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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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im gibt er der Brandung zurück. Und wenn alle Preußen über Nacht weise wür¬
den wie Hafis selbst, der Eine, Große, Unentschiedene in Sanssouci wird die
große Reichsnarrenjacke bis an's Ende seines Lebens nicht ablegen, und Hases
wird in der Nähe dieser humoristischen Salzquelle nicht verschmachte" dürfen.

Fast wie in Wien -- uns verursacht der Humor schon Blähungen. Die Re¬
gierung füttert uns damit u civve/. Früher die SicgeSbulletins, später die ver¬
schiedenen Kundmachungen über Standrecht, Kriegsrecht, Toilette, Anstand. Man
muß an jeder Straßenecke Humor lassen. Und dann -- Sie kennen doch so ziemlich
unsern Wirkungskreis. Das Schreiben ist ewig Nebensache, wir handeln Thaten.
Vormittags arbeiten wir im Bureau des europäischen Vereins "zur Verführung
k. k. Unteroffiziere," da gibt's genug Spaß, denn wir haben die höchsten Damen
zu Vereinsmitgliedern, dann correspondiren wir mit dem Mutterkind "zur Vertil¬
gung aller Fürsten," dann empfangen wir Gesandte von den demokratischen Cravallen
in Breslau, Elberfeld, Düsseldorf, Leipzig und Sachsenhauser, dann verfertigen
wir Knallsilber, um Eisenbahnen in die Lust zu sprengen und Deutschland um
1000 Grad über seine eigene Fläche zu erheben, endlich leiten wir die polnisch¬
magyarisch-anarchisch-sozialistische Umsturzcrhebung in Magyaren und übersetzen
die französischen sozialistischen Broschüren für die ungarischen Schweinehirten. Ach
Gott! gibt's da Spaß und Arbeit. -- Und wenn uns alles das nicht aufrichten
könnte, gibt uns nicht der Lloyd früh und Abend einen halben Bogen Possen zum
Besten? Marquis, wie konnten Sie den Lloyd vergesse"?

Nur Eines hat uns bisher gefehlt, um den Duft unsrer demokratischen Philo¬
sophie in mystischer Wolkengestaltung zu Allah emporsteigen zu lasse" -- guier
türkischer Tabak. Aber auch-dafür ist gesorgt. Durch unsre sichern Verbindungen
haben wir Bem nach Siebenbürgen die Noth seiner hiesigen Verbündeten wisse"
lassen, und gestern erhielten wir in einer hölzernen Kanone, die wie ein roher
Baumstamm aussteht, die wunderbarsten Tabaksblättcr, die je von türkischen Pro¬
letariern gepflanzt wurden. Aus jedem Stengel erblüht uns el" Galgen, wenn
wir von der Polizei ausgewittert werden. Sie sind zu allen unsern Genüssen
freundlich eingeladen, wenn Sie die Langeweile in Leipzig überkommt.


Einer von den Wienern.


Der Belagerungszustand in Prag.

Wenn ich letzthin versprach, Ihnen über die r.tela siillicic-us unseres Belage¬
rungszustandes ausführlich zu schreibe", so habe ich Unrecht daran gethan und
Ihre Erwartungen ungebührlich hoch gespannt. Die cake katholische Ueberzeugung,
die ich von der Unergrüttdlichkcit der Rathschlüsse der östreichischen Negierung und
von der Unerfvrschlichkcit ihrer Wege erlangt habe, erlaubt es mir nicht weiter,
über hohe und allerhöchste Maßregeln zu grübeln. Der Mangel des östreichische"


im gibt er der Brandung zurück. Und wenn alle Preußen über Nacht weise wür¬
den wie Hafis selbst, der Eine, Große, Unentschiedene in Sanssouci wird die
große Reichsnarrenjacke bis an's Ende seines Lebens nicht ablegen, und Hases
wird in der Nähe dieser humoristischen Salzquelle nicht verschmachte» dürfen.

Fast wie in Wien — uns verursacht der Humor schon Blähungen. Die Re¬
gierung füttert uns damit u civve/. Früher die SicgeSbulletins, später die ver¬
schiedenen Kundmachungen über Standrecht, Kriegsrecht, Toilette, Anstand. Man
muß an jeder Straßenecke Humor lassen. Und dann — Sie kennen doch so ziemlich
unsern Wirkungskreis. Das Schreiben ist ewig Nebensache, wir handeln Thaten.
Vormittags arbeiten wir im Bureau des europäischen Vereins „zur Verführung
k. k. Unteroffiziere," da gibt's genug Spaß, denn wir haben die höchsten Damen
zu Vereinsmitgliedern, dann correspondiren wir mit dem Mutterkind „zur Vertil¬
gung aller Fürsten," dann empfangen wir Gesandte von den demokratischen Cravallen
in Breslau, Elberfeld, Düsseldorf, Leipzig und Sachsenhauser, dann verfertigen
wir Knallsilber, um Eisenbahnen in die Lust zu sprengen und Deutschland um
1000 Grad über seine eigene Fläche zu erheben, endlich leiten wir die polnisch¬
magyarisch-anarchisch-sozialistische Umsturzcrhebung in Magyaren und übersetzen
die französischen sozialistischen Broschüren für die ungarischen Schweinehirten. Ach
Gott! gibt's da Spaß und Arbeit. — Und wenn uns alles das nicht aufrichten
könnte, gibt uns nicht der Lloyd früh und Abend einen halben Bogen Possen zum
Besten? Marquis, wie konnten Sie den Lloyd vergesse»?

