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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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kein oder dasselbe Elend noch weiterhin zu ertragen. Er bleibt daher gewöhnlich
bis zu seinen? Tode Soldat und hascht endlich nach dem jämmerlichen Glücke, in
eine derjenigen militärischen Klassen versetzt zu werden, welche zur Bewachung der
Straße", der Städte oder ähnlichen ungefährlichen Zwecken eingerichtet sind. Je¬
des Jahrzehend bringt ihm dann ein gelbes Tressenband um deu rechten Rockärmel,
und das ist die einzige Unterbrechung, die in deu einförmigen hohlen Ton seiner
in einer Bilde an der Straßenecke hingcbrüteten letzten Lebenszeit fällt.

Das Mitgetheilte genügt wohl zu der Ueberzeugung, daß Europa vor Ru߬
lands Hceresniacht nicht zu zittern brauche. Rußland besitzt ein großes Heer, daS
Heer aber keine Seele. Es hat 320,000 Mann ans den Füßen und kann, trifft
es richtige Anordnungen, 200,000 Manu mit 4- bis 500 Kanonen über die
Grenze schicken, aber gegen eine civilisirte Macht hält eine Horde von Wilden auf
die Dauer nicht Stand.




Mecklenburg in seiner jetzigen Entwicklung.



Der 11. October wird immer el" Freudentag in der Geschichte Mecklenburgs
bleiben, denu an ihm erfolgte endlich die langersehnte Publikation unserer neuen
Verfassung. Von der schweren Bürde seiner alten Fcudalzustände, die jede gei¬
stige Entwickelung, jede materielle Verbesserung im Keime zu ersticken drohten, ist
das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin (Strelitz, dies unverbesserliche Nest
der krassesten Aristokratie, die Deutschland besitzt, hat den alten Unrath vorläufig
uoch zurückbehalten müssen) jetzt endlich erlöst. Die jetzige Verfassung ist größ-
tentheils aus deu Vorlagen, die unser Ministerium dem außerordentlichen Land¬
tage vorgelegt hatte, hervorgegangen, läßt zwar die Forderungen der äußersten
Linken, und zum Glück des Landes, größtentheils ganz unberücksichtigt und ist
als Ausdruck des Centrums, und somit deö Kernes der mecklenburgischen Be¬
völkerung anzusehen. Die Verfassung enthielt wesentlich alle Bestimmungen der
Frankfurter Grundrechte, und hat sich sonst die norwegische und belgische zum Mu¬
ster genommen, den Rechten des Volkes, die bisher von unseren Feudalständen
so oft mit Füßen getreten wurden, trägt sie die Rechnung, die ihnen gebührt,
ohne dabei das nothwendige Ansehen der Krone so zu schwächen, daß diese als ein
bloßer Spielball in den Händen einer chrgeitzigen Opposition sich verhöhnen las¬
sen müßte. Unserer, äußersten Linken war zwar diese Verfassung anfänglich gar
nicht genehm, und sie wendete alle Mittel an, dieselbe zu verdächtigen. Als ihr
aber später der Boden unter den Füßen zu wanken begann, und die Reaction,


kein oder dasselbe Elend noch weiterhin zu ertragen. Er bleibt daher gewöhnlich
bis zu seinen? Tode Soldat und hascht endlich nach dem jämmerlichen Glücke, in
eine derjenigen militärischen Klassen versetzt zu werden, welche zur Bewachung der
Straße», der Städte oder ähnlichen ungefährlichen Zwecken eingerichtet sind. Je¬
des Jahrzehend bringt ihm dann ein gelbes Tressenband um deu rechten Rockärmel,
und das ist die einzige Unterbrechung, die in deu einförmigen hohlen Ton seiner
in einer Bilde an der Straßenecke hingcbrüteten letzten Lebenszeit fällt.

Das Mitgetheilte genügt wohl zu der Ueberzeugung, daß Europa vor Ru߬
lands Hceresniacht nicht zu zittern brauche. Rußland besitzt ein großes Heer, daS
Heer aber keine Seele. Es hat 320,000 Mann ans den Füßen und kann, trifft
es richtige Anordnungen, 200,000 Manu mit 4- bis 500 Kanonen über die
Grenze schicken, aber gegen eine civilisirte Macht hält eine Horde von Wilden auf
die Dauer nicht Stand.




Mecklenburg in seiner jetzigen Entwicklung.



Der 11. October wird immer el» Freudentag in der Geschichte Mecklenburgs
bleiben, denu an ihm erfolgte endlich die langersehnte Publikation unserer neuen
Verfassung. Von der schweren Bürde seiner alten Fcudalzustände, die jede gei¬
stige Entwickelung, jede materielle Verbesserung im Keime zu ersticken drohten, ist
das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin (Strelitz, dies unverbesserliche Nest
der krassesten Aristokratie, die Deutschland besitzt, hat den alten Unrath vorläufig
uoch zurückbehalten müssen) jetzt endlich erlöst. Die jetzige Verfassung ist größ-
tentheils aus deu Vorlagen, die unser Ministerium dem außerordentlichen Land¬
tage vorgelegt hatte, hervorgegangen, läßt zwar die Forderungen der äußersten
Linken, und zum Glück des Landes, größtentheils ganz unberücksichtigt und ist
als Ausdruck des Centrums, und somit deö Kernes der mecklenburgischen Be¬
völkerung anzusehen. Die Verfassung enthielt wesentlich alle Bestimmungen der
Frankfurter Grundrechte, und hat sich sonst die norwegische und belgische zum Mu¬
ster genommen, den Rechten des Volkes, die bisher von unseren Feudalständen
so oft mit Füßen getreten wurden, trägt sie die Rechnung, die ihnen gebührt,
ohne dabei das nothwendige Ansehen der Krone so zu schwächen, daß diese als ein
bloßer Spielball in den Händen einer chrgeitzigen Opposition sich verhöhnen las¬
sen müßte. Unserer, äußersten Linken war zwar diese Verfassung anfänglich gar
nicht genehm, und sie wendete alle Mittel an, dieselbe zu verdächtigen. Als ihr
aber später der Boden unter den Füßen zu wanken begann, und die Reaction,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/138>, abgerufen am 15.01.2025.