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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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eher uns vorschreibt, was für Bücher und Zeitschriften wir im Interesse uuserer
politischen Bildung lesen oder nicht lesen sollen, der uns Stockprügel gibt oder
Nnthenstreiche, der uns einsperrt, freiläßt, begnadigt, verurtheilt, und--belustigt.


2. Heine.

Wir kommen jejzt zu deu Fischweibern der Reaction, mit deren Beschreibung
ich mich uicht befassen würde, wenn sie nicht glücklicher Weise "eben ihrer wider^
lichen, anch eine starke komische Seite hätten. Diese ehrenwerthen Basen und
Gevattern sind: Fremdcnblatt, Geißel, Courier, Zuschauer, Hans Jörgel. Man
hat diese Blätter Milchschwestern der Berliner "Kreuzzeitung" genannt; das ist
eine Berlenmdnng der letzter". Die Kreuzzeitung weiß einen gewissen äußerlichen
Anstand zu bewahren, ist für gebildete Reactionäre geschrieben und kaun in ihrer
Art witzig sein. Die Wiener Galgenblättlcin sind localer als das Berlinerische,
ein specifisch Wienerisches Unkraut; die Möglichkeit ihrer Existenz ist kein Kom¬
pliment für die gepriesene Kaiserstadt, wo die gemüthlichen Augen demokratischer
sowohl wie conservativer Enthusiasten gar keinen Pöbel bemerkt haben wolle";
denn es ist kaum anzunehmen, daß das Lesepublikum dieser Art Publizistik aus
lauter Beamten, Offizieren, Börsenmäklern und Geheimpolizisten bestehe; manche
dieser Journale aber hatten in ihrer Blüthezeit 2 bis !M"0 Abonnenten in Wien
und blos ein Paar Hundert in den Provinzen.

Zur allgemeine" Charakteristik dieser Journale muß ich den merkwürdigen
Unistand erwähnen, daß unser Gouverneur Melden sich im vorigen Winter ver¬
anlaßt sah, mehrere derselben in einem öffentlichen Erlaß wegen ihres gemeinen
Servilismus und ihrer plump reaktionären Tendenzen zu verwarnen und mit
Suspension zu bedrohen!!! Er hob dabei hervor, daß die blutdürstigen Schim¬
pfereien des Couriers und der Geißel geeignet wären, die Gemüther bis zu einem
so hohen Grade zu erbittern, daß ernsthafte Ruhestörungen daraus hervorgehn
müßten. -- Voran steht

Heine, der Redacteur des Fremdcublattes, nicht "der u"gczoge"e Liebling
der Grazien," sondern ein unsauberer Liebling der Geheimpolizei. Er soll ein
Stiefbruder deö Dichters Heinrich Heine sein und hat als Journalist den Pseu¬
donym: Gustav Norden, angenommen. Früher Lieutnant in k. k. östreichischen
Diensten, wurde er vor Jahren "veranlaßt," i" deu N"hasta"d zu trete". J>u
November 1848 erschien er plötzlich in der Uniform eines Kürassierlieutcnauts
auf der Post. Hatte er wieder zum Schwert gegriffen, wollte er die Magyar'U
bekämpfen? Behüte, er stolzirte i" der Uniform nnr zu Zeiten, bei feierlichen
Gelegenheiten oder wenn ihn die Lust dazu anwandelte. Nicht die Magyaren zu
bekämpfen, hatte er den Pallasch umgegürtet und sich mit klirrenden Sporen ge¬
rüstet, sondern um auf die auswärtigen Zeitungen gleich bei ihrer Ankunft im


eher uns vorschreibt, was für Bücher und Zeitschriften wir im Interesse uuserer
politischen Bildung lesen oder nicht lesen sollen, der uns Stockprügel gibt oder
Nnthenstreiche, der uns einsperrt, freiläßt, begnadigt, verurtheilt, und—belustigt.


2. Heine.

Wir kommen jejzt zu deu Fischweibern der Reaction, mit deren Beschreibung
ich mich uicht befassen würde, wenn sie nicht glücklicher Weise »eben ihrer wider^
lichen, anch eine starke komische Seite hätten. Diese ehrenwerthen Basen und
Gevattern sind: Fremdcnblatt, Geißel, Courier, Zuschauer, Hans Jörgel. Man
hat diese Blätter Milchschwestern der Berliner „Kreuzzeitung" genannt; das ist
eine Berlenmdnng der letzter». Die Kreuzzeitung weiß einen gewissen äußerlichen
Anstand zu bewahren, ist für gebildete Reactionäre geschrieben und kaun in ihrer
Art witzig sein. Die Wiener Galgenblättlcin sind localer als das Berlinerische,
ein specifisch Wienerisches Unkraut; die Möglichkeit ihrer Existenz ist kein Kom¬
pliment für die gepriesene Kaiserstadt, wo die gemüthlichen Augen demokratischer
sowohl wie conservativer Enthusiasten gar keinen Pöbel bemerkt haben wolle»;
denn es ist kaum anzunehmen, daß das Lesepublikum dieser Art Publizistik aus
lauter Beamten, Offizieren, Börsenmäklern und Geheimpolizisten bestehe; manche
dieser Journale aber hatten in ihrer Blüthezeit 2 bis !M»0 Abonnenten in Wien
und blos ein Paar Hundert in den Provinzen.

