Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite



II.
Italien.

Durch den Sieg Radetzky's über die Piemontesen bei Custozza (24. Juli 1848),
die Einnahme von Mailand (ö. August) und dem Abschluß des Waffenstillstandes
mit Carl Albert (9. August) war die Wiederherstellung des östreichischen Principals
bedingt; die Einnahme Messina's dnrch die Neapolitaner nach einem zwanzigstün-
digcn Bombardement schien auch im Süden die Restauration einzuleiten. Doch
führte vorläufig die Erschöpfung beider Parteien zu einem Waffenstillstand. Da¬
gegen verbreitete sich die republikanische Gesinnung in Mittelitalien. Die Haupt¬
stütze der päpstlichen Herrschaft, Rossi, fiel unter dem Dolch eines Meuchelmör-
ders (15. November), die Unruhen in Rom veranlaßten Papst Pius IX. zur
Flucht nach Gai'ta (25. November), von wo aus er ein Manifest gegen die Re¬
volution erließ (4. December), nud das Volk erklärte die weltliche Herrschaft des
Papstes für aufgehoben (I I. December). In den verwirrten und unsichern Zu¬
ständen, wo die Masse (im Liren!" ^"it-n-t!) ohne eigentliches Regiment waltete,
suchte ein kühner, noch junger Abenteurer, Garibaldi, die Dictatur an sich zu
reißen, bis endlich (20. December) in der Form eiuer Giunta eine definitive Re¬
gierung eingesetzt wurde. Der Papst forderte in einer Cncyclica (26. December)
die katholischen Mächte zur Intervention ans und schleuderte (l. Januar 184!>)
gegen die Insurgenten den Bannfluch.

In Folge dessen suchte die spanische Regierung Sardinien zur gemeinschaft¬
lichen Intervention zu bestimmen. Das Ministerium Gioberti, das seit dem
15. December die Geschäfte leitete, ertheilte eine ablehnende Antwort (0. Januar).
Immer deutlicher stellte es sich heraus, daß der Krieg von Neuem vorbereitet wurde.
Die Lombarden waren durch die allgemeine Versicherung des Civilcvmmissarius
Moutecucnli (3. Januar), sie sollten in einem Provinziallcmdtag innerhalb der
constitutionellen östreichischen Monarchie gleichfalls vertreten werden, keineswegs
befriedigt. Die Venetianer behaupteten ihr Gebiet noch immer unverletzt; die


Grenzboten. ni. 1349. 1 1



II.
Italien.

Durch den Sieg Radetzky's über die Piemontesen bei Custozza (24. Juli 1848),
die Einnahme von Mailand (ö. August) und dem Abschluß des Waffenstillstandes
mit Carl Albert (9. August) war die Wiederherstellung des östreichischen Principals
bedingt; die Einnahme Messina's dnrch die Neapolitaner nach einem zwanzigstün-
digcn Bombardement schien auch im Süden die Restauration einzuleiten. Doch
führte vorläufig die Erschöpfung beider Parteien zu einem Waffenstillstand. Da¬
gegen verbreitete sich die republikanische Gesinnung in Mittelitalien. Die Haupt¬
stütze der päpstlichen Herrschaft, Rossi, fiel unter dem Dolch eines Meuchelmör-
ders (15. November), die Unruhen in Rom veranlaßten Papst Pius IX. zur
Flucht nach Gai'ta (25. November), von wo aus er ein Manifest gegen die Re¬
volution erließ (4. December), nud das Volk erklärte die weltliche Herrschaft des
Papstes für aufgehoben (I I. December). In den verwirrten und unsichern Zu¬
ständen, wo die Masse (im Liren!» ^»it-n-t!) ohne eigentliches Regiment waltete,
suchte ein kühner, noch junger Abenteurer, Garibaldi, die Dictatur an sich zu
reißen, bis endlich (20. December) in der Form eiuer Giunta eine definitive Re¬
gierung eingesetzt wurde. Der Papst forderte in einer Cncyclica (26. December)
die katholischen Mächte zur Intervention ans und schleuderte (l. Januar 184!>)
gegen die Insurgenten den Bannfluch.

In Folge dessen suchte die spanische Regierung Sardinien zur gemeinschaft¬
lichen Intervention zu bestimmen. Das Ministerium Gioberti, das seit dem
15. December die Geschäfte leitete, ertheilte eine ablehnende Antwort (0. Januar).
Immer deutlicher stellte es sich heraus, daß der Krieg von Neuem vorbereitet wurde.
Die Lombarden waren durch die allgemeine Versicherung des Civilcvmmissarius
Moutecucnli (3. Januar), sie sollten in einem Provinziallcmdtag innerhalb der
constitutionellen östreichischen Monarchie gleichfalls vertreten werden, keineswegs
befriedigt. Die Venetianer behaupteten ihr Gebiet noch immer unverletzt; die


