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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Ans Frankfurt am Main.



In der alten freien Reichsstadt am Main ist noch niemals ein so reges Leben
und Treiben gewesen, wie heutzutage, und wie bei den ehemaligen Krönungszügen
wogt ohne Unterlaß eine dunkle Menge durch die Gassen. Dunkel, sage ich --
denn Sie können annehmen , daß die Mehrzahl der Ihnen begegnenden Männer
den schwarzen Frack irgend eines Deputirten tragen. Gesegnet der erleuchtete
Kopf, in dem zuerst die Idee eines deutschen Parlaments keimte! ruft der Frank¬
furter Spießbürger tagtäglich, wenn er die Fremdeuliste überschaut und seine
baare Einnahme berechnet. Frankfurt ist die heilige Stadt der Kongresse gewor¬
den; an die große Reichsversammlung hat sich ein langer Schweif kleiner Parla¬
mente gehängt und läßt sich von jener demüthig als Schleppe nachführen. Da
sind die Congresse der Landwirthe, der Fabrikanten, der Gewerbtreibenden, der
Schutzzöllner und Freihandelsmänner, der Arbeitervereine und wie alle die Kon¬
gregationen noch heißen mögen, die eifersüchtig egoistisch die politischen und socia¬
len Rechte ihrer Zunft bei der Frankfurter Constituante gewahrt wissen wollen.
In Hunderten von Clubs besprechen ihre Abgeordneten eifrig und erschöpfend das,
was sie nächsten Tags in öffentlicher Sitzung nochmals eifrig und erschöpfend
discutiren werden -- und die Abstimmung geschieht am Ende blos pro ilormit,
denn ehe die Deputirten noch zusammenkamen, haben sie Alle schon ihr Votum
im Sacke gehabt. Glauben Sie daher nicht den Zeitungsberichten, die in pomp¬
haften Tiraden Ihnen von der erfreulichen Wirksamkeit der Frankfurter Delega¬
tionen erzählen -- trauen Sie lieber dem Ausspruch des braven Professors ans
München, der mich mitnahm in den Kongreß der deutschen Landwirthe, und der
mir auf die Frage, 'was bei demselben herauskäme, lachend zur Antwort gab:
Viel Geschrei und wenig Wolle! Es kann dieser Kongreß Ihnen als Prototyp
der andern gelten. Seine Zusammensetzung schon war keine Vertrauen einflößende,
fast nur Aristokraten, reiche Gutsbesitzer waren vorhanden und bereit, die Inte¬
ressen ihres Standes, aber keineswegs die des Volkes, des kleinen Besitzers, des
Bauers zu vertrete".

Der guten alten Sitte Genüge zu thun, wählte man zum Präsidenten einen
erlauchten Grafen, der zu Allein eher tauglich war, als zum Präsidenten, und zur
Seite stellte man ihm einen jener kleinen Fach-Autokraten, wenn ich mich so aus¬
drücken darf, die in der guten, alten Zeit vor dem März durch edle Dreistigkeit
einen gewissen Rang zu erklimmen und zu behaupten wußten. Diejenigen Man-


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Ans Frankfurt am Main.



In der alten freien Reichsstadt am Main ist noch niemals ein so reges Leben
und Treiben gewesen, wie heutzutage, und wie bei den ehemaligen Krönungszügen
wogt ohne Unterlaß eine dunkle Menge durch die Gassen. Dunkel, sage ich —
denn Sie können annehmen , daß die Mehrzahl der Ihnen begegnenden Männer
den schwarzen Frack irgend eines Deputirten tragen. Gesegnet der erleuchtete
Kopf, in dem zuerst die Idee eines deutschen Parlaments keimte! ruft der Frank¬
furter Spießbürger tagtäglich, wenn er die Fremdeuliste überschaut und seine
baare Einnahme berechnet. Frankfurt ist die heilige Stadt der Kongresse gewor¬
den; an die große Reichsversammlung hat sich ein langer Schweif kleiner Parla¬
mente gehängt und läßt sich von jener demüthig als Schleppe nachführen. Da
sind die Congresse der Landwirthe, der Fabrikanten, der Gewerbtreibenden, der
Schutzzöllner und Freihandelsmänner, der Arbeitervereine und wie alle die Kon¬
gregationen noch heißen mögen, die eifersüchtig egoistisch die politischen und socia¬
len Rechte ihrer Zunft bei der Frankfurter Constituante gewahrt wissen wollen.
In Hunderten von Clubs besprechen ihre Abgeordneten eifrig und erschöpfend das,
was sie nächsten Tags in öffentlicher Sitzung nochmals eifrig und erschöpfend
discutiren werden — und die Abstimmung geschieht am Ende blos pro ilormit,
denn ehe die Deputirten noch zusammenkamen, haben sie Alle schon ihr Votum
im Sacke gehabt. Glauben Sie daher nicht den Zeitungsberichten, die in pomp¬
haften Tiraden Ihnen von der erfreulichen Wirksamkeit der Frankfurter Delega¬
tionen erzählen — trauen Sie lieber dem Ausspruch des braven Professors ans
München, der mich mitnahm in den Kongreß der deutschen Landwirthe, und der
mir auf die Frage, 'was bei demselben herauskäme, lachend zur Antwort gab:
Viel Geschrei und wenig Wolle! Es kann dieser Kongreß Ihnen als Prototyp
der andern gelten. Seine Zusammensetzung schon war keine Vertrauen einflößende,
fast nur Aristokraten, reiche Gutsbesitzer waren vorhanden und bereit, die Inte¬
ressen ihres Standes, aber keineswegs die des Volkes, des kleinen Besitzers, des
Bauers zu vertrete».

