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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Neue Schriften über Oesterreich.
II.

I) Briefe eines Deutschen über Galizien. Breslau 1847. Jos. Max.

Diese Schrift ist noch viel mehr im Sinne der Regierung geschrieben und
gegen den Adel, als die Schrift, welche wir im vorigen Artikel besprochen
haben. "Ein mehrjähriger Aufenthalt in Galizien," sagt der Verf., "hat
mir Gelegenheit verschafft, die hiesigen Verhältnisse zu beobachten; von den
jüngsten Ereignissen bin ich entweder selbst Zeuge gewesen, oder habe doch
dnrch authentische Aktenstücke Kenntniß davon erlangt. Ich fühle mich vor
Allen verpflichtet, die Regierung gegen die theils völlig grundlosen, theils
höchst übertriebenen Anklagen zu vertheidigen, die von vielen Seiten her ge¬
gen sie erhoben worden sind. Diese Vorwürfe sind: 1) Unrcchtmäßigkeit des
Besitzes in Galizien; 2) Vernachlässigung dieser Provinz seit ihrer Besitz¬
nahme; 8) Begünstigung oder doch ohnmächtige Duldung der Gewaltthaten,
die während der Revolution verübt wurden."

Die erste Frage wird sehr kurz abgemacht und ist auch in der That
so häufig ventilirt, daß sich wohl ein Jeder von selbst das nöthige Urtheil
gebildet haben wird.

In Bezug auf die Zweite wird nachgewiesen, daß die Negierung Alles,
was in ihren Kräften stand, gethan habe, um dem elenden Zustand der
unterdrückten Volksklassen einigermaßen abzuhelfen. Es wird namentlich
das Patent vom 5. April 1782 über Aufhebung der Leibeigenschaft
angeführt, und an dasselbe die weitere Gesetzgebung jener Zeit als eine
organische Ausbildung desselben angeknüpft. "In der Hauptsache ist das
Unterthaueuverhältuiß bis auf die neueste Zeit unverändert geblieben. Es
liegt nicht in der Art unserer Negierung, durchgreifende Umgestaltungen
vorzunehmen ohne entschiedene Nothwendigkeit. Nie ist sie vernünftigem


Neue Schriften über Oesterreich.
II.

I) Briefe eines Deutschen über Galizien. Breslau 1847. Jos. Max.

Diese Schrift ist noch viel mehr im Sinne der Regierung geschrieben und
gegen den Adel, als die Schrift, welche wir im vorigen Artikel besprochen
haben. „Ein mehrjähriger Aufenthalt in Galizien," sagt der Verf., „hat
mir Gelegenheit verschafft, die hiesigen Verhältnisse zu beobachten; von den
jüngsten Ereignissen bin ich entweder selbst Zeuge gewesen, oder habe doch
dnrch authentische Aktenstücke Kenntniß davon erlangt. Ich fühle mich vor
Allen verpflichtet, die Regierung gegen die theils völlig grundlosen, theils
höchst übertriebenen Anklagen zu vertheidigen, die von vielen Seiten her ge¬
gen sie erhoben worden sind. Diese Vorwürfe sind: 1) Unrcchtmäßigkeit des
Besitzes in Galizien; 2) Vernachlässigung dieser Provinz seit ihrer Besitz¬
nahme; 8) Begünstigung oder doch ohnmächtige Duldung der Gewaltthaten,
die während der Revolution verübt wurden."

Die erste Frage wird sehr kurz abgemacht und ist auch in der That
so häufig ventilirt, daß sich wohl ein Jeder von selbst das nöthige Urtheil
gebildet haben wird.

In Bezug auf die Zweite wird nachgewiesen, daß die Negierung Alles,
was in ihren Kräften stand, gethan habe, um dem elenden Zustand der
unterdrückten Volksklassen einigermaßen abzuhelfen. Es wird namentlich
das Patent vom 5. April 1782 über Aufhebung der Leibeigenschaft
angeführt, und an dasselbe die weitere Gesetzgebung jener Zeit als eine
organische Ausbildung desselben angeknüpft. „In der Hauptsache ist das
Unterthaueuverhältuiß bis auf die neueste Zeit unverändert geblieben. Es
liegt nicht in der Art unserer Negierung, durchgreifende Umgestaltungen
vorzunehmen ohne entschiedene Nothwendigkeit. Nie ist sie vernünftigem


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[0065] Neue Schriften über Oesterreich. II. I) Briefe eines Deutschen über Galizien. Breslau 1847. Jos. Max. Diese Schrift ist noch viel mehr im Sinne der Regierung geschrieben und gegen den Adel, als die Schrift, welche wir im vorigen Artikel besprochen haben. „Ein mehrjähriger Aufenthalt in Galizien," sagt der Verf., „hat mir Gelegenheit verschafft, die hiesigen Verhältnisse zu beobachten; von den jüngsten Ereignissen bin ich entweder selbst Zeuge gewesen, oder habe doch dnrch authentische Aktenstücke Kenntniß davon erlangt. Ich fühle mich vor Allen verpflichtet, die Regierung gegen die theils völlig grundlosen, theils höchst übertriebenen Anklagen zu vertheidigen, die von vielen Seiten her ge¬ gen sie erhoben worden sind. Diese Vorwürfe sind: 1) Unrcchtmäßigkeit des Besitzes in Galizien; 2) Vernachlässigung dieser Provinz seit ihrer Besitz¬ nahme; 8) Begünstigung oder doch ohnmächtige Duldung der Gewaltthaten, die während der Revolution verübt wurden." Die erste Frage wird sehr kurz abgemacht und ist auch in der That so häufig ventilirt, daß sich wohl ein Jeder von selbst das nöthige Urtheil gebildet haben wird. In Bezug auf die Zweite wird nachgewiesen, daß die Negierung Alles, was in ihren Kräften stand, gethan habe, um dem elenden Zustand der unterdrückten Volksklassen einigermaßen abzuhelfen. Es wird namentlich das Patent vom 5. April 1782 über Aufhebung der Leibeigenschaft angeführt, und an dasselbe die weitere Gesetzgebung jener Zeit als eine organische Ausbildung desselben angeknüpft. „In der Hauptsache ist das Unterthaueuverhältuiß bis auf die neueste Zeit unverändert geblieben. Es liegt nicht in der Art unserer Negierung, durchgreifende Umgestaltungen vorzunehmen ohne entschiedene Nothwendigkeit. Nie ist sie vernünftigem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/65>, abgerufen am 01.09.2024.