Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Der rttssisch-ungarische Krieg. Als Fürst Windischgrätz im März d. I. die Ungarn über Pesth-Ofen hin- Wir wollen über das Factum selbst uicht weiter sprechen. Die 150,000 Rus¬ Der rttssisch-ungarische Krieg. Als Fürst Windischgrätz im März d. I. die Ungarn über Pesth-Ofen hin- Wir wollen über das Factum selbst uicht weiter sprechen. Die 150,000 Rus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278808"/> </div> <div n="1"> <head> Der rttssisch-ungarische Krieg.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_918"> Als Fürst Windischgrätz im März d. I. die Ungarn über Pesth-Ofen hin-<lb/> weggedrängt hatte und die durchlauchtigen Lügen seiner pomphaften SiegeSbulletius<lb/> uns glauben machten, der Feldzug sei bald beendet und die Jutregität des Ge-<lb/> sammtstaates gesichert, da sprachen wir die Zweifel aus, ob der vielgerühmte Be-<lb/> lagcrungsheld auch die Pacistcatiou der wiedereroberten Landestheile zu vollführen<lb/> im Staude sein werde und ob überhaupt die jetzigen Gewalthaber Oestreichs eine<lb/> nationale Politik des freien Kaiscrstaats verfolgen würden? Wir mißtrauten dem<lb/> Organisationstalent des kaiserlichen Cabinets, dem Uebermuth und den aristokrati¬<lb/> schen Neigungen des unumschränkten Bevollmächtigten. Unsere Zweifel waren mehr<lb/> als gerecht! Fürst Windischgrätz hatte sich Mu seinen magyarischen Freunden in<lb/> Schlaf tuller lassen, indessen brachen die „Nebellenhaufcn", welche bisher von der<lb/> tapfern kaiserlichen Armee wie Spreu hinweggefegt schienen, aus den Theißsümpfen<lb/> hervor und jagten die hochgräflichen k. k. Generäle bei allen Grenzen zum Lande<lb/> hinaus. Der gefeierte Held von Prag und Wien wurde abgedankt und das öst¬<lb/> reichische Cabinet suchte die Schmach des Verlornen Feldzugs nicht durch völlige<lb/> Entfernung des Feldmarschalls, durch einen begeisternden Aufruf an die treuen<lb/> Völker Oestreichs, durch energische Entwickelung frischer Streitkräfte zu tilgen —<lb/> nein, das kaiserliche Cabinet sank zitternd zu Boden und flehte den großen Czaar<lb/> im fernen Osten um seine Huld und Hilfe an! Dieses Faktum an und für sich<lb/> zeugt, wie sehr die Herrn Schwarzenberg-Stadion - Bach ihren eigenen Kräften<lb/> mißtrauen, daß ihnen der Bestand eines einigen und starken Oestreichs nicht als<lb/> „ein europäisches Bedürfniß", sondern als ein Siuckur der Habsburger und deren<lb/> Anhänger und Minister erscheine, daß sie kein Gefühl für die Ehre der von ihnen<lb/> vertretenen „Großmacht", noch weniger für die Freiheit der östreichischen Völker<lb/> kennen. Wir „sentimentalen Politiker", wie uns der ministerielle Llyod zum Un¬<lb/> terschiede von den gewöhnlichen „Wühlern" nennt, sind der entschiedenen Mei¬<lb/> nung, daß ein Volk, das sich nicht durch seine eigene Lebenskraft gegen einen An¬<lb/> griff von Innen zu halten im Stande ist, keine selbstständige Stellung verdient;<lb/> eine Regierung aber, welche, bevor sie uoch die Begeisterung und materielle Macht<lb/> ihrer Nation in den Kampf gerufen hat, schon an ihrer eigeuen Kraft verzweifelt<lb/> und ihre Existenz von der Gnade einer fremden Macht abhängig macht, eine solche<lb/> Negierung gibt sich und die von ihr vertretene Nation der allgemeinen Verach¬<lb/> tung und — der Gewalt des Stärkern preis.</p><lb/> <p xml:id="ID_919" next="#ID_920"> Wir wollen über das Factum selbst uicht weiter sprechen. Die 150,000 Rus¬<lb/> sen, welche bereits die östreichischen Grenzen überschritten haben, werden wahrlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0298]
Der rttssisch-ungarische Krieg.
Als Fürst Windischgrätz im März d. I. die Ungarn über Pesth-Ofen hin-
weggedrängt hatte und die durchlauchtigen Lügen seiner pomphaften SiegeSbulletius
uns glauben machten, der Feldzug sei bald beendet und die Jutregität des Ge-
sammtstaates gesichert, da sprachen wir die Zweifel aus, ob der vielgerühmte Be-
lagcrungsheld auch die Pacistcatiou der wiedereroberten Landestheile zu vollführen
im Staude sein werde und ob überhaupt die jetzigen Gewalthaber Oestreichs eine
nationale Politik des freien Kaiscrstaats verfolgen würden? Wir mißtrauten dem
Organisationstalent des kaiserlichen Cabinets, dem Uebermuth und den aristokrati¬
schen Neigungen des unumschränkten Bevollmächtigten. Unsere Zweifel waren mehr
als gerecht! Fürst Windischgrätz hatte sich Mu seinen magyarischen Freunden in
Schlaf tuller lassen, indessen brachen die „Nebellenhaufcn", welche bisher von der
tapfern kaiserlichen Armee wie Spreu hinweggefegt schienen, aus den Theißsümpfen
hervor und jagten die hochgräflichen k. k. Generäle bei allen Grenzen zum Lande
hinaus. Der gefeierte Held von Prag und Wien wurde abgedankt und das öst¬
reichische Cabinet suchte die Schmach des Verlornen Feldzugs nicht durch völlige
Entfernung des Feldmarschalls, durch einen begeisternden Aufruf an die treuen
Völker Oestreichs, durch energische Entwickelung frischer Streitkräfte zu tilgen —
nein, das kaiserliche Cabinet sank zitternd zu Boden und flehte den großen Czaar
im fernen Osten um seine Huld und Hilfe an! Dieses Faktum an und für sich
zeugt, wie sehr die Herrn Schwarzenberg-Stadion - Bach ihren eigenen Kräften
mißtrauen, daß ihnen der Bestand eines einigen und starken Oestreichs nicht als
„ein europäisches Bedürfniß", sondern als ein Siuckur der Habsburger und deren
Anhänger und Minister erscheine, daß sie kein Gefühl für die Ehre der von ihnen
vertretenen „Großmacht", noch weniger für die Freiheit der östreichischen Völker
kennen. Wir „sentimentalen Politiker", wie uns der ministerielle Llyod zum Un¬
terschiede von den gewöhnlichen „Wühlern" nennt, sind der entschiedenen Mei¬
nung, daß ein Volk, das sich nicht durch seine eigene Lebenskraft gegen einen An¬
griff von Innen zu halten im Stande ist, keine selbstständige Stellung verdient;
eine Regierung aber, welche, bevor sie uoch die Begeisterung und materielle Macht
ihrer Nation in den Kampf gerufen hat, schon an ihrer eigeuen Kraft verzweifelt
und ihre Existenz von der Gnade einer fremden Macht abhängig macht, eine solche
Negierung gibt sich und die von ihr vertretene Nation der allgemeinen Verach¬
tung und — der Gewalt des Stärkern preis.
Wir wollen über das Factum selbst uicht weiter sprechen. Die 150,000 Rus¬
sen, welche bereits die östreichischen Grenzen überschritten haben, werden wahrlich
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