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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Das neue Preßgefetz.
Von der Ferdinandsbrücke.



Wir sind so weit ins Elend gekommen dnrch die Verhältnisse, d. h. dnrch
unsere Schuld, daß die ganze Geschichte anfängt einen gewissen teuflischen Humor
zu bekommen. Was Teufel wollt ihr dort draußen mit euren Parlamenten/ Re¬
formen, Gesetzvorschlägcn und all den weitläufigen und mühsamen Wegen ein freies
Volksleben durch Recht und Gesetz zu ordnen; wir in Oestreich machen die Schwie¬
rigkeiten kürzer ab; das Ministerium macht Gesetze und Melden hängt und erschießt
die, welche dagegen raisonniren; die Theorie der Minister und die Praxis der
Generäle taugen gleichviel. Da ist uns jetzt wieder so eine allerliebste Taube mit
dem Oelzweig des Friedens ins Haus geflogen, ein neues Preßgesetz. -- Haben
Sie das Gesetz gelesen? Die Heiligen mögen mich davor bewahren, den Verfasser
desselben für unsinnig zu erklären, aber ich will mich von Melden hängen lassen,
wenn er nicht zur Hälfte Narr, zur Hälfte Schelm ist. Sagen Sie mir, gab es
nicht einst eine Zeit, wo ein Mann, Namens Metternich, weggejagt wurde? Es
muß lange her sein, mein Gedächtniß hat im letzten Jahr etwas gelitten, es hat
sehr Vieles zu vergessen versucht. Aber es ist vor alten Zeiten Einer weggejagt
worden; das wär ein Ehrenmann, ein freisinniger, braver Mann! wie würde der
sich wundern, wenn er die jetzige Wirthschaft sähe; denn im Vertrauen gesagt,
unsere Minister und Generäle, oder unsere Generäle und Minister -- man weiß
uicht, wer von Beiden eigentlich regiert -- sind ein wenig reactionär. Man
würde ihnen Unrecht thun, wenn mau diese Eigenthümlichkeit für eine Folge feiner
diplomatischen Bildung hielte, im Gegentheil, es ist reine, kindliche Naivetät. Sie
verstehens nicht besser, sie handeln im guten Glauben, sie sind keine Lügner, sie
sind nichts, als -- gute Leute. Aber ihr Freunde an der Grenze, ihr wißt nicht,
wie viel besser es ist, durch einen klugen Schurken regiert zu werden, als dnrch
einen Haufen biederer Strohköpfe; der Schuft vermeidet es euch zu belästige",
wo es nicht unumgänglich nöthig ist, der Dummkopf drängt sich euch überall auf
Und fordert Dankbarkeit und Anerkennung. -- Unser Ministerium hat also ein
Gesetz gegen Mißbrauch der Presse erlasse". Wißt ihr, wie bei uns ein Gesetz
gemacht wird? Es wird von den Herren Heisere, oder Warrens oder einem an¬
deren Vertrauten Stations eine Gesetzcsvorlage aus den entsprechenden belgischen,
preußischen ze. Gesetzen zusammengeschrieben, das dauert nicht lange, dann kommt
Stadion und macht seine persönlichen Ansichten herein, die wirklich die Ansichten
eines ehrlichen Mannes sind, aber sehr wunderliche und beschränkte, dann nickt
^r Ministerrath sein Ja, dann wird von den erwäh'nten Vertrauten eine zweite
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"nzboten. II. I"is. 4
Das neue Preßgefetz.
Von der Ferdinandsbrücke.



Wir sind so weit ins Elend gekommen dnrch die Verhältnisse, d. h. dnrch
unsere Schuld, daß die ganze Geschichte anfängt einen gewissen teuflischen Humor
zu bekommen. Was Teufel wollt ihr dort draußen mit euren Parlamenten/ Re¬
formen, Gesetzvorschlägcn und all den weitläufigen und mühsamen Wegen ein freies
Volksleben durch Recht und Gesetz zu ordnen; wir in Oestreich machen die Schwie¬
rigkeiten kürzer ab; das Ministerium macht Gesetze und Melden hängt und erschießt
die, welche dagegen raisonniren; die Theorie der Minister und die Praxis der
Generäle taugen gleichviel. Da ist uns jetzt wieder so eine allerliebste Taube mit
dem Oelzweig des Friedens ins Haus geflogen, ein neues Preßgesetz. — Haben
Sie das Gesetz gelesen? Die Heiligen mögen mich davor bewahren, den Verfasser
desselben für unsinnig zu erklären, aber ich will mich von Melden hängen lassen,
wenn er nicht zur Hälfte Narr, zur Hälfte Schelm ist. Sagen Sie mir, gab es
nicht einst eine Zeit, wo ein Mann, Namens Metternich, weggejagt wurde? Es
muß lange her sein, mein Gedächtniß hat im letzten Jahr etwas gelitten, es hat
sehr Vieles zu vergessen versucht. Aber es ist vor alten Zeiten Einer weggejagt
worden; das wär ein Ehrenmann, ein freisinniger, braver Mann! wie würde der
sich wundern, wenn er die jetzige Wirthschaft sähe; denn im Vertrauen gesagt,
