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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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monstrationeu vergeblich schienen, am Schluß des Artikels den Weg der Güte ein,
indem er den berühmten Staatsmann mit den herzlichsten und rührendsten Worten
bat, in sich zu gehen, die Stimme der Humanität zu hören und östreichisch zu
werden. --

Der Styl des Courier ist in der Regel minder excentrisch als der des "Fremden-
blattes," doch wenn er in Affect geräth, was hänfig der Fall ist, trägt er noch
wundervollere Blüthen. Kraftsentenzen wie: "Dieser Hieb gab ihm den letzten
Stoß" sind dem Courier Kleinigkeit, nud nicht selten, wenn er vor irgend einem
Fuhrwesenskorporal wie vor einer Tänzerin huldigend aus die Kniee fällt, stürzt
er sich in jene kindliche Extase, mit der die Bewohner der Vorstadt Landstraße
in ihrer Adresse an Jellachich dafür dankten, daß "Se. Excellenz mit den Sr.
Excellenz allzeit getreuen Kroaten ihre loyale Gemeinde so geschwind belegt haben."

Einem der Mitarbeiter des Courier, Mathias Koch (gewöhnlich Galima-
thias genannt), kann ich ein verhältnismäßig ehrenvolles Zeugniß nicht versagen.
M. Koch, ein Archäolog und Polyhistor, verräth durch seine Physiognomie wie
durch seinen Styl, daß die Gallenblase bei ihm größer als Herz und Magen sein
muß. Aus seinen Kapncinaden sprach nicht Feilheit der Gesinnung, sondern ehr¬
licher Fanatismus, aufrichtiger Wahnsinn. Nachdem er ein ganzes Jahr lang für
Militärherrschaft und Reaction gewüthet, glaubt er ihr jetzt ein Ziel setzen zu
können, und behauptet, was bisher geschehen, sei nothwendig gewesen, mehr je¬
doch wäre Ueberfluß. Jetzt müsse die Regierung Wort halten und den Reichstag
berufen. Er hat diese Ansicht in einer Broschüre ausgesprochen.

Bäuerle's Courier ist das Lieblingsblatt der schwarzgelben Offiziere. Man
kann sich denken, daß ihre Zahl nicht klein ist; die Majorität derselbe" besteht,
merkwürdiger Weise, aus Milchbärten. Noch merkwürdiger dürste sein, daß selbst
Ministerialbeamte es zuweilen nicht verschmähen, in den Spalten des Bäuerle'scheu
Courier sür die gute Sache zu -wirken. Man erkennt diese vornehmen Gäste an
dem krausen Kanzleiflyl und der ausnehmenden Grobheit ihrer Feder.


4> Die Geißel

des Herrn Böhringer, im Sommer 48 gegründet, besaß den Muth, zur Zeit
der Aulaherrschafr Reaction zu predigen; so gar gefährlich war dies Auftreten
uicht, denn Volk und Studenten glühten damals im heitersten Champagncrrausch
und waren in ihrer Siegesstchcrheit zu großmüthig, um sich für den Spott der
Geißel zu rächen. Angrisse auf Privatpersonen kamen nnr am 18. Mai in der
ersten Verzweiflung über die Flucht des Kaisers vor, und da galten sie Herrn
Tuvora und Genossen, welche angeblich die Republik ausgerufen hatten. Außer¬
dem stellte das Volk, auf Giskra's Betreibe,:, zwei aus Metternich's Zeit be¬
rüchtigte "Spitzt," an den Pranger. Darauf beschränkte sich der Terrorismus


monstrationeu vergeblich schienen, am Schluß des Artikels den Weg der Güte ein,
indem er den berühmten Staatsmann mit den herzlichsten und rührendsten Worten
bat, in sich zu gehen, die Stimme der Humanität zu hören und östreichisch zu
werden. —

Der Styl des Courier ist in der Regel minder excentrisch als der des „Fremden-
blattes," doch wenn er in Affect geräth, was hänfig der Fall ist, trägt er noch
wundervollere Blüthen. Kraftsentenzen wie: „Dieser Hieb gab ihm den letzten
Stoß" sind dem Courier Kleinigkeit, nud nicht selten, wenn er vor irgend einem
Fuhrwesenskorporal wie vor einer Tänzerin huldigend aus die Kniee fällt, stürzt
er sich in jene kindliche Extase, mit der die Bewohner der Vorstadt Landstraße
in ihrer Adresse an Jellachich dafür dankten, daß „Se. Excellenz mit den Sr.
Excellenz allzeit getreuen Kroaten ihre loyale Gemeinde so geschwind belegt haben."

Einem der Mitarbeiter des Courier, Mathias Koch (gewöhnlich Galima-
thias genannt), kann ich ein verhältnismäßig ehrenvolles Zeugniß nicht versagen.
M. Koch, ein Archäolog und Polyhistor, verräth durch seine Physiognomie wie
durch seinen Styl, daß die Gallenblase bei ihm größer als Herz und Magen sein
muß. Aus seinen Kapncinaden sprach nicht Feilheit der Gesinnung, sondern ehr¬
licher Fanatismus, aufrichtiger Wahnsinn. Nachdem er ein ganzes Jahr lang für
Militärherrschaft und Reaction gewüthet, glaubt er ihr jetzt ein Ziel setzen zu
können, und behauptet, was bisher geschehen, sei nothwendig gewesen, mehr je¬
doch wäre Ueberfluß. Jetzt müsse die Regierung Wort halten und den Reichstag
berufen. Er hat diese Ansicht in einer Broschüre ausgesprochen.

Bäuerle's Courier ist das Lieblingsblatt der schwarzgelben Offiziere. Man
kann sich denken, daß ihre Zahl nicht klein ist; die Majorität derselbe» besteht,
merkwürdiger Weise, aus Milchbärten. Noch merkwürdiger dürste sein, daß selbst
Ministerialbeamte es zuweilen nicht verschmähen, in den Spalten des Bäuerle'scheu
Courier sür die gute Sache zu -wirken. Man erkennt diese vornehmen Gäste an
dem krausen Kanzleiflyl und der ausnehmenden Grobheit ihrer Feder.


4> Die Geißel

des Herrn Böhringer, im Sommer 48 gegründet, besaß den Muth, zur Zeit
der Aulaherrschafr Reaction zu predigen; so gar gefährlich war dies Auftreten
uicht, denn Volk und Studenten glühten damals im heitersten Champagncrrausch
und waren in ihrer Siegesstchcrheit zu großmüthig, um sich für den Spott der
Geißel zu rächen. Angrisse auf Privatpersonen kamen nnr am 18. Mai in der
ersten Verzweiflung über die Flucht des Kaisers vor, und da galten sie Herrn
Tuvora und Genossen, welche angeblich die Republik ausgerufen hatten. Außer¬
dem stellte das Volk, auf Giskra's Betreibe,:, zwei aus Metternich's Zeit be¬
rüchtigte „Spitzt," an den Pranger. Darauf beschränkte sich der Terrorismus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/472>, abgerufen am 15.01.2025.