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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Die römische Republik und die französische Diplomatie.



Als die östreichische Armee die piemontesischen Grenzen besetzte, forderte die .
französische Nationalversammlung das Ministerium auf, eine entschiedene Haltung
anzunehmen, und ertheilte ihm die Vollmacht, im französischen Interesse einen
Punkt in Italien militärisch zu besetzen. Einige Tage nach diesem Votum, auf
die Nachricht von der Schlacht von Novara, forderte der Conseilspräsident,
Odillon Barrot, von der Versammlung einen Credit von 1,200,000 Fr. für
die dreimonatliche Unterhaltung einer Expedition im mittelländischen Meer (to.
April). Er begründete diese Forderung durch folgende Gesichtspunkte.

"Oestreich verfolgt seinen Sieg; es könnte denselben auch über diejenigen
Staaten ausdehnen, welche in näherem oder entfernteren Verhältniß zu Sardinien
gestanden haben. Frankreich kann dabei nicht gleichgiltig bleiben. Die Sorge,
unsern Einfluß in Italien zu erhalten, der Wunsch, dem römischen Volk eine
gute, auf liberale Einrichtungen gegründete Regierung zu sichern, macht es uns
zur Pflicht, die uns von der Nationalversammlung ertheilte Vollmacht in Anwen-
dung zu bringen. Wir können im Voraus versichern, daß ans dieser Interven¬
tion wirksame Garantien für die Interessen unseres Staats und für die Sache der
wahren Freiheit hervorgehn werden."

"Es ergibt sich aus diesen Erklärungen des Ministeriums, sagte der Bericht¬
erstatter der Commission, daß es nicht in seiner Absicht liegt, Frankreich zum
Sturz der Republik, die factisch in Rom besteht, mitwirken zu lassen; daß es
frei handelt, ohne alle Solidarität mit den übrigen Mächten, nur in Rück¬
sicht ans unsere Interessen, unsere Ehre, und den Einfluß, der uns nothwendig
in jeder großen .europäischen Frage zukommt. Aus einer Revolution hervorge¬
gangen, darf die'französische Republik, ohne sich selbst zu verleugnen, nicht mit¬
wirken zur Unterdrückung einer unabhängigen Nation. Gerade um die Gefahr
einer Reaction in Italien zu vermeiden, muß Frankreich daselbst sein Banner
wehen lassen, damit unter seinem Schatten die Humanität geachtet und die Frei¬
heit wenigstens theilweise gerettet werde. Indem also die Nationalversammlung
die Negierung bevollmächtigt, einen Punkt in Italien zu besetzen, verbindet sie
damit die Verpflichtung, den Anmaßungen Oestreichs eine Grenze zu setzen und
durch einen Schiedsspruch, den nöthigenfalls die Gewalt unserer Waffen unter¬
stützen mag, alle Differenzen zu schlichten, auf die günstigste Weise, wie sie für
die Entwicklung demokratischer Einrichtungen möglich ist."

Der Cvnseilspräsidcnt erklärte seine freudige Zustimmung zu diesen Ansichten,
die durchaus die seinigen wären. Der Credit wurde bewilligt und die Expedition


Die römische Republik und die französische Diplomatie.



Als die östreichische Armee die piemontesischen Grenzen besetzte, forderte die .
französische Nationalversammlung das Ministerium auf, eine entschiedene Haltung
anzunehmen, und ertheilte ihm die Vollmacht, im französischen Interesse einen
Punkt in Italien militärisch zu besetzen. Einige Tage nach diesem Votum, auf
die Nachricht von der Schlacht von Novara, forderte der Conseilspräsident,
Odillon Barrot, von der Versammlung einen Credit von 1,200,000 Fr. für
die dreimonatliche Unterhaltung einer Expedition im mittelländischen Meer (to.
April). Er begründete diese Forderung durch folgende Gesichtspunkte.

„Oestreich verfolgt seinen Sieg; es könnte denselben auch über diejenigen
Staaten ausdehnen, welche in näherem oder entfernteren Verhältniß zu Sardinien
gestanden haben. Frankreich kann dabei nicht gleichgiltig bleiben. Die Sorge,
unsern Einfluß in Italien zu erhalten, der Wunsch, dem römischen Volk eine
gute, auf liberale Einrichtungen gegründete Regierung zu sichern, macht es uns
zur Pflicht, die uns von der Nationalversammlung ertheilte Vollmacht in Anwen-
dung zu bringen. Wir können im Voraus versichern, daß ans dieser Interven¬
tion wirksame Garantien für die Interessen unseres Staats und für die Sache der
wahren Freiheit hervorgehn werden."

„Es ergibt sich aus diesen Erklärungen des Ministeriums, sagte der Bericht¬
erstatter der Commission, daß es nicht in seiner Absicht liegt, Frankreich zum
Sturz der Republik, die factisch in Rom besteht, mitwirken zu lassen; daß es
frei handelt, ohne alle Solidarität mit den übrigen Mächten, nur in Rück¬
sicht ans unsere Interessen, unsere Ehre, und den Einfluß, der uns nothwendig
in jeder großen .europäischen Frage zukommt. Aus einer Revolution hervorge¬
gangen, darf die'französische Republik, ohne sich selbst zu verleugnen, nicht mit¬
wirken zur Unterdrückung einer unabhängigen Nation. Gerade um die Gefahr
einer Reaction in Italien zu vermeiden, muß Frankreich daselbst sein Banner
wehen lassen, damit unter seinem Schatten die Humanität geachtet und die Frei¬
heit wenigstens theilweise gerettet werde. Indem also die Nationalversammlung
die Negierung bevollmächtigt, einen Punkt in Italien zu besetzen, verbindet sie
damit die Verpflichtung, den Anmaßungen Oestreichs eine Grenze zu setzen und
durch einen Schiedsspruch, den nöthigenfalls die Gewalt unserer Waffen unter¬
stützen mag, alle Differenzen zu schlichten, auf die günstigste Weise, wie sie für
die Entwicklung demokratischer Einrichtungen möglich ist."

Der Cvnseilspräsidcnt erklärte seine freudige Zustimmung zu diesen Ansichten,
die durchaus die seinigen wären. Der Credit wurde bewilligt und die Expedition


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[0338] Die römische Republik und die französische Diplomatie. Als die östreichische Armee die piemontesischen Grenzen besetzte, forderte die . französische Nationalversammlung das Ministerium auf, eine entschiedene Haltung anzunehmen, und ertheilte ihm die Vollmacht, im französischen Interesse einen Punkt in Italien militärisch zu besetzen. Einige Tage nach diesem Votum, auf die Nachricht von der Schlacht von Novara, forderte der Conseilspräsident, Odillon Barrot, von der Versammlung einen Credit von 1,200,000 Fr. für die dreimonatliche Unterhaltung einer Expedition im mittelländischen Meer (to. April). Er begründete diese Forderung durch folgende Gesichtspunkte. „Oestreich verfolgt seinen Sieg; es könnte denselben auch über diejenigen Staaten ausdehnen, welche in näherem oder entfernteren Verhältniß zu Sardinien gestanden haben. Frankreich kann dabei nicht gleichgiltig bleiben. Die Sorge, unsern Einfluß in Italien zu erhalten, der Wunsch, dem römischen Volk eine gute, auf liberale Einrichtungen gegründete Regierung zu sichern, macht es uns zur Pflicht, die uns von der Nationalversammlung ertheilte Vollmacht in Anwen- dung zu bringen. Wir können im Voraus versichern, daß ans dieser Interven¬ tion wirksame Garantien für die Interessen unseres Staats und für die Sache der wahren Freiheit hervorgehn werden." „Es ergibt sich aus diesen Erklärungen des Ministeriums, sagte der Bericht¬ erstatter der Commission, daß es nicht in seiner Absicht liegt, Frankreich zum Sturz der Republik, die factisch in Rom besteht, mitwirken zu lassen; daß es frei handelt, ohne alle Solidarität mit den übrigen Mächten, nur in Rück¬ sicht ans unsere Interessen, unsere Ehre, und den Einfluß, der uns nothwendig in jeder großen .europäischen Frage zukommt. Aus einer Revolution hervorge¬ gangen, darf die'französische Republik, ohne sich selbst zu verleugnen, nicht mit¬ wirken zur Unterdrückung einer unabhängigen Nation. Gerade um die Gefahr einer Reaction in Italien zu vermeiden, muß Frankreich daselbst sein Banner wehen lassen, damit unter seinem Schatten die Humanität geachtet und die Frei¬ heit wenigstens theilweise gerettet werde. Indem also die Nationalversammlung die Negierung bevollmächtigt, einen Punkt in Italien zu besetzen, verbindet sie damit die Verpflichtung, den Anmaßungen Oestreichs eine Grenze zu setzen und durch einen Schiedsspruch, den nöthigenfalls die Gewalt unserer Waffen unter¬ stützen mag, alle Differenzen zu schlichten, auf die günstigste Weise, wie sie für die Entwicklung demokratischer Einrichtungen möglich ist." Der Cvnseilspräsidcnt erklärte seine freudige Zustimmung zu diesen Ansichten, die durchaus die seinigen wären. Der Credit wurde bewilligt und die Expedition

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/338>, abgerufen am 05.02.2025.