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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Zur Organisation der Arbeit.
Von einem Landwirth.



Die nächste Folge der Theilnahme, welche die gemäßigten Lehrsätze der Fou-
rieristen und Socialisten besonders bei jugendlichen Gemüthern fanden, war die
Gründung von Vereinen zur Besserung des Zustandes der arbeitenden Klassen.
In diesen wurde sehr viel gesprochen, aber sehr wenig gethan. Der Fehler
war, daß man als entschieden und feststehend annahm, was man erst hätte unter¬
suchen sollen, nämlich: Sind alle Menschen, welche sich mit gewöhnlicher Hand¬
arbeit beschäftigen, in einer gedrückten Lage? Sind Mittel vorhanden, diesen Zu¬
stand, wenn er besteht, zu verbessern? und welche? --

Die Arbeit, oder die regelmäßige Anwendung der körperlichen und geistigen
Kräfte des Menschen, um sich dadurch einen Genuß zu verschaffen, ist für uns,
mit Denkkraft begabte Wesen, eine Nothwendigkeit, wollen wir
uns über die Thierwelt erheben. Der bloße Genuß ohne vorhergegangene An¬
strengung führt zu thierischer Existenz. Der Wilde, welcher sich uur rührt, um
Thiere zu erlegen, die ihn sättigen, oder Früchte zu sammeln, die ohne sein Zu¬
thun gewachsen sind, der Orientale, welcher beschaulich seine Pfeife raucht und
Sclaven für sich arbeiten läßt, können keine Sympathien für sich erwecken. Un¬
möglich kann der Zweck des menschlichen Daseins durch sie erfüllt werden.

Ueberall aber, auch bei uns, hat die Trägheit und Herrschsucht der Einzelnen
sich gegen diese Nothwendigkeit der Arbeit aufgelehnt, ihren Segen verkannt;
von je hat der Einzelne seine Ueberlegenheit dazu benutzt, seine Mitmenschen zu
unterdrücken, sich selbst den Anstrengungen der Arbeit zu entziehen und Andere
für sich arbeiten zu lassen. Und durch eine seltsame Fiction wird ein Unthätiger
für glücklich und frei, der Arbeitende für unglücklich und gedrückt gehalten. Dies
Unglück, dieser Druck, welcher den Arbeitenden trifft, gilt für um so größer, je
"niedriger" die Arbeit ist, das heißt je größere Anwendung von Körperkraft sie
verlangt. Eine Art von Schimpf liegt so bei uns auf der gemeinen Arbeit, da
man bemerken wird, daß sich jeder derselben entzieht, der auf andere Weise die
Mittel zu seiner Lebensftistung erlangen kann. Wer aus Erfahrung weiß, wie
stärkend und die Gesundheit fördernd das mit Anstrengung besonders im Freien
vollführte Tagewerk ist, wie es auf die innere Zufriedenheit durch das Bewußtsein
wirkt, daß man etwas Nützliches vollbracht habe, der wird schwer begreifen, warum
die Menschen weniger nach der eigentlichen Arbeit, sondern vielmehr nach andern
Beschäftigungen jagen, wo der Erfolg viel zweifelhafter ist. Zu allen Zeiten sieht
man, daß Menschen, welche sich mit dem Kleinhandel-, der Gast- und schaut-


Zur Organisation der Arbeit.
Von einem Landwirth.



Die nächste Folge der Theilnahme, welche die gemäßigten Lehrsätze der Fou-
rieristen und Socialisten besonders bei jugendlichen Gemüthern fanden, war die
Gründung von Vereinen zur Besserung des Zustandes der arbeitenden Klassen.
In diesen wurde sehr viel gesprochen, aber sehr wenig gethan. Der Fehler
war, daß man als entschieden und feststehend annahm, was man erst hätte unter¬
suchen sollen, nämlich: Sind alle Menschen, welche sich mit gewöhnlicher Hand¬
arbeit beschäftigen, in einer gedrückten Lage? Sind Mittel vorhanden, diesen Zu¬
stand, wenn er besteht, zu verbessern? und welche? —

Die Arbeit, oder die regelmäßige Anwendung der körperlichen und geistigen
Kräfte des Menschen, um sich dadurch einen Genuß zu verschaffen, ist für uns,
mit Denkkraft begabte Wesen, eine Nothwendigkeit, wollen wir
uns über die Thierwelt erheben. Der bloße Genuß ohne vorhergegangene An¬
strengung führt zu thierischer Existenz. Der Wilde, welcher sich uur rührt, um
Thiere zu erlegen, die ihn sättigen, oder Früchte zu sammeln, die ohne sein Zu¬
thun gewachsen sind, der Orientale, welcher beschaulich seine Pfeife raucht und
Sclaven für sich arbeiten läßt, können keine Sympathien für sich erwecken. Un¬
möglich kann der Zweck des menschlichen Daseins durch sie erfüllt werden.

