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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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rnfuug von Deputationen zur Berathung der öffentlichen Verhältnisse von Seiten
des Papstes. Das letzte kommt einem wie im Traume vor.

Mit Diesterwcg's Entlassung aus seinem Amt, dem Dircctvrat des pädagogi¬
schen Seminars, dem er so viele Jahre mit rühmlicher Wirksamkeit vorgestanden,
fallen die genauern Betanntmachnngen von dem Hamburger Ncformplan des Er-
ziehungswesens in eine Zeit. ES scheint als habe man der Schule ihren privaten
Charakter ganz entziehn, und den Unterricht als ein ausschließliches Staatsinstitut
auffassen wollen; nach unserer Meinung ein zu weitgreifendes Experiment, da in
diesem, wie in den meisten Fällen des öffentlichen Lebens, der Staat viel heil¬
samer wirkt, wenn er mir beaufsichtigt, anspornt und mäßigt, als wenn er un¬
mittelbar verwaltet. In unserm Staat scheint sich im Gegentheil dies ganz rich¬
tige Prinzip Bahn zu brechen, der freien Einsicht der Privaten anch in diesem
Zweige des Lebens einen größern Spielraum zu gestatten, was die thätige Theil¬
Ueuk'^lit" nahme des Staats keineswegs ausschließt.


VII.

Der gremdenzng, -- Helgoland und seine Besucher. -- Seebäder und Eiseut'ahne". -- Literatur
und Theater. -- Die Wiener Hofschauspieler auf Reisen. -- Hamburgischcr Enthusiasmus.

Wir sind auf der brennenden Höhe des Sommers, und der Rückblick, den
wir von da aus auf den unser Hamburg durchfluthcndcn Fremdenstrom dieses
Jahres werfen können, zeigt ein erfreulich überraschendes Anschwelle". Früher
war es vorzugsweise die Epoche der Wettrennen, welche alle Gasthöfe bis unter
den Giebel füllte und die hiesigen Frcmdenlisten gewaltig ausreckte. Im laufen¬
den Sommer hatten dieselbe fast ununterbrochen eine riesige Körpergröße und die
Hotelbesitzer dürfen sich gegründeter Hoffnung überlassen, jene Namensverzeichnisse
sich mit jedem Jahre gigantischer entwickeln zu sehen. Viel haben wir bei diesem
starken Fremdenbesuche, der natürlich in alle Adern und Lebcnskanäle Hamburgs,
soweit sie wieder auf den materiellen, gewerblichen Pulsschlag influiren, Regung
und Bewegung bringt, den benachbarten Seebädern zu danken. Um nur eins
hervorzuheben, Helgoland, so gibt mau an, daß dort niemals die Kurgäste in
solcher Zahl versammelt gewesen, als es dieses Jahr der Fall. Das aristokra¬
tische Element unter Helgolands Badegästen scheint sich aber -- obwohl seit ge¬
raumer Zeit ein sächsischer Prinz dort ist -- nicht auf gleicher Höhe zu erhal-
reu; ein ganzes Heer von Lieutenants soll dort tonangebend sein und was sich
um dasselbe meist gruppirt, der Creme der Gesellschaft eben auch nicht angehö¬
ren, Sie, Herr Redacteur, waren ja Augenzeuge, Selbstbeobachter, wahrscheinlich anch
-- Mitleidender! -- Wir verdauten, wollt' ich oben sagen, den Seebädern (näm¬
lich anch Norderney, Wangcrroge, auch Doberan und selbst Warnemünde) viel,
jedoch hat auch das neue Hamburg an und sür sich viel Magnetisches in seinem
glänzenden Neubau, in seinem herrlichen Alstcrbassin, in den lebendigen Schwin¬
gungen aller seiner so verschiedenartigen Lebenselemente! Sie ziehen an, sie


rnfuug von Deputationen zur Berathung der öffentlichen Verhältnisse von Seiten
des Papstes. Das letzte kommt einem wie im Traume vor.

Mit Diesterwcg's Entlassung aus seinem Amt, dem Dircctvrat des pädagogi¬
schen Seminars, dem er so viele Jahre mit rühmlicher Wirksamkeit vorgestanden,
fallen die genauern Betanntmachnngen von dem Hamburger Ncformplan des Er-
ziehungswesens in eine Zeit. ES scheint als habe man der Schule ihren privaten
Charakter ganz entziehn, und den Unterricht als ein ausschließliches Staatsinstitut
auffassen wollen; nach unserer Meinung ein zu weitgreifendes Experiment, da in
diesem, wie in den meisten Fällen des öffentlichen Lebens, der Staat viel heil¬
samer wirkt, wenn er mir beaufsichtigt, anspornt und mäßigt, als wenn er un¬
mittelbar verwaltet. In unserm Staat scheint sich im Gegentheil dies ganz rich¬
tige Prinzip Bahn zu brechen, der freien Einsicht der Privaten anch in diesem
Zweige des Lebens einen größern Spielraum zu gestatten, was die thätige Theil¬
Ueuk'^lit» nahme des Staats keineswegs ausschließt.


VII.

Der gremdenzng, — Helgoland und seine Besucher. — Seebäder und Eiseut'ahne». — Literatur
und Theater. — Die Wiener Hofschauspieler auf Reisen. — Hamburgischcr Enthusiasmus.

Wir sind auf der brennenden Höhe des Sommers, und der Rückblick, den
wir von da aus auf den unser Hamburg durchfluthcndcn Fremdenstrom dieses
Jahres werfen können, zeigt ein erfreulich überraschendes Anschwelle». Früher
war es vorzugsweise die Epoche der Wettrennen, welche alle Gasthöfe bis unter
den Giebel füllte und die hiesigen Frcmdenlisten gewaltig ausreckte. Im laufen¬
den Sommer hatten dieselbe fast ununterbrochen eine riesige Körpergröße und die
Hotelbesitzer dürfen sich gegründeter Hoffnung überlassen, jene Namensverzeichnisse
sich mit jedem Jahre gigantischer entwickeln zu sehen. Viel haben wir bei diesem
starken Fremdenbesuche, der natürlich in alle Adern und Lebcnskanäle Hamburgs,
soweit sie wieder auf den materiellen, gewerblichen Pulsschlag influiren, Regung
und Bewegung bringt, den benachbarten Seebädern zu danken. Um nur eins
hervorzuheben, Helgoland, so gibt mau an, daß dort niemals die Kurgäste in
solcher Zahl versammelt gewesen, als es dieses Jahr der Fall. Das aristokra¬
tische Element unter Helgolands Badegästen scheint sich aber — obwohl seit ge¬
raumer Zeit ein sächsischer Prinz dort ist — nicht auf gleicher Höhe zu erhal-
reu; ein ganzes Heer von Lieutenants soll dort tonangebend sein und was sich
um dasselbe meist gruppirt, der Creme der Gesellschaft eben auch nicht angehö¬
ren, Sie, Herr Redacteur, waren ja Augenzeuge, Selbstbeobachter, wahrscheinlich anch
— Mitleidender! — Wir verdauten, wollt' ich oben sagen, den Seebädern (näm¬
lich anch Norderney, Wangcrroge, auch Doberan und selbst Warnemünde) viel,
jedoch hat auch das neue Hamburg an und sür sich viel Magnetisches in seinem
glänzenden Neubau, in seinem herrlichen Alstcrbassