Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Idachtgedanken aus Norddeutschland



i.
O c t o b e r.

"Reif oder nicht reif?" das ist jetzt die Frage. Die Idee der Demokratie
ist groß, aber wo sind die Menschen, sie zu verwirklichen? --

Ich ziehe durch das Land: ich will mich umsehn unter denen, die die Be¬
wegung unsrer Tage machen.

Gott grüße dich, Bauersmann! Wenn ich dein treuherziges Willkommen
höre, wenn ich deine schwielige Hand erfasse, in der du einst zur Rettung
deines gesunkenen Vaterlandes die Siegeswaffe trugst, dann denk' ich an
die deutsche Treue, an das deutsche Recht. Du bist ein braver, tüchtiger
Mann! Gibt es Krieg, so schlägst du mächtig dazwischen, und ist's Friedenszeit,
so verhiesse du Haus und Hof wie ein getreuer Verwalter, damit du dir etwas
erwerben und Frau und Kindern einmal ein Erbtheil zurücklassen mögest. Aber
ein Politiker bist du nicht, kannst es vielleicht noch werden, die Anlage dazu
hast du; aber jetzt bist du kein Demokrat, wie man dir aufreden möchte. Demo¬
krat? sieh! du verstehst nicht einmal die Bedeutung des Wortes, wer hat dich nur
verwirrt, daß du ein aufsätziges Gesicht machst. An deinem König willst du fest¬
halten auf Leben und Tod: nur -- die Steuern und Abgaben möchtest du alleweil
nicht bezahlen, und freies Holz möchtest du haben aus der Haide des Gutsherrn,
so viel du brauchst. Laß dir sagen, Gevatter, das ist keine Demokratie. Wenn
ich dir's erkläre, worin sie besteht, dann kratzest du dir den Kopf und meinst:
"das könnte wohl gar noch theurer ausfallen, als wie die jetzige Regierung, und
dann blieb's wohl lieber beim Alten." Aber die Freiheit, die Freiheit! Nachbar!
ruf/ ich dir in's Gewissen, gleiche Brüder, gleiche Kappen! es geht unmöglich
länger, daß der Büdner, der Tagelöhner in so schmählicher Abhängigkeit von dir
lebe. Alle Bürger des Staats müssen gleiche Rechte haben und anch Ihr sollt
fortan Brüder sei". -- Da schüttelst du lächelnd den Kopf und sprichst stolz
und kalt: "das würde sich denn doch schlecht schicken, das mochte denn doch wohl
nicht angehen, Herr!"

Ich trete in die niedere Hütte, wo der Büdner wohnt. Du hast dich neulich
gegen das Gericht aufgelehnt, Freimaur! und der Obrigkeit nicht mehr pariren


""Njtotcn. IV. ,8"". 5Z
Idachtgedanken aus Norddeutschland



i.
O c t o b e r.

„Reif oder nicht reif?" das ist jetzt die Frage. Die Idee der Demokratie
ist groß, aber wo sind die Menschen, sie zu verwirklichen? —

Ich ziehe durch das Land: ich will mich umsehn unter denen, die die Be¬
wegung unsrer Tage machen.

Gott grüße dich, Bauersmann! Wenn ich dein treuherziges Willkommen
höre, wenn ich deine schwielige Hand erfasse, in der du einst zur Rettung
deines gesunkenen Vaterlandes die Siegeswaffe trugst, dann denk' ich an
die deutsche Treue, an das deutsche Recht. Du bist ein braver, tüchtiger
Mann! Gibt es Krieg, so schlägst du mächtig dazwischen, und ist's Friedenszeit,
so verhiesse du Haus und Hof wie ein getreuer Verwalter, damit du dir etwas
erwerben und Frau und Kindern einmal ein Erbtheil zurücklassen mögest. Aber
ein Politiker bist du nicht, kannst es vielleicht noch werden, die Anlage dazu
hast du; aber jetzt bist du kein Demokrat, wie man dir aufreden möchte. Demo¬
krat? sieh! du verstehst nicht einmal die Bedeutung des Wortes, wer hat dich nur
verwirrt, daß du ein aufsätziges Gesicht machst. An deinem König willst du fest¬
halten auf Leben und Tod: nur — die Steuern und Abgaben möchtest du alleweil
nicht bezahlen, und freies Holz möchtest du haben aus der Haide des Gutsherrn,
so viel du brauchst. Laß dir sagen, Gevatter, das ist keine Demokratie. Wenn
ich dir's erkläre, worin sie besteht, dann kratzest du dir den Kopf und meinst:
„das könnte wohl gar noch theurer ausfallen, als wie die jetzige Regierung, und
dann blieb's wohl lieber beim Alten." Aber die Freiheit, die Freiheit! Nachbar!
ruf/ ich dir in's Gewissen, gleiche Brüder, gleiche Kappen! es geht unmöglich
länger, daß der Büdner, der Tagelöhner in so schmählicher Abhängigkeit von dir
lebe. Alle Bürger des Staats müssen gleiche Rechte haben und anch Ihr sollt
fortan Brüder sei». — Da schüttelst du lächelnd den Kopf und sprichst stolz
und kalt: „das würde sich denn doch schlecht schicken, das mochte denn doch wohl
nicht angehen, Herr!"

Ich trete in die niedere Hütte, wo der Büdner wohnt. Du hast dich neulich
gegen das Gericht aufgelehnt, Freimaur! und der Obrigkeit nicht mehr pariren


««Njtotcn. IV. ,8««. 5Z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277169"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Idachtgedanken aus Norddeutschland</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.<lb/>
O c t o b e r.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1253"> &#x201E;Reif oder nicht reif?" das ist jetzt die Frage. Die Idee der Demokratie<lb/>
ist groß, aber wo sind die Menschen, sie zu verwirklichen? &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1254"> Ich ziehe durch das Land: ich will mich umsehn unter denen, die die Be¬<lb/>
wegung unsrer Tage machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1255"> Gott grüße dich, Bauersmann! Wenn ich dein treuherziges Willkommen<lb/>
höre, wenn ich deine schwielige Hand erfasse, in der du einst zur Rettung<lb/>
deines gesunkenen Vaterlandes die Siegeswaffe trugst, dann denk' ich an<lb/>
die deutsche Treue, an das deutsche Recht. Du bist ein braver, tüchtiger<lb/>
Mann! Gibt es Krieg, so schlägst du mächtig dazwischen, und ist's Friedenszeit,<lb/>
so verhiesse du Haus und Hof wie ein getreuer Verwalter, damit du dir etwas<lb/>
erwerben und Frau und Kindern einmal ein Erbtheil zurücklassen mögest. Aber<lb/>
ein Politiker bist du nicht, kannst es vielleicht noch werden, die Anlage dazu<lb/>
hast du; aber jetzt bist du kein Demokrat, wie man dir aufreden möchte. Demo¬<lb/>
krat? sieh! du verstehst nicht einmal die Bedeutung des Wortes, wer hat dich nur<lb/>
verwirrt, daß du ein aufsätziges Gesicht machst. An deinem König willst du fest¬<lb/>
halten auf Leben und Tod: nur &#x2014; die Steuern und Abgaben möchtest du alleweil<lb/>
nicht bezahlen, und freies Holz möchtest du haben aus der Haide des Gutsherrn,<lb/>
so viel du brauchst. Laß dir sagen, Gevatter, das ist keine Demokratie. Wenn<lb/>
ich dir's erkläre, worin sie besteht, dann kratzest du dir den Kopf und meinst:<lb/>
&#x201E;das könnte wohl gar noch theurer ausfallen, als wie die jetzige Regierung, und<lb/>
dann blieb's wohl lieber beim Alten." Aber die Freiheit, die Freiheit! Nachbar!<lb/>
ruf/ ich dir in's Gewissen, gleiche Brüder, gleiche Kappen! es geht unmöglich<lb/>
länger, daß der Büdner, der Tagelöhner in so schmählicher Abhängigkeit von dir<lb/>
lebe. Alle Bürger des Staats müssen gleiche Rechte haben und anch Ihr sollt<lb/>
fortan Brüder sei». &#x2014; Da schüttelst du lächelnd den Kopf und sprichst stolz<lb/>
und kalt: &#x201E;das würde sich denn doch schlecht schicken, das mochte denn doch wohl<lb/>
nicht angehen, Herr!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1256" next="#ID_1257"> Ich trete in die niedere Hütte, wo der Büdner wohnt. Du hast dich neulich<lb/>
gegen das Gericht aufgelehnt, Freimaur! und der Obrigkeit nicht mehr pariren</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> ««Njtotcn. IV. ,8««. 5Z</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0413] Idachtgedanken aus Norddeutschland i. O c t o b e r. „Reif oder nicht reif?" das ist jetzt die Frage. Die Idee der Demokratie ist groß, aber wo sind die Menschen, sie zu verwirklichen? — Ich ziehe durch das Land: ich will mich umsehn unter denen, die die Be¬ wegung unsrer Tage machen. Gott grüße dich, Bauersmann! Wenn ich dein treuherziges Willkommen höre, wenn ich deine schwielige Hand erfasse, in der du einst zur Rettung deines gesunkenen Vaterlandes die Siegeswaffe trugst, dann denk' ich an die deutsche Treue, an das deutsche Recht. Du bist ein braver, tüchtiger Mann! Gibt es Krieg, so schlägst du mächtig dazwischen, und ist's Friedenszeit, so verhiesse du Haus und Hof wie ein getreuer Verwalter, damit du dir etwas erwerben und Frau und Kindern einmal ein Erbtheil zurücklassen mögest. Aber ein Politiker bist du nicht, kannst es vielleicht noch werden, die Anlage dazu hast du; aber jetzt bist du kein Demokrat, wie man dir aufreden möchte. Demo¬ krat? sieh! du verstehst nicht einmal die Bedeutung des Wortes, wer hat dich nur verwirrt, daß du ein aufsätziges Gesicht machst. An deinem König willst du fest¬ halten auf Leben und Tod: nur — die Steuern und Abgaben möchtest du alleweil nicht bezahlen, und freies Holz möchtest du haben aus der Haide des Gutsherrn, so viel du brauchst. Laß dir sagen, Gevatter, das ist keine Demokratie. Wenn ich dir's erkläre, worin sie besteht, dann kratzest du dir den Kopf und meinst: „das könnte wohl gar noch theurer ausfallen, als wie die jetzige Regierung, und dann blieb's wohl lieber beim Alten." Aber die Freiheit, die Freiheit! Nachbar! ruf/ ich dir in's Gewissen, gleiche Brüder, gleiche Kappen! es geht unmöglich länger, daß der Büdner, der Tagelöhner in so schmählicher Abhängigkeit von dir lebe. Alle Bürger des Staats müssen gleiche Rechte haben und anch Ihr sollt fortan Brüder sei». — Da schüttelst du lächelnd den Kopf und sprichst stolz und kalt: „das würde sich denn doch schlecht schicken, das mochte denn doch wohl nicht angehen, Herr!" Ich trete in die niedere Hütte, wo der Büdner wohnt. Du hast dich neulich gegen das Gericht aufgelehnt, Freimaur! und der Obrigkeit nicht mehr pariren ««Njtotcn. IV. ,8««. 5Z

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/413
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/413>, abgerufen am 22.07.2024.