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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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was zehrt an der Arbeit und läßt den Arbeiter niemals aufkommen? Das Ca¬
pital. Wenn wir die Arbeit vom Capital befreien, ist der Zustand erreicht, den
das Jahrhundert ungestüm fordert. Capital aber ist meistens nur eine Abstraction,
ein Begriff, ein Gedachtes. Hier ist ein Wechsel oder ein bedrucktes Papier, da¬
ran soll dies Hundert und dieses Tausend gelten. Gilt es denn soviel? Nein; es
ist eine Fiktion. Also ist mein Mittel sehr einfach. Keinen Eingriff in das Eigenthum,
nicht einen Groschen verlange ich von den Reichen, jeder soll behalten, was er
hält. Aber jene Fiction wollen wir zu Gunsten der Arbeit benutzen. Auch wir
wollen Papiere bedrücken und sie für Geld ausgeben. Dieses ist Hundert werth,
jenes Tausend und so schaffe" wir der Arbeit das Capital." Aber der Unsinn
wurde noch besser, denn jetzt kam Methode hinein. "Damit diese Papiere Gel¬
tung erhalten" entwickelte der Redner "haftet dafür solidarisch die gesammte Ar¬
beit." Eine kräftige Sicherheit für dies abstrakte Papiergeld! Die Fäuste der
rothen Republikaner werden ein Unterpfand auch für Anleihen und Gelderwerb.
Jedenfalls ist das ein großer Fortschritt, denn bis jetzt haben diese Fäuste nur
Zerstörung und Verminderung des Besitzes garantirt.

Der Winter rückt heran, declamirte man weiter. Das Volk steht ängstlich
ans uns, es steigt die Noth mit jedem Tage und die grimmigsten Feinde harren
vor der Thür, der Hunger und die Kälte. -- Gottlob! Der Winter ist ein Freund
der Ordnung und der Häuslichkeit, er ist reaktionär, denn er schließt die souve¬
ränen Versammlungen unter den Zelten und verbietet die "athenienstschen" Grup¬
pen ans der Treppe des Schauspielhauses. Der Winter, der jetzt heranrückt, ist
kein drohender, die Erndte war reich und Arbeit gibt es jetzt allenthalben, da
sich das Bedürfniß meldet und in den Magazinen große Lücken auszufüllen sind.
Vier Monate Ruhe ist eine schöne Zeit, wo vieles Neue geschaffen und fest wer¬
den kann, diese vier Mouate sind die Galgenfrist des deutschen Reiches, denn er¬
lebt die Revolution den Frühling, dann dürften an manchen Orten die Schnee¬
glöckchen scharlachrot!) aufblühen! --




Reiseeindrücke aus Franken und Thüringen.

Die Grenzboten haben neulich meines Wissens zum ersten Male seit unendlich
langer Zeit einen Blick ans unser Thüringen fallen lassen, das ihnen doch räumlich so
nahe liegt. Leider weiß ich nur zu gut, wessen die Schuld ist, daß es diesem Blatte,
wie von den meisten andern, außerhalb der landschaftlichen Grenzen erscheinenden, nicht
viel mehr beachtet wird, als irgend ein entfernter Winkel des Cassuben- oder Limbur-
ger Haidelandes. So geschieht es, daß man auswärts uns noch immer in die Rubrik


was zehrt an der Arbeit und läßt den Arbeiter niemals aufkommen? Das Ca¬
pital. Wenn wir die Arbeit vom Capital befreien, ist der Zustand erreicht, den
das Jahrhundert ungestüm fordert. Capital aber ist meistens nur eine Abstraction,
ein Begriff, ein Gedachtes. Hier ist ein Wechsel oder ein bedrucktes Papier, da¬
ran soll dies Hundert und dieses Tausend gelten. Gilt es denn soviel? Nein; es
ist eine Fiktion. Also ist mein Mittel sehr einfach. Keinen Eingriff in das Eigenthum,
nicht einen Groschen verlange ich von den Reichen, jeder soll behalten, was er
hält. Aber jene Fiction wollen wir zu Gunsten der Arbeit benutzen. Auch wir
wollen Papiere bedrücken und sie für Geld ausgeben. Dieses ist Hundert werth,
jenes Tausend und so schaffe» wir der Arbeit das Capital." Aber der Unsinn
wurde noch besser, denn jetzt kam Methode hinein. „Damit diese Papiere Gel¬
tung erhalten" entwickelte der Redner „haftet dafür solidarisch die gesammte Ar¬
beit." Eine kräftige Sicherheit für dies abstrakte Papiergeld! Die Fäuste der
rothen Republikaner werden ein Unterpfand auch für Anleihen und Gelderwerb.
Jedenfalls ist das ein großer Fortschritt, denn bis jetzt haben diese Fäuste nur
Zerstörung und Verminderung des Besitzes garantirt.