Nur Eines hat uns bisher gefehlt, um den Duft unsrer demokratischen Philo¬
sophie in mystischer Wolkengestaltung zu Allah emporsteigen zu lasse» — guier
türkischer Tabak. Aber auch-dafür ist gesorgt. Durch unsre sichern Verbindungen
haben wir Bem nach Siebenbürgen die Noth seiner hiesigen Verbündeten wisse»
lassen, und gestern erhielten wir in einer hölzernen Kanone, die wie ein roher
Baumstamm aussteht, die wunderbarsten Tabaksblättcr, die je von türkischen Pro¬
letariern gepflanzt wurden. Aus jedem Stengel erblüht uns el» Galgen, wenn
wir von der Polizei ausgewittert werden. Sie sind zu allen unsern Genüssen
freundlich eingeladen, wenn Sie die Langeweile in Leipzig überkommt.


Einer von den Wienern.


Der Belagerungszustand in Prag.

Wenn ich letzthin versprach, Ihnen über die r.tela siillicic-us unseres Belage¬
rungszustandes ausführlich zu schreibe», so habe ich Unrecht daran gethan und
Ihre Erwartungen ungebührlich hoch gespannt. Die cake katholische Ueberzeugung,
die ich von der Unergrüttdlichkcit der Rathschlüsse der östreichischen Negierung und
von der Unerfvrschlichkcit ihrer Wege erlangt habe, erlaubt es mir nicht weiter,
über hohe und allerhöchste Maßregeln zu grübeln. Der Mangel des östreichische»


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[0461] im gibt er der Brandung zurück. Und wenn alle Preußen über Nacht weise wür¬ den wie Hafis selbst, der Eine, Große, Unentschiedene in Sanssouci wird die große Reichsnarrenjacke bis an's Ende seines Lebens nicht ablegen, und Hases wird in der Nähe dieser humoristischen Salzquelle nicht verschmachte» dürfen. Fast wie in Wien — uns verursacht der Humor schon Blähungen. Die Re¬ gierung füttert uns damit u civve/. Früher die SicgeSbulletins, später die ver¬ schiedenen Kundmachungen über Standrecht, Kriegsrecht, Toilette, Anstand. Man muß an jeder Straßenecke Humor lassen. Und dann — Sie kennen doch so ziemlich unsern Wirkungskreis. Das Schreiben ist ewig Nebensache, wir handeln Thaten. Vormittags arbeiten wir im Bureau des europäischen Vereins „zur Verführung k. k. Unteroffiziere," da gibt's genug Spaß, denn wir haben die höchsten Damen zu Vereinsmitgliedern, dann correspondiren wir mit dem Mutterkind „zur Vertil¬ gung aller Fürsten," dann empfangen wir Gesandte von den demokratischen Cravallen in Breslau, Elberfeld, Düsseldorf, Leipzig und Sachsenhauser, dann verfertigen wir Knallsilber, um Eisenbahnen in die Lust zu sprengen und Deutschland um 1000 Grad über seine eigene Fläche zu erheben, endlich leiten wir die polnisch¬ magyarisch-anarchisch-sozialistische Umsturzcrhebung in Magyaren und übersetzen die französischen sozialistischen Broschüren für die ungarischen Schweinehirten. Ach Gott! gibt's da Spaß und Arbeit. — Und wenn uns alles das nicht aufrichten könnte, gibt uns nicht der Lloyd früh und Abend einen halben Bogen Possen zum Besten? Marquis, wie konnten Sie den Lloyd vergesse»? Nur Eines hat uns bisher gefehlt, um den Duft unsrer demokratischen Philo¬ sophie in mystischer Wolkengestaltung zu Allah emporsteigen zu lasse» — guier türkischer Tabak. Aber auch-dafür ist gesorgt. Durch unsre sichern Verbindungen haben wir Bem nach Siebenbürgen die Noth seiner hiesigen Verbündeten wisse» lassen, und gestern erhielten wir in einer hölzernen Kanone, die wie ein roher Baumstamm aussteht, die wunderbarsten Tabaksblättcr, die je von türkischen Pro¬ letariern gepflanzt wurden. Aus jedem Stengel erblüht uns el» Galgen, wenn wir von der Polizei ausgewittert werden. Sie sind zu allen unsern Genüssen freundlich eingeladen, wenn Sie die Langeweile in Leipzig überkommt. Einer von den Wienern. Der Belagerungszustand in Prag. Wenn ich letzthin versprach, Ihnen über die r.tela siillicic-us unseres Belage¬ rungszustandes ausführlich zu schreibe», so habe ich Unrecht daran gethan und Ihre Erwartungen ungebührlich hoch gespannt. Die cake katholische Ueberzeugung, die ich von der Unergrüttdlichkcit der Rathschlüsse der östreichischen Negierung und von der Unerfvrschlichkcit ihrer Wege erlangt habe, erlaubt es mir nicht weiter, über hohe und allerhöchste Maßregeln zu grübeln. Der Mangel des östreichische»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/461>, abgerufen am 15.01.2025.