Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.anwendet, und darin besteht, die reichen Leute mit den armen in Angst zu jagen. Gro߬ II. Berlins wissenschaftliche Bildung. (Fortsetzung des VriefeS vom vorigen Hefte.) Die Julirevolution machte durch ihre Einwirkung auf das Volk dem dvctrinaircn anwendet, und darin besteht, die reichen Leute mit den armen in Angst zu jagen. Gro߬ II. Berlins wissenschaftliche Bildung. (Fortsetzung des VriefeS vom vorigen Hefte.) Die Julirevolution machte durch ihre Einwirkung auf das Volk dem dvctrinaircn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0585" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184745"/> <p xml:id="ID_2105" prev="#ID_2104"> anwendet, und darin besteht, die reichen Leute mit den armen in Angst zu jagen. Gro߬<lb/> mächtig verkündigt das neue Regierungsblatt die Gefahr einer drohenden sozialen Re¬<lb/> volution, warnt vor dem schwarzen Wolf, genannt Communismus, der alle ungehorsame<lb/> Kinder, die etwa Opposition machen sollten, unfehlbar holen und auffressen wird. Es<lb/> wird Einem ganz bange, und ich fürchte auch anderswo ist der schwarze Wolf ein gar<lb/> schreckliches Gespenst, so lange mau ihn nicht an's Licht gezogen und ihm den überge¬<lb/> hängten Pelz abgezogen hat. Wahr ist — in Frankreich und wohl noch anderswo —-<lb/> daß die Arbeiter nach und nach a»f eine Stufe gelangt sind, auf der sie mit Recht am<lb/> öffentlichen Leben Theil nehmen wollen, und wird ihnen das zu lange verweigert, so<lb/> ist freilich Gefahr, daß sie in Frankreich am Ende es müde werden könnten, an den<lb/> Herren Präf<note type="byline"> ^ _^</note> ecten ein paar bescheidene Fragen zu richten. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> II.<lb/> Berlins wissenschaftliche Bildung.</head><lb/> <p xml:id="ID_2106"> (Fortsetzung des VriefeS vom vorigen Hefte.)</p><lb/> <p xml:id="ID_2107" next="#ID_2108"> Die Julirevolution machte durch ihre Einwirkung auf das Volk dem dvctrinaircn<lb/> Treiben, in welchem sich die Wissenschaft mit süßer Vergessenheit alles Objectiven ein¬<lb/> wiegte, ein schnelles Ende. Wenn ein Kampf ernst wird, so finden anch die Extreme<lb/> Muth, hervorzutreten; die rechte Mitte wird überholt. Man hatte bis dahin in Berlin<lb/> die „Zeitschrift für historische Rechtswissenschaft" als das vorzüglichste Organ der Konser¬<lb/> vativen, die von den Hegelianern herausgegebene Zeitschrift als die bedeutendste Ver¬<lb/> treterin der liberalen Färbung der Doctrin ansehen können. Nun sahen sich beide<lb/> überholt. Kurz nacheinander wurden in Berlin die „Evangelische Kirchenzeitung" und<lb/> das „Berliner politische Wochenblatt" gegründet, Organe einer Partei, die nicht mehr<lb/> das Erhalten des Bestehenden, sondern geradezu Rückkehr zu einem Zustande predigte,<lb/> in dem die Romantik mit umgekehrtem Idealismus das Bild des vollkommenen Men¬<lb/> schenlebens sah. Hengstenberg, der Herausgeber des ersten Blattes, hatte sich in Berlin<lb/> erhalten, obgleich Altenstein ihm nicht gewogen war und ihn nach Königsberg zu ent¬<lb/> fernen wünschte. Das Blatt wurde uicht ohne Geist redigirt, und man konnte nicht<lb/> einmal behaupten, daß es eine leere Wiederholung der alten verdorrten Wort-Orthodoxie<lb/> repräsentirte; es ging auf den Gegensatz ein, und suchte wenigstens hin und wieder<lb/> die Waffen des Denkens neben den Citaten aus der Bibel und den Kirchenvätern gegen<lb/> das moderne Heidenthum anzuwenden. Das politische Wochenblatt, bestimmt, die von Haller<lb/> in seiner Restauration der Staatswissenschaft gepredigten Ideen aus das einzelne, con-<lb/> crete Leben der Gegenwart anzuwenden, trat mit einem doctrinaircn Selbstgefühl auf,<lb/> wie es bei extremen Richtungen noch bisher in Deutschland nicht erhört gewesen war;<lb/> in den Zweigen der Politik, der Kirche, der Literatur wurde jede Erscheinung, in der<lb/> das Selbstbewußtsein und das Gefühl der Menschheit sich äußerte, mit eben so großer<lb/> Bitterkeit als principieller Ueberzeugung angefochten und verurtheilt. Es waren die<lb/> Epigonen der Schlegel'sehen Schule — Jarckc, Philipps u. f. w. — die auf dem Wege<lb/> ihres Vorbildes zur alleinseligmachenden Kirche zurückgekehrt waren und nun mit dem<lb/> Eifer eines Neubekehrten die ganze Welt ihrem Glauben zuzuführen gedachten. Der<lb/> erste Jahrgang, noch ganz in der Fülle des Glaubens geschrieben, war von einem ge¬<lb/> wissen theoretischen Interesse; aber die Hauptstadt eines protestantischen Staates war<lb/> denn doch nicht der angemessene Ort für die volle Konsequenz dieser Ideen; die ersten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0585]