Der Winter rückt heran, declamirte man weiter. Das Volk steht ängstlich
ans uns, es steigt die Noth mit jedem Tage und die grimmigsten Feinde harren
vor der Thür, der Hunger und die Kälte. — Gottlob! Der Winter ist ein Freund
der Ordnung und der Häuslichkeit, er ist reaktionär, denn er schließt die souve¬
ränen Versammlungen unter den Zelten und verbietet die „athenienstschen" Grup¬
pen ans der Treppe des Schauspielhauses. Der Winter, der jetzt heranrückt, ist
kein drohender, die Erndte war reich und Arbeit gibt es jetzt allenthalben, da
sich das Bedürfniß meldet und in den Magazinen große Lücken auszufüllen sind.
Vier Monate Ruhe ist eine schöne Zeit, wo vieles Neue geschaffen und fest wer¬
den kann, diese vier Mouate sind die Galgenfrist des deutschen Reiches, denn er¬
lebt die Revolution den Frühling, dann dürften an manchen Orten die Schnee¬
glöckchen scharlachrot!) aufblühen! —




Reiseeindrücke aus Franken und Thüringen.

Die Grenzboten haben neulich meines Wissens zum ersten Male seit unendlich
langer Zeit einen Blick ans unser Thüringen fallen lassen, das ihnen doch räumlich so
nahe liegt. Leider weiß ich nur zu gut, wessen die Schuld ist, daß es diesem Blatte,
wie von den meisten andern, außerhalb der landschaftlichen Grenzen erscheinenden, nicht
viel mehr beachtet wird, als irgend ein entfernter Winkel des Cassuben- oder Limbur-
ger Haidelandes. So geschieht es, daß man auswärts uns noch immer in die Rubrik


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[0245] was zehrt an der Arbeit und läßt den Arbeiter niemals aufkommen? Das Ca¬ pital. Wenn wir die Arbeit vom Capital befreien, ist der Zustand erreicht, den das Jahrhundert ungestüm fordert. Capital aber ist meistens nur eine Abstraction, ein Begriff, ein Gedachtes. Hier ist ein Wechsel oder ein bedrucktes Papier, da¬ ran soll dies Hundert und dieses Tausend gelten. Gilt es denn soviel? Nein; es ist eine Fiktion. Also ist mein Mittel sehr einfach. Keinen Eingriff in das Eigenthum, nicht einen Groschen verlange ich von den Reichen, jeder soll behalten, was er hält. Aber jene Fiction wollen wir zu Gunsten der Arbeit benutzen. Auch wir wollen Papiere bedrücken und sie für Geld ausgeben. Dieses ist Hundert werth, jenes Tausend und so schaffe» wir der Arbeit das Capital." Aber der Unsinn wurde noch besser, denn jetzt kam Methode hinein. „Damit diese Papiere Gel¬ tung erhalten" entwickelte der Redner „haftet dafür solidarisch die gesammte Ar¬ beit." Eine kräftige Sicherheit für dies abstrakte Papiergeld! Die Fäuste der rothen Republikaner werden ein Unterpfand auch für Anleihen und Gelderwerb. Jedenfalls ist das ein großer Fortschritt, denn bis jetzt haben diese Fäuste nur Zerstörung und Verminderung des Besitzes garantirt. Der Winter rückt heran, declamirte man weiter. Das Volk steht ängstlich ans uns, es steigt die Noth mit jedem Tage und die grimmigsten Feinde harren vor der Thür, der Hunger und die Kälte. — Gottlob! Der Winter ist ein Freund der Ordnung und der Häuslichkeit, er ist reaktionär, denn er schließt die souve¬ ränen Versammlungen unter den Zelten und verbietet die „athenienstschen" Grup¬ pen ans der Treppe des Schauspielhauses. Der Winter, der jetzt heranrückt, ist kein drohender, die Erndte war reich und Arbeit gibt es jetzt allenthalben, da sich das Bedürfniß meldet und in den Magazinen große Lücken auszufüllen sind. Vier Monate Ruhe ist eine schöne Zeit, wo vieles Neue geschaffen und fest wer¬ den kann, diese vier Mouate sind die Galgenfrist des deutschen Reiches, denn er¬ lebt die Revolution den Frühling, dann dürften an manchen Orten die Schnee¬ glöckchen scharlachrot!) aufblühen! — Reiseeindrücke aus Franken und Thüringen. Die Grenzboten haben neulich meines Wissens zum ersten Male seit unendlich langer Zeit einen Blick ans unser Thüringen fallen lassen, das ihnen doch räumlich so nahe liegt. Leider weiß ich nur zu gut, wessen die Schuld ist, daß es diesem Blatte, wie von den meisten andern, außerhalb der landschaftlichen Grenzen erscheinenden, nicht viel mehr beachtet wird, als irgend ein entfernter Winkel des Cassuben- oder Limbur- ger Haidelandes. So geschieht es, daß man auswärts uns noch immer in die Rubrik

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/245>, abgerufen am 03.07.2024.