Zur allgemeine» Charakteristik dieser Journale muß ich den merkwürdigen
Unistand erwähnen, daß unser Gouverneur Melden sich im vorigen Winter ver¬
anlaßt sah, mehrere derselben in einem öffentlichen Erlaß wegen ihres gemeinen
Servilismus und ihrer plump reaktionären Tendenzen zu verwarnen und mit
Suspension zu bedrohen!!! Er hob dabei hervor, daß die blutdürstigen Schim¬
pfereien des Couriers und der Geißel geeignet wären, die Gemüther bis zu einem
so hohen Grade zu erbittern, daß ernsthafte Ruhestörungen daraus hervorgehn
müßten. — Voran steht

Heine, der Redacteur des Fremdcublattes, nicht „der u»gczoge»e Liebling
der Grazien," sondern ein unsauberer Liebling der Geheimpolizei. Er soll ein
Stiefbruder deö Dichters Heinrich Heine sein und hat als Journalist den Pseu¬
donym: Gustav Norden, angenommen. Früher Lieutnant in k. k. östreichischen
Diensten, wurde er vor Jahren „veranlaßt," i» deu N»hasta»d zu trete». J>u
November 1848 erschien er plötzlich in der Uniform eines Kürassierlieutcnauts
auf der Post. Hatte er wieder zum Schwert gegriffen, wollte er die Magyar'U
bekämpfen? Behüte, er stolzirte i» der Uniform nnr zu Zeiten, bei feierlichen
Gelegenheiten oder wenn ihn die Lust dazu anwandelte. Nicht die Magyaren zu
bekämpfen, hatte er den Pallasch umgegürtet und sich mit klirrenden Sporen ge¬
rüstet, sondern um auf die auswärtigen Zeitungen gleich bei ihrer Ankunft im


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[0437] eher uns vorschreibt, was für Bücher und Zeitschriften wir im Interesse uuserer politischen Bildung lesen oder nicht lesen sollen, der uns Stockprügel gibt oder Nnthenstreiche, der uns einsperrt, freiläßt, begnadigt, verurtheilt, und—belustigt. 2. Heine. Wir kommen jejzt zu deu Fischweibern der Reaction, mit deren Beschreibung ich mich uicht befassen würde, wenn sie nicht glücklicher Weise »eben ihrer wider^ lichen, anch eine starke komische Seite hätten. Diese ehrenwerthen Basen und Gevattern sind: Fremdcnblatt, Geißel, Courier, Zuschauer, Hans Jörgel. Man hat diese Blätter Milchschwestern der Berliner „Kreuzzeitung" genannt; das ist eine Berlenmdnng der letzter». Die Kreuzzeitung weiß einen gewissen äußerlichen Anstand zu bewahren, ist für gebildete Reactionäre geschrieben und kaun in ihrer Art witzig sein. Die Wiener Galgenblättlcin sind localer als das Berlinerische, ein specifisch Wienerisches Unkraut; die Möglichkeit ihrer Existenz ist kein Kom¬ pliment für die gepriesene Kaiserstadt, wo die gemüthlichen Augen demokratischer sowohl wie conservativer Enthusiasten gar keinen Pöbel bemerkt haben wolle»; denn es ist kaum anzunehmen, daß das Lesepublikum dieser Art Publizistik aus lauter Beamten, Offizieren, Börsenmäklern und Geheimpolizisten bestehe; manche dieser Journale aber hatten in ihrer Blüthezeit 2 bis !M»0 Abonnenten in Wien und blos ein Paar Hundert in den Provinzen. Zur allgemeine» Charakteristik dieser Journale muß ich den merkwürdigen Unistand erwähnen, daß unser Gouverneur Melden sich im vorigen Winter ver¬ anlaßt sah, mehrere derselben in einem öffentlichen Erlaß wegen ihres gemeinen Servilismus und ihrer plump reaktionären Tendenzen zu verwarnen und mit Suspension zu bedrohen!!! Er hob dabei hervor, daß die blutdürstigen Schim¬ pfereien des Couriers und der Geißel geeignet wären, die Gemüther bis zu einem so hohen Grade zu erbittern, daß ernsthafte Ruhestörungen daraus hervorgehn müßten. — Voran steht Heine, der Redacteur des Fremdcublattes, nicht „der u»gczoge»e Liebling der Grazien," sondern ein unsauberer Liebling der Geheimpolizei. Er soll ein Stiefbruder deö Dichters Heinrich Heine sein und hat als Journalist den Pseu¬ donym: Gustav Norden, angenommen. Früher Lieutnant in k. k. östreichischen Diensten, wurde er vor Jahren „veranlaßt," i» deu N»hasta»d zu trete». J>u November 1848 erschien er plötzlich in der Uniform eines Kürassierlieutcnauts auf der Post. Hatte er wieder zum Schwert gegriffen, wollte er die Magyar'U bekämpfen? Behüte, er stolzirte i» der Uniform nnr zu Zeiten, bei feierlichen Gelegenheiten oder wenn ihn die Lust dazu anwandelte. Nicht die Magyaren zu bekämpfen, hatte er den Pallasch umgegürtet und sich mit klirrenden Sporen ge¬ rüstet, sondern um auf die auswärtigen Zeitungen gleich bei ihrer Ankunft im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/437>, abgerufen am 15.01.2025.