anwendet, und darin besteht, die reichen Leute mit den armen in Angst zu jagen. Gro߬
mächtig verkündigt das neue Regierungsblatt die Gefahr einer drohenden sozialen Re¬
volution, warnt vor dem schwarzen Wolf, genannt Communismus, der alle ungehorsame
Kinder, die etwa Opposition machen sollten, unfehlbar holen und auffressen wird. Es
wird Einem ganz bange, und ich fürchte auch anderswo ist der schwarze Wolf ein gar
schreckliches Gespenst, so lange mau ihn nicht an's Licht gezogen und ihm den überge¬
hängten Pelz abgezogen hat. Wahr ist — in Frankreich und wohl noch anderswo —-
daß die Arbeiter nach und nach a»f eine Stufe gelangt sind, auf der sie mit Recht am
öffentlichen Leben Theil nehmen wollen, und wird ihnen das zu lange verweigert, so
ist freilich Gefahr, daß sie in Frankreich am Ende es müde werden könnten, an den
Herren Präf ^ _^ ecten ein paar bescheidene Fragen zu richten.
II.
Berlins wissenschaftliche Bildung.
(Fortsetzung des VriefeS vom vorigen Hefte.)
Die Julirevolution machte durch ihre Einwirkung auf das Volk dem dvctrinaircn
Treiben, in welchem sich die Wissenschaft mit süßer Vergessenheit alles Objectiven ein¬
wiegte, ein schnelles Ende. Wenn ein Kampf ernst wird, so finden anch die Extreme
Muth, hervorzutreten; die rechte Mitte wird überholt. Man hatte bis dahin in Berlin
die „Zeitschrift für historische Rechtswissenschaft" als das vorzüglichste Organ der Konser¬
vativen, die von den Hegelianern herausgegebene Zeitschrift als die bedeutendste Ver¬
treterin der liberalen Färbung der Doctrin ansehen können. Nun sahen sich beide
überholt. Kurz nacheinander wurden in Berlin die „Evangelische Kirchenzeitung" und
das „Berliner politische Wochenblatt" gegründet, Organe einer Partei, die nicht mehr
das Erhalten des Bestehenden, sondern geradezu Rückkehr zu einem Zustande predigte,
in dem die Romantik mit umgekehrtem Idealismus das Bild des vollkommenen Men¬
schenlebens sah. Hengstenberg, der Herausgeber des ersten Blattes, hatte sich in Berlin
erhalten, obgleich Altenstein ihm nicht gewogen war und ihn nach Königsberg zu ent¬
fernen wünschte. Das Blatt wurde uicht ohne Geist redigirt, und man konnte nicht
einmal behaupten, daß es eine leere Wiederholung der alten verdorrten Wort-Orthodoxie
repräsentirte; es ging auf den Gegensatz ein, und suchte wenigstens hin und wieder
die Waffen des Denkens neben den Citaten aus der Bibel und den Kirchenvätern gegen
das moderne Heidenthum anzuwenden. Das politische Wochenblatt, bestimmt, die von Haller
in seiner Restauration der Staatswissenschaft gepredigten Ideen aus das einzelne, con-
crete Leben der Gegenwart anzuwenden, trat mit einem doctrinaircn Selbstgefühl auf,
wie es bei extremen Richtungen noch bisher in Deutschland nicht erhört gewesen war;
in den Zweigen der Politik, der Kirche, der Literatur wurde jede Erscheinung, in der
das Selbstbewußtsein und das Gefühl der Menschheit sich äußerte, mit eben so großer
Bitterkeit als principieller Ueberzeugung angefochten und verurtheilt. Es waren die
Epigonen der Schlegel'sehen Schule — Jarckc, Philipps u. f. w. — die auf dem Wege
ihres Vorbildes zur alleinseligmachenden Kirche zurückgekehrt waren und nun mit dem
Eifer eines Neubekehrten die ganze Welt ihrem Glauben zuzuführen gedachten. Der
erste Jahrgang, noch ganz in der Fülle des Glaubens geschrieben, war von einem ge¬
wissen theoretischen Interesse; aber die Hauptstadt eines protestantischen Staates war
denn doch nicht der angemessene Ort für die volle Konsequenz dieser Ideen; die ersten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |