Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.Die Kunst, ein dauerhafter Minister zu werden Auf meinem Leichenstein wünsche ich nicht die Worte, welche der Ministerprä¬ Vor Allem mögen die Kandidaten eines Ministeriums den Glauben abthun, daß eine Gr°nzbot-n. III. 19
Die Kunst, ein dauerhafter Minister zu werden Auf meinem Leichenstein wünsche ich nicht die Worte, welche der Ministerprä¬ Vor Allem mögen die Kandidaten eines Ministeriums den Glauben abthun, daß eine Gr°nzbot-n. III. 19
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Die Kunst, ein dauerhafter Minister zu werden
Auf meinem Leichenstein wünsche ich nicht die Worte, welche der Ministerprä¬
sident v. Auerswald der preußischen Nationalversammlung als Grabschrift empfahl:
Er lebte 1848 und war ein Sohn seiner Zeit, sondern ich will die Aufschrift: Er
lebte 1848 und wurde nicht Minister. Ja noch mehr, ich habe den Wunsch, daß
außer mir noch einige Deutsche aus diesem Jahrgange übrig bleiben möchten,
seien ihrer auch nur wenige, welche nicht Minister gewesen sind, oder jetzt sind,
oder in Zukunft sein werden. Um nun dem Vaterlande solche Männer zu erhalten,
sehe ich mich genöthigt, gewisse Recepte und Geheimnisse der Oeffentlichkeit zu
übergeben, welche die specifische Wirkung haben, einer volkstümlichen Negierung
Halt, Dauer und Wirksamkeit zu sichern. Auch ich hege die innige Ueberzeugung,
daß unsere Zeit eine sehr große ist, und wenn ich annehme, daß sie gerade des¬
halb so groß wurde, weil die Menschen darin so sehr klein sind, so soll dadurch
keinerlei Anklage gegen die Redefertigkeit unserer Revolntionsheldcn ausgesprochen
werden. Ferner weiß ich sehr wohl, daß gute Recepte vielleicht dicker, aber uicht
großer machen können, selbst wenn ein Talent, wie z. B. Herr Robert Blum,
seinen Brei darnach zurichtet. Demungeachtet sind es goldene Lehren und haben
den großen Vorzug, sämmtlich uralt zu sein. — Ob man sie hier und da frivol
finden wird? Höchstens in einigen Vereinen zu Wien, Breslau und Berlin, deren
republikanische Tugend sich gegen jeden Schein von List, Fälschung und Heuchelei
empören müßte. Da aber diese ehrenwerthen Vereine im Begriffe sind, die Wissen¬
schaft des Lesens für reactionär zu erklären, weil Jedermann während des Lesens
in widerlicher Abhängigkeit vom Schriftsteller und Drucker lebt, so ist nicht zu
befürchten, daß ihnen diese Worte zu Gesicht kommen.
Vor Allem mögen die Kandidaten eines Ministeriums den Glauben abthun, daß eine
gewisse Redlichkeit, feste politische Ueberzeugungen und Geschäftskenntniß hinreichen, sie
Zu solcher Stellung zu befähigen. Im Gegentheil, diese Eigenschaften helfen jetzt
d"zu, einen Staatsmann zu ruiniren, sobald sie ihn doctrinär und sicher machen.
Von allen Schulen, durch welche das Leben für diese Kunst vorbereitet, weiß ich
keine besser zu empfehlen, als die, auf ein Jahr Director einer Truppe von
Komödianten zu werden. Hier kann er lernen, finanzielle Verlegenheiten durch
Diplomatie zu überwinden, Intriguen zu machen und zu vereiteln und Fächer
Gr°nzbot-n. III. 19
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