entscheidung eintritt, für Leben und Zukunft der<lb/>
Union maßgebend werden. So haben wir jetzt dringende Veranlassung, die An¬<lb/>
gelegenheiten des Zollvereins in den Kreis der Besprechungen dieses Blattes zu<lb/>
ziehn, denn es ist klar, daß die Tarife der neuen Zollconventiön jetzt die sicherste<lb/>
Grundlage bilden werden, auf welcher sich der neue Staat &#x201E;Deutschland" zu er¬<lb/>
bauen hat. Die Kabinette aber müssen erkennen, daß es leichter ist, die geinüth-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzvoten. III. I8S0. 1 .</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] Die Zollconferenz in Berlin. Die Partei der deutschen Union findet immer neue Gegner im Kreise der Kabinetöpolitiker, und ihr Kampf hat bis jetzt noch zu keinem unbedingt glücklichen Resultat geführt. Sie hat aber auch verbündete Mächte, deren gewichtiges Schwert bis jetzt noch nicht ans dem Schlachtfeld«: gezogen ist und den Feinden Bedenken eingeflößt hat. Diese Verbündeten sind die materiellen Interessen der deutschen Völker, mit Ausnahme des Kaiserstaats, aber nicht mit Ausnahme Hannovers, Hamburgs und der übrigen Staaten des nordischen Zollsystems. Preußen ist der natürliche Vertreter der deutschen Agricultur- und Handelsinteressen gegenüber dem Aus¬ lande, durch seine Lage, seine Kraft, seine Politik, durch seine Schöpfung, den Zollverein. Durch den Zollverein hat Preußen in der That die Schnüre zu den Geldbeuteln Sachsens, Baierns und Würtembergs in der Hand, und von dem klugen Gebrauch dieser Macht über das Leben opponirender Staaten wird es abhängen, ob die Union eine deutsche Wahrheit werden wird. Sehr schnell ist der Idealismus ans unsern Einheitsbestrebungen geschwunden, die rohsten, egoisti¬ schen Interessen spreizen sich gegenwärtig überall, wo unsere Politik gemacht wird. So wird jetzt Preußens Aufgabe, dem Egoismus der Kabinette die höch¬ sten Interessen der Staaten gegenüber zu stellen. Die Entwickelung der Union ist, wie die Dinge jetzt stehn, ans das innigste verknüpft mit der Entwickelung, welche die Interessen des Ackerbaues, der Industrie und des Handels in der nächsten Zeit erfahren. spätstens mit dem letzten December 1851 mag die jetzige Gestalt des Zollvereins ihr Ende erreichen, denn länger als bis zu diesem Ter¬ min wird sich der gegenwärtige Zolltarif nicht verlängern lassen, und dieser Ter¬ min muß, wenn nicht frühere Entscheidung eintritt, für Leben und Zukunft der Union maßgebend werden. So haben wir jetzt dringende Veranlassung, die An¬ gelegenheiten des Zollvereins in den Kreis der Besprechungen dieses Blattes zu ziehn, denn es ist klar, daß die Tarife der neuen Zollconventiön jetzt die sicherste Grundlage bilden werden, auf welcher sich der neue Staat „Deutschland" zu er¬ bauen hat. Die Kabinette aber müssen erkennen, daß es leichter ist, die geinüth- Grenzvoten. III. I8S0. 1 .

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/9
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/9>, abgerufen am 27.07.2024.