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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Die Eirenlarnote des preußischen Cabinets.



Von der preußischen Grenze.

Von vornherein konnten wir erwarten, daß die Circularnote an die deutschen
Regierungen, welche die Unterschrift des Minister Herrn v. Bülow trägt, von
zwei Parteien Anfechtungen erleiden würde: von der kaiserlichen Partei und von
ihren Gegnern. Es ließ sich sogar berechnen, auf welcher Seite die Bitterkeit
größer sein würde. Hat man lange Zeit mit der Glut eines aufrichtigen Enthu¬
siasmus für eine Idee gekämpft und diese an eine bestimmte Person geknüpft, und
wird mau dann durch die kühle Ueberlegung dieser Person wie von einem Sturz¬
bad Übergossen -- so ist es wohl leicht erklärlich, daß der Zorn einer solchen
Ueberraschung sich gegen die Person wendet, die man nicht um ihrer selbst willen,
sondern nur als Träger der Idee gehegt hat. Der Unmuth und Widerwille, mit
dem sich Gervinus (es ist doch wohl der 1'Correspondent. Vom Rhein der D.Zt.?)
über die Note ausspricht, der.ihn so weit treibt, für den Nothfall im östreichischen
Kaiserthum das Asyl für das "Reich" zu suchen, ist demnach leicht zu begreifen.
Aber man darf dem Unmuth nicht nachgeben. Geht man in das Wesen der Sache
ein, so ist die preußische Note der Form und dem Inhalt nach bestimmter als
selbst das Programm des Herrn v. Gagern.

Ob die preußische Regierung überhaupt nöthig hatte zu sprechen, bevor die
Entscheidung der Frankfurter Versammlung erfolgt war, mag dahingestellt bleiben.
Ich muß offen gestehen, daß mir bei ihrer zweifelhaften Stellung im eigenen Lande
ein vorläufiges Schweigen 'angemessener erschienen wäre. Wollte sie aber einmal
das Schweigen brechen, so konnte eS aus keine andere Weise geschehen, als es
geschehen ist.

Man vergesse nicht, daß es bei einer Erklärung nicht blos darauf ankommt,
was gesagt wird, sondern wer es sagt. Der Publicist kann frei heransgehn, seine
Worte reichen nicht weiter, als die Autorität seines Namens oder ihre innere
Wahrheit sie trägt. Schon der Deputirte ist mehr gebunden, namentlich wenn
man ihm in der Partei eine gewisse Stellung zuschreibt. Der Neichsminister, und
wenn auch sein Reich in p-utibus Inliclvlium liege, hat wenigstens den Bedenken
seiner Verantwortlichkeit "Rechnung zu tragen." Die Negierung eines mächtigen
Staats endlich muß bedeuten, daß man die Stärke ihrer Ausdrücke mit der Zahl
der Bajonnette multiplizirt, über welche sie verfügt.

Gehn wir also ins Concrete, zuerst was die Form betrifft. Man will ein
westdeutsches Reich gründen, Preußen an der Spitze; die östreichische Negierung
remonstrirt dagegen vom Standpunkt ihrer Ansprüche, ohne aber anzugeben, was
sie an die Stelle jenes Projects zu setzen gedenkt. Der natürliche Aerger über ein
solches Betragen spricht sich in folgender Stufenleiter aus.


Die Eirenlarnote des preußischen Cabinets.



Von der preußischen Grenze.

Von vornherein konnten wir erwarten, daß die Circularnote an die deutschen
Regierungen, welche die Unterschrift des Minister Herrn v. Bülow trägt, von
zwei Parteien Anfechtungen erleiden würde: von der kaiserlichen Partei und von
ihren Gegnern. Es ließ sich sogar berechnen, auf welcher Seite die Bitterkeit
größer sein würde. Hat man lange Zeit mit der Glut eines aufrichtigen Enthu¬
siasmus für eine Idee gekämpft und diese an eine bestimmte Person geknüpft, und
wird mau dann durch die kühle Ueberlegung dieser Person wie von einem Sturz¬
bad Übergossen — so ist es wohl leicht erklärlich, daß der Zorn einer solchen
Ueberraschung sich gegen die Person wendet, die man nicht um ihrer selbst willen,
sondern nur als Träger der Idee gehegt hat. Der Unmuth und Widerwille, mit
dem sich Gervinus (es ist doch wohl der 1'Correspondent. Vom Rhein der D.Zt.?)
über die Note ausspricht, der.ihn so weit treibt, für den Nothfall im östreichischen
Kaiserthum das Asyl für das „Reich" zu suchen, ist demnach leicht zu begreifen.
Aber man darf dem Unmuth nicht nachgeben. Geht man in das Wesen der Sache
ein, so ist die preußische Note der Form und dem Inhalt nach bestimmter als
selbst das Programm des Herrn v. Gagern.