Ueberall aber, auch bei uns, hat die Trägheit und Herrschsucht der Einzelnen
sich gegen diese Nothwendigkeit der Arbeit aufgelehnt, ihren Segen verkannt;
von je hat der Einzelne seine Ueberlegenheit dazu benutzt, seine Mitmenschen zu
unterdrücken, sich selbst den Anstrengungen der Arbeit zu entziehen und Andere
für sich arbeiten zu lassen. Und durch eine seltsame Fiction wird ein Unthätiger
für glücklich und frei, der Arbeitende für unglücklich und gedrückt gehalten. Dies
Unglück, dieser Druck, welcher den Arbeitenden trifft, gilt für um so größer, je
„niedriger" die Arbeit ist, das heißt je größere Anwendung von Körperkraft sie
verlangt. Eine Art von Schimpf liegt so bei uns auf der gemeinen Arbeit, da
man bemerken wird, daß sich jeder derselben entzieht, der auf andere Weise die
Mittel zu seiner Lebensftistung erlangen kann. Wer aus Erfahrung weiß, wie
stärkend und die Gesundheit fördernd das mit Anstrengung besonders im Freien
vollführte Tagewerk ist, wie es auf die innere Zufriedenheit durch das Bewußtsein
wirkt, daß man etwas Nützliches vollbracht habe, der wird schwer begreifen, warum
die Menschen weniger nach der eigentlichen Arbeit, sondern vielmehr nach andern
Beschäftigungen jagen, wo der Erfolg viel zweifelhafter ist. Zu allen Zeiten sieht
man, daß Menschen, welche sich mit dem Kleinhandel-, der Gast- und schaut-


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[0483] Zur Organisation der Arbeit. Von einem Landwirth. Die nächste Folge der Theilnahme, welche die gemäßigten Lehrsätze der Fou- rieristen und Socialisten besonders bei jugendlichen Gemüthern fanden, war die Gründung von Vereinen zur Besserung des Zustandes der arbeitenden Klassen. In diesen wurde sehr viel gesprochen, aber sehr wenig gethan. Der Fehler war, daß man als entschieden und feststehend annahm, was man erst hätte unter¬ suchen sollen, nämlich: Sind alle Menschen, welche sich mit gewöhnlicher Hand¬ arbeit beschäftigen, in einer gedrückten Lage? Sind Mittel vorhanden, diesen Zu¬ stand, wenn er besteht, zu verbessern? und welche? — Die Arbeit, oder die regelmäßige Anwendung der körperlichen und geistigen Kräfte des Menschen, um sich dadurch einen Genuß zu verschaffen, ist für uns, mit Denkkraft begabte Wesen, eine Nothwendigkeit, wollen wir uns über die Thierwelt erheben. Der bloße Genuß ohne vorhergegangene An¬ strengung führt zu thierischer Existenz. Der Wilde, welcher sich uur rührt, um Thiere zu erlegen, die ihn sättigen, oder Früchte zu sammeln, die ohne sein Zu¬ thun gewachsen sind, der Orientale, welcher beschaulich seine Pfeife raucht und Sclaven für sich arbeiten läßt, können keine Sympathien für sich erwecken. Un¬ möglich kann der Zweck des menschlichen Daseins durch sie erfüllt werden. Ueberall aber, auch bei uns, hat die Trägheit und Herrschsucht der Einzelnen sich gegen diese Nothwendigkeit der Arbeit aufgelehnt, ihren Segen verkannt; von je hat der Einzelne seine Ueberlegenheit dazu benutzt, seine Mitmenschen zu unterdrücken, sich selbst den Anstrengungen der Arbeit zu entziehen und Andere für sich arbeiten zu lassen. Und durch eine seltsame Fiction wird ein Unthätiger für glücklich und frei, der Arbeitende für unglücklich und gedrückt gehalten. Dies Unglück, dieser Druck, welcher den Arbeitenden trifft, gilt für um so größer, je „niedriger" die Arbeit ist, das heißt je größere Anwendung von Körperkraft sie verlangt. Eine Art von Schimpf liegt so bei uns auf der gemeinen Arbeit, da man bemerken wird, daß sich jeder derselben entzieht, der auf andere Weise die Mittel zu seiner Lebensftistung erlangen kann. Wer aus Erfahrung weiß, wie stärkend und die Gesundheit fördernd das mit Anstrengung besonders im Freien vollführte Tagewerk ist, wie es auf die innere Zufriedenheit durch das Bewußtsein wirkt, daß man etwas Nützliches vollbracht habe, der wird schwer begreifen, warum die Menschen weniger nach der eigentlichen Arbeit, sondern vielmehr nach andern Beschäftigungen jagen, wo der Erfolg viel zweifelhafter ist. Zu allen Zeiten sieht man, daß Menschen, welche sich mit dem Kleinhandel-, der Gast- und schaut-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/483>, abgerufen am 24.12.2024.