Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.ten. Man vermuthete durchschnittlich, der Graf Stanislaw Kuniskoi sei ein erfinderi¬ VI. Preußen's Stellung zur auswärtigen Politik. Die Aufregung, welche in allen Theilen des politischen Lebens sich drohend immer- Uebersehen wir gegenwärtig die politische Stellung Preußens zum Auslande, so Seine nächsten Bundesgenossen sind Rußland und Oesterreich, eine heilige Allianz Krciizl'oder. III. 1"17. 57
ten. Man vermuthete durchschnittlich, der Graf Stanislaw Kuniskoi sei ein erfinderi¬ VI. Preußen's Stellung zur auswärtigen Politik. Die Aufregung, welche in allen Theilen des politischen Lebens sich drohend immer- Uebersehen wir gegenwärtig die politische Stellung Preußens zum Auslande, so Seine nächsten Bundesgenossen sind Rußland und Oesterreich, eine heilige Allianz Krciizl'oder. III. 1«17. 57
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ten. Man vermuthete durchschnittlich, der Graf Stanislaw Kuniskoi sei ein erfinderi¬
scher Abenteurer, der sich bei seiner Rückkehr einen weitreichenden Credit in Hamburg
eröffnen wolle, Ware es so gewesen, der Mann hätte sich sehr geirrt; kein echter Ham¬
burger wird glauben, daß man den Werth von mehr als einer Viertelmillion im Ta-
schenbuche, als Reisekasse bei sich trage und — ihn gar verliere. Die mythische und
mystische Person des Grasen K. soll sich nnn aber vor den scharfen Augen der neugie¬
rigen Polizei ganz in Nebel aufgelöst haben und statt ihrer die Figur einer Altonai-
schen Industrie-Ritterin hervorgetreten sein, welche jene Annonce veranlaßte, um auf
den Ruf ihrer fabelhaften Ehrlichkeit und zu erwartenden Belohnung hin die Kassen
Anderer auszubeuten. So ist nus gestern erzählt worden. Wäre aber der Sachverhalt
dennoch ein anderer, ein reeller, so würde Rabbi Allda wiederum mit seinem Ausrufe
Unrecht haben: „Alles schon dagewesen!" — Eine Polizeifache möge anch diesen Brief
schließen; es ist nämlich Sache der Gerechtigkeit gegen den hiesigen tüchtigen Beamten
Mevius zu erwähnen, daß an allen von seinen angeblichen Vergehen, Verhaftung,
Escortirnng ans hier n. f. w. aufgesprengten Gerüchten anch kein wahres Wort gewe¬
sen. Privathaß opponirte wider seinen Ruf. Leider gaben sich auch große politische
Zeitungen, z. B. die Kölnische, obgleich ihr eine wahrheitsgemäße Berichtigung zuge¬
gangen sein sollte, zur consequenten Verbreitung jener Verleumdungen her. Wie stimmt
überhaupt der gemeine Stadtklatsch mit der Aufgabe eines solchen politischen Organes?!
VI.
Preußen's Stellung zur auswärtigen Politik.
Die Aufregung, welche in allen Theilen des politischen Lebens sich drohend immer-
weiter verbreitet, veranlaßt uns, einen Augenblick die Augen ans die politische Stellung
unseres Vaterlandes zu werfen. Es ist seit dem Sturz der Napoleonischen Herrschaft
die Fiction in den höhern Kreisen der Politik anerkannt worden, daß dies Gleichgewicht
der Welt, wenigstens Europa's, durch das Uebergewicht von fünf großen Mächten er¬
halten werde, zu denen auch Preußen gehöre. Fragen wir nnn, worin sich in den letz¬
ten Jahrzehenden diese Weltstellung Preußens geltend gemacht habe, so würde die Ant¬
wort schwer fallen. In den großen Fragen ist es unsers Wissens mir zweimal her¬
vorgetreten, in dem Kongreß, welcher mit Ausschluß Frankreichs die orientalischen An¬
gelegenheiten erledigte, und bei der Occupation Krakau's. Bei dem ersten war es
factisch in keiner Weise betheiligt, für seine Interessen konnte es vollkommen gleichgültig
sein, ob Mehemed Ali oder die Pforte in Syrien herrschte. Aber dieser nominelle
Antheil an der Weltregierung hätte es leicht in Conflicte gebracht, die eS allerdings
sehr persönlich betheiligt haben würden; denn die Franzosen hatten nicht übel Lust, den
Groll über ihre diplomatische Niederlage im Orient an den preußischen Rheinprovinzen
auszulassen. Was hätte wohl das preußische Volk dazu gesagt, wenn es für den Sul¬
tan Abdul Meschid sein Blut hätte vergießen müssen! — Die Occupation Krakau's
ferner war ein Act, der Preußen einerseits nur Schaden brachte, andrerseits als ein Fehdehand¬
schuh betrachtet wurde, den das absolutistische Europa dem constitutionellen vor die Füße warst
Uebersehen wir gegenwärtig die politische Stellung Preußens zum Auslande, so
finden wir, daß es nirgend von Einfluß ist. Es wird sehr vielfach gehaßt, nirgend
gefürchtet und nirgend geliebt.
Seine nächsten Bundesgenossen sind Rußland und Oesterreich, eine heilige Allianz
in welcher die Stimme des schwächsten der drei Verbündeten ziemlich ungehört verhallt..
Krciizl'oder. III. 1«17. 57
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