unsere Minister und Generäle, oder unsere Generäle und Minister — man weiß
uicht, wer von Beiden eigentlich regiert — sind ein wenig reactionär. Man
würde ihnen Unrecht thun, wenn mau diese Eigenthümlichkeit für eine Folge feiner
diplomatischen Bildung hielte, im Gegentheil, es ist reine, kindliche Naivetät. Sie
verstehens nicht besser, sie handeln im guten Glauben, sie sind keine Lügner, sie
sind nichts, als — gute Leute. Aber ihr Freunde an der Grenze, ihr wißt nicht,
wie viel besser es ist, durch einen klugen Schurken regiert zu werden, als dnrch
einen Haufen biederer Strohköpfe; der Schuft vermeidet es euch zu belästige»,
wo es nicht unumgänglich nöthig ist, der Dummkopf drängt sich euch überall auf
Und fordert Dankbarkeit und Anerkennung. — Unser Ministerium hat also ein
Gesetz gegen Mißbrauch der Presse erlasse«. Wißt ihr, wie bei uns ein Gesetz
gemacht wird? Es wird von den Herren Heisere, oder Warrens oder einem an¬
deren Vertrauten Stations eine Gesetzcsvorlage aus den entsprechenden belgischen,
preußischen ze. Gesetzen zusammengeschrieben, das dauert nicht lange, dann kommt
Stadion und macht seine persönlichen Ansichten herein, die wirklich die Ansichten
eines ehrlichen Mannes sind, aber sehr wunderliche und beschränkte, dann nickt
^r Ministerrath sein Ja, dann wird von den erwäh'nten Vertrauten eine zweite
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«nzboten. II. I«is. 4
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[0029] Das neue Preßgefetz. Von der Ferdinandsbrücke. Wir sind so weit ins Elend gekommen dnrch die Verhältnisse, d. h. dnrch unsere Schuld, daß die ganze Geschichte anfängt einen gewissen teuflischen Humor zu bekommen. Was Teufel wollt ihr dort draußen mit euren Parlamenten/ Re¬ formen, Gesetzvorschlägcn und all den weitläufigen und mühsamen Wegen ein freies Volksleben durch Recht und Gesetz zu ordnen; wir in Oestreich machen die Schwie¬ rigkeiten kürzer ab; das Ministerium macht Gesetze und Melden hängt und erschießt die, welche dagegen raisonniren; die Theorie der Minister und die Praxis der Generäle taugen gleichviel. Da ist uns jetzt wieder so eine allerliebste Taube mit dem Oelzweig des Friedens ins Haus geflogen, ein neues Preßgesetz. — Haben Sie das Gesetz gelesen? Die Heiligen mögen mich davor bewahren, den Verfasser desselben für unsinnig zu erklären, aber ich will mich von Melden hängen lassen, wenn er nicht zur Hälfte Narr, zur Hälfte Schelm ist. Sagen Sie mir, gab es nicht einst eine Zeit, wo ein Mann, Namens Metternich, weggejagt wurde? Es muß lange her sein, mein Gedächtniß hat im letzten Jahr etwas gelitten, es hat sehr Vieles zu vergessen versucht. Aber es ist vor alten Zeiten Einer weggejagt worden; das wär ein Ehrenmann, ein freisinniger, braver Mann! wie würde der sich wundern, wenn er die jetzige Wirthschaft sähe; denn im Vertrauen gesagt, unsere Minister und Generäle, oder unsere Generäle und Minister — man weiß uicht, wer von Beiden eigentlich regiert — sind ein wenig reactionär. Man würde ihnen Unrecht thun, wenn mau diese Eigenthümlichkeit für eine Folge feiner diplomatischen Bildung hielte, im Gegentheil, es ist reine, kindliche Naivetät. Sie verstehens nicht besser, sie handeln im guten Glauben, sie sind keine Lügner, sie sind nichts, als — gute Leute. Aber ihr Freunde an der Grenze, ihr wißt nicht, wie viel besser es ist, durch einen klugen Schurken regiert zu werden, als dnrch einen Haufen biederer Strohköpfe; der Schuft vermeidet es euch zu belästige», wo es nicht unumgänglich nöthig ist, der Dummkopf drängt sich euch überall auf Und fordert Dankbarkeit und Anerkennung. — Unser Ministerium hat also ein Gesetz gegen Mißbrauch der Presse erlasse«. Wißt ihr, wie bei uns ein Gesetz gemacht wird? Es wird von den Herren Heisere, oder Warrens oder einem an¬ deren Vertrauten Stations eine Gesetzcsvorlage aus den entsprechenden belgischen, preußischen ze. Gesetzen zusammengeschrieben, das dauert nicht lange, dann kommt Stadion und macht seine persönlichen Ansichten herein, die wirklich die Ansichten eines ehrlichen Mannes sind, aber sehr wunderliche und beschränkte, dann nickt ^r Ministerrath sein Ja, dann wird von den erwäh'nten Vertrauten eine zweite G «nzboten. II. I«is. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/29>, abgerufen am 15.01.2025.