Grenzboten. ni. 1349. 1 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279115"/>
            <table facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341563_279025/figures/grenzboten_341563_279025_279115_000.jpg">
              <row>
                <cell> Rückblick auf die politischen Greigniffe des Jahres<lb/>
äimus coukusionig.</cell>
              </row>
            </table><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> II.<lb/>
Italien.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_275"> Durch den Sieg Radetzky's über die Piemontesen bei Custozza (24. Juli 1848),<lb/>
die Einnahme von Mailand (ö. August) und dem Abschluß des Waffenstillstandes<lb/>
mit Carl Albert (9. August) war die Wiederherstellung des östreichischen Principals<lb/>
bedingt; die Einnahme Messina's dnrch die Neapolitaner nach einem zwanzigstün-<lb/>
digcn Bombardement schien auch im Süden die Restauration einzuleiten. Doch<lb/>
führte vorläufig die Erschöpfung beider Parteien zu einem Waffenstillstand. Da¬<lb/>
gegen verbreitete sich die republikanische Gesinnung in Mittelitalien. Die Haupt¬<lb/>
stütze der päpstlichen Herrschaft, Rossi, fiel unter dem Dolch eines Meuchelmör-<lb/>
ders (15. November), die Unruhen in Rom veranlaßten Papst Pius IX. zur<lb/>
Flucht nach Gai'ta (25. November), von wo aus er ein Manifest gegen die Re¬<lb/>
volution erließ (4. December), nud das Volk erklärte die weltliche Herrschaft des<lb/>
Papstes für aufgehoben (I I. December). In den verwirrten und unsichern Zu¬<lb/>
ständen, wo die Masse (im Liren!» ^»it-n-t!) ohne eigentliches Regiment waltete,<lb/>
suchte ein kühner, noch junger Abenteurer, Garibaldi, die Dictatur an sich zu<lb/>
reißen, bis endlich (20. December) in der Form eiuer Giunta eine definitive Re¬<lb/>
gierung eingesetzt wurde. Der Papst forderte in einer Cncyclica (26. December)<lb/>
die katholischen Mächte zur Intervention ans und schleuderte (l. Januar 184!&gt;)<lb/>
gegen die Insurgenten den Bannfluch.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_276" next="#ID_277"> In Folge dessen suchte die spanische Regierung Sardinien zur gemeinschaft¬<lb/>
lichen Intervention zu bestimmen. Das Ministerium Gioberti, das seit dem<lb/>
15. December die Geschäfte leitete, ertheilte eine ablehnende Antwort (0. Januar).<lb/>
Immer deutlicher stellte es sich heraus, daß der Krieg von Neuem vorbereitet wurde.<lb/>
Die Lombarden waren durch die allgemeine Versicherung des Civilcvmmissarius<lb/>
Moutecucnli (3. Januar), sie sollten in einem Provinziallcmdtag innerhalb der<lb/>
constitutionellen östreichischen Monarchie gleichfalls vertreten werden, keineswegs<lb/>
befriedigt. Die Venetianer behaupteten ihr Gebiet noch immer unverletzt; die</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. ni. 1349. 1 1</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Rückblick auf die politischen Greigniffe des Jahres äimus coukusionig. II. Italien. Durch den Sieg Radetzky's über die Piemontesen bei Custozza (24. Juli 1848), die Einnahme von Mailand (ö. August) und dem Abschluß des Waffenstillstandes mit Carl Albert (9. August) war die Wiederherstellung des östreichischen Principals bedingt; die Einnahme Messina's dnrch die Neapolitaner nach einem zwanzigstün- digcn Bombardement schien auch im Süden die Restauration einzuleiten. Doch führte vorläufig die Erschöpfung beider Parteien zu einem Waffenstillstand. Da¬ gegen verbreitete sich die republikanische Gesinnung in Mittelitalien. Die Haupt¬ stütze der päpstlichen Herrschaft, Rossi, fiel unter dem Dolch eines Meuchelmör- ders (15. November), die Unruhen in Rom veranlaßten Papst Pius IX. zur Flucht nach Gai'ta (25. November), von wo aus er ein Manifest gegen die Re¬ volution erließ (4. December), nud das Volk erklärte die weltliche Herrschaft des Papstes für aufgehoben (I I. December). In den verwirrten und unsichern Zu¬ ständen, wo die Masse (im Liren!» ^»it-n-t!) ohne eigentliches Regiment waltete, suchte ein kühner, noch junger Abenteurer, Garibaldi, die Dictatur an sich zu reißen, bis endlich (20. December) in der Form eiuer Giunta eine definitive Re¬ gierung eingesetzt wurde. Der Papst forderte in einer Cncyclica (26. December) die katholischen Mächte zur Intervention ans und schleuderte (l. Januar 184!>) gegen die Insurgenten den Bannfluch. In Folge dessen suchte die spanische Regierung Sardinien zur gemeinschaft¬ lichen Intervention zu bestimmen. Das Ministerium Gioberti, das seit dem 15. December die Geschäfte leitete, ertheilte eine ablehnende Antwort (0. Januar). Immer deutlicher stellte es sich heraus, daß der Krieg von Neuem vorbereitet wurde. Die Lombarden waren durch die allgemeine Versicherung des Civilcvmmissarius Moutecucnli (3. Januar), sie sollten in einem Provinziallcmdtag innerhalb der constitutionellen östreichischen Monarchie gleichfalls vertreten werden, keineswegs befriedigt. Die Venetianer behaupteten ihr Gebiet noch immer unverletzt; die Grenzboten. ni. 1349. 1 1

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/89>, abgerufen am 05.02.2025.