Ob die preußische Regierung überhaupt nöthig hatte zu sprechen, bevor die
Entscheidung der Frankfurter Versammlung erfolgt war, mag dahingestellt bleiben.
Ich muß offen gestehen, daß mir bei ihrer zweifelhaften Stellung im eigenen Lande
ein vorläufiges Schweigen 'angemessener erschienen wäre. Wollte sie aber einmal
das Schweigen brechen, so konnte eS aus keine andere Weise geschehen, als es
geschehen ist.

Man vergesse nicht, daß es bei einer Erklärung nicht blos darauf ankommt,
was gesagt wird, sondern wer es sagt. Der Publicist kann frei heransgehn, seine
Worte reichen nicht weiter, als die Autorität seines Namens oder ihre innere
Wahrheit sie trägt. Schon der Deputirte ist mehr gebunden, namentlich wenn
man ihm in der Partei eine gewisse Stellung zuschreibt. Der Neichsminister, und
wenn auch sein Reich in p-utibus Inliclvlium liege, hat wenigstens den Bedenken
seiner Verantwortlichkeit „Rechnung zu tragen." Die Negierung eines mächtigen
Staats endlich muß bedeuten, daß man die Stärke ihrer Ausdrücke mit der Zahl
der Bajonnette multiplizirt, über welche sie verfügt.

Gehn wir also ins Concrete, zuerst was die Form betrifft. Man will ein
westdeutsches Reich gründen, Preußen an der Spitze; die östreichische Negierung
remonstrirt dagegen vom Standpunkt ihrer Ansprüche, ohne aber anzugeben, was
sie an die Stelle jenes Projects zu setzen gedenkt. Der natürliche Aerger über ein
solches Betragen spricht sich in folgender Stufenleiter aus.


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[0274] Die Eirenlarnote des preußischen Cabinets. Von der preußischen Grenze. Von vornherein konnten wir erwarten, daß die Circularnote an die deutschen Regierungen, welche die Unterschrift des Minister Herrn v. Bülow trägt, von zwei Parteien Anfechtungen erleiden würde: von der kaiserlichen Partei und von ihren Gegnern. Es ließ sich sogar berechnen, auf welcher Seite die Bitterkeit größer sein würde. Hat man lange Zeit mit der Glut eines aufrichtigen Enthu¬ siasmus für eine Idee gekämpft und diese an eine bestimmte Person geknüpft, und wird mau dann durch die kühle Ueberlegung dieser Person wie von einem Sturz¬ bad Übergossen — so ist es wohl leicht erklärlich, daß der Zorn einer solchen Ueberraschung sich gegen die Person wendet, die man nicht um ihrer selbst willen, sondern nur als Träger der Idee gehegt hat. Der Unmuth und Widerwille, mit dem sich Gervinus (es ist doch wohl der 1'Correspondent. Vom Rhein der D.Zt.?) über die Note ausspricht, der.ihn so weit treibt, für den Nothfall im östreichischen Kaiserthum das Asyl für das „Reich" zu suchen, ist demnach leicht zu begreifen. Aber man darf dem Unmuth nicht nachgeben. Geht man in das Wesen der Sache ein, so ist die preußische Note der Form und dem Inhalt nach bestimmter als selbst das Programm des Herrn v. Gagern. Ob die preußische Regierung überhaupt nöthig hatte zu sprechen, bevor die Entscheidung der Frankfurter Versammlung erfolgt war, mag dahingestellt bleiben. Ich muß offen gestehen, daß mir bei ihrer zweifelhaften Stellung im eigenen Lande ein vorläufiges Schweigen 'angemessener erschienen wäre. Wollte sie aber einmal das Schweigen brechen, so konnte eS aus keine andere Weise geschehen, als es geschehen ist. Man vergesse nicht, daß es bei einer Erklärung nicht blos darauf ankommt, was gesagt wird, sondern wer es sagt. Der Publicist kann frei heransgehn, seine Worte reichen nicht weiter, als die Autorität seines Namens oder ihre innere Wahrheit sie trägt. Schon der Deputirte ist mehr gebunden, namentlich wenn man ihm in der Partei eine gewisse Stellung zuschreibt. Der Neichsminister, und wenn auch sein Reich in p-utibus Inliclvlium liege, hat wenigstens den Bedenken seiner Verantwortlichkeit „Rechnung zu tragen." Die Negierung eines mächtigen Staats endlich muß bedeuten, daß man die Stärke ihrer Ausdrücke mit der Zahl der Bajonnette multiplizirt, über welche sie verfügt. Gehn wir also ins Concrete, zuerst was die Form betrifft. Man will ein westdeutsches Reich gründen, Preußen an der Spitze; die östreichische Negierung remonstrirt dagegen vom Standpunkt ihrer Ansprüche, ohne aber anzugeben, was sie an die Stelle jenes Projects zu setzen gedenkt. Der natürliche Aerger über ein solches Betragen spricht sich in folgender Stufenleiter aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/274>, abgerufen am 22.12.2024.