Der guten alten Sitte Genüge zu thun, wählte man zum Präsidenten einen
erlauchten Grafen, der zu Allein eher tauglich war, als zum Präsidenten, und zur
Seite stellte man ihm einen jener kleinen Fach-Autokraten, wenn ich mich so aus¬
drücken darf, die in der guten, alten Zeit vor dem März durch edle Dreistigkeit
einen gewissen Rang zu erklimmen und zu behaupten wußten. Diejenigen Man-


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[0327] Ans Frankfurt am Main. In der alten freien Reichsstadt am Main ist noch niemals ein so reges Leben und Treiben gewesen, wie heutzutage, und wie bei den ehemaligen Krönungszügen wogt ohne Unterlaß eine dunkle Menge durch die Gassen. Dunkel, sage ich — denn Sie können annehmen , daß die Mehrzahl der Ihnen begegnenden Männer den schwarzen Frack irgend eines Deputirten tragen. Gesegnet der erleuchtete Kopf, in dem zuerst die Idee eines deutschen Parlaments keimte! ruft der Frank¬ furter Spießbürger tagtäglich, wenn er die Fremdeuliste überschaut und seine baare Einnahme berechnet. Frankfurt ist die heilige Stadt der Kongresse gewor¬ den; an die große Reichsversammlung hat sich ein langer Schweif kleiner Parla¬ mente gehängt und läßt sich von jener demüthig als Schleppe nachführen. Da sind die Congresse der Landwirthe, der Fabrikanten, der Gewerbtreibenden, der Schutzzöllner und Freihandelsmänner, der Arbeitervereine und wie alle die Kon¬ gregationen noch heißen mögen, die eifersüchtig egoistisch die politischen und socia¬ len Rechte ihrer Zunft bei der Frankfurter Constituante gewahrt wissen wollen. In Hunderten von Clubs besprechen ihre Abgeordneten eifrig und erschöpfend das, was sie nächsten Tags in öffentlicher Sitzung nochmals eifrig und erschöpfend discutiren werden — und die Abstimmung geschieht am Ende blos pro ilormit, denn ehe die Deputirten noch zusammenkamen, haben sie Alle schon ihr Votum im Sacke gehabt. Glauben Sie daher nicht den Zeitungsberichten, die in pomp¬ haften Tiraden Ihnen von der erfreulichen Wirksamkeit der Frankfurter Delega¬ tionen erzählen — trauen Sie lieber dem Ausspruch des braven Professors ans München, der mich mitnahm in den Kongreß der deutschen Landwirthe, und der mir auf die Frage, 'was bei demselben herauskäme, lachend zur Antwort gab: Viel Geschrei und wenig Wolle! Es kann dieser Kongreß Ihnen als Prototyp der andern gelten. Seine Zusammensetzung schon war keine Vertrauen einflößende, fast nur Aristokraten, reiche Gutsbesitzer waren vorhanden und bereit, die Inte¬ ressen ihres Standes, aber keineswegs die des Volkes, des kleinen Besitzers, des Bauers zu vertrete». Der guten alten Sitte Genüge zu thun, wählte man zum Präsidenten einen erlauchten Grafen, der zu Allein eher tauglich war, als zum Präsidenten, und zur Seite stellte man ihm einen jener kleinen Fach-Autokraten, wenn ich mich so aus¬ drücken darf, die in der guten, alten Zeit vor dem März durch edle Dreistigkeit einen gewissen Rang zu erklimmen und zu behaupten wußten. Diejenigen Man- 41*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/327>, abgerufen am 03.07.2024.