Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Won einem sächsischen Patrioten. Bekanntlich bildeten die Burschenschafter den Stamm der nationalen Partei Wir haben weder Recht noch Ursache, uns auf die Vergangenheit zu berufen, Man durchmustere die Abschnitte der deutschen Geschichte, man frage nach Grenzbvte". IV. 1849. I
Won einem sächsischen Patrioten. Bekanntlich bildeten die Burschenschafter den Stamm der nationalen Partei Wir haben weder Recht noch Ursache, uns auf die Vergangenheit zu berufen, Man durchmustere die Abschnitte der deutschen Geschichte, man frage nach Grenzbvte». IV. 1849. I
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0005" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279553"/> </div> <div n="1"> <head> Won einem sächsischen Patrioten.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_2"> Bekanntlich bildeten die Burschenschafter den Stamm der nationalen Partei<lb/> in Deutschland seit der Zeit der Befreiungskriege; sie haben ihr Losungswort:<lb/> „Deutsche Einheit durch Wiederherstellung von Kaiser und Reich" der Meuge ge¬<lb/> nannt, und diese hat es angenommen, als in ihr das Bedürfniß uach einem deut¬<lb/> scheu Staate erwacht war. Jene Burschenschafter waren daher während der letzten<lb/> Bewegung in Deutschland die Führer der nationalen Partei, derjenigen Partei,<lb/> die allein einige Spuren ihrer Wirksamkeit zurückgelassen hat. Allein wir sind dein<lb/> Ziele im Grunde noch so wenig näher gerückt, daß wir geradezu wieder von vorn<lb/> anfangen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3"> Wir haben weder Recht noch Ursache, uns auf die Vergangenheit zu berufen,<lb/> wenn wir den nationalen deutschen Staat schassen wollen. Denn das deutsche Reich<lb/> ist kein Staat gewesen, oder vielmehr, es hat niemals ein deutsches Reich, sondern<lb/> stets nur ein römisches Reich deutscher Nation bestanden. Das Reich<lb/> war nichts Anderes, als ein Pact der Kaiser mit den mächtigsten deutschen Für¬<lb/> sten, welchen diese in demselben Maße zu ihren Gunsten deuteten, als ihre Macht<lb/> wuchs; sie haben die Gelegenheit benutzt, ihn als gebrochen zu erklären, nachdem<lb/> sie ihn bereits unzählige Mal gebrochen, oder vielmehr nachdem sie zu allen Zei¬<lb/> ten nur so viel von ihm gehalten, als sie gemußt. Diese Bedeutung hat „der<lb/> Untergang des Reiches," und schlimm stände es mit unseren Hoffnungen, wenn<lb/> sie nicht die richtige wäre. Denn hätte ein solcher Staat, wie wir ihn wollen,<lb/> in Deutschland bereits bestände» — und sei es immer auch uur in den Grundzügen<lb/> — so bedürfte es, wenn unsere Hoffnungen sich erfüllen sollten, einer Ausnahme<lb/> von der Regel: daß untergegangene Staaten nicht wieder auferstehen, von jener<lb/> Regel, von welchen der bisherige Gang der Weltgeschichte noch keine Ausnahme<lb/> kennt. —</p><lb/> <p xml:id="ID_4" next="#ID_5"> Man durchmustere die Abschnitte der deutschen Geschichte, man frage nach<lb/> dem Staate, nach dem Körper, durch den die Idee der Nation sich darge¬<lb/> stellt. Ost genug ist bereits gesagt morde», daß nicht in Basel, sondern in<lb/> Münster und Osnabrück das Reich untergegangen sei; aber hat es denn während</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbvte». IV. 1849. I</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0005]
Won einem sächsischen Patrioten.
Bekanntlich bildeten die Burschenschafter den Stamm der nationalen Partei
in Deutschland seit der Zeit der Befreiungskriege; sie haben ihr Losungswort:
„Deutsche Einheit durch Wiederherstellung von Kaiser und Reich" der Meuge ge¬
nannt, und diese hat es angenommen, als in ihr das Bedürfniß uach einem deut¬
scheu Staate erwacht war. Jene Burschenschafter waren daher während der letzten
Bewegung in Deutschland die Führer der nationalen Partei, derjenigen Partei,
die allein einige Spuren ihrer Wirksamkeit zurückgelassen hat. Allein wir sind dein
Ziele im Grunde noch so wenig näher gerückt, daß wir geradezu wieder von vorn
anfangen müssen.
Wir haben weder Recht noch Ursache, uns auf die Vergangenheit zu berufen,
wenn wir den nationalen deutschen Staat schassen wollen. Denn das deutsche Reich
ist kein Staat gewesen, oder vielmehr, es hat niemals ein deutsches Reich, sondern
stets nur ein römisches Reich deutscher Nation bestanden. Das Reich
war nichts Anderes, als ein Pact der Kaiser mit den mächtigsten deutschen Für¬
sten, welchen diese in demselben Maße zu ihren Gunsten deuteten, als ihre Macht
wuchs; sie haben die Gelegenheit benutzt, ihn als gebrochen zu erklären, nachdem
sie ihn bereits unzählige Mal gebrochen, oder vielmehr nachdem sie zu allen Zei¬
ten nur so viel von ihm gehalten, als sie gemußt. Diese Bedeutung hat „der
Untergang des Reiches," und schlimm stände es mit unseren Hoffnungen, wenn
sie nicht die richtige wäre. Denn hätte ein solcher Staat, wie wir ihn wollen,
in Deutschland bereits bestände» — und sei es immer auch uur in den Grundzügen
— so bedürfte es, wenn unsere Hoffnungen sich erfüllen sollten, einer Ausnahme
von der Regel: daß untergegangene Staaten nicht wieder auferstehen, von jener
Regel, von welchen der bisherige Gang der Weltgeschichte noch keine Ausnahme
kennt. —
Man durchmustere die Abschnitte der deutschen Geschichte, man frage nach
dem Staate, nach dem Körper, durch den die Idee der Nation sich darge¬
stellt. Ost genug ist bereits gesagt morde», daß nicht in Basel, sondern in
Münster und Osnabrück das Reich untergegangen sei; aber hat es denn während
Grenzbvte». IV. 1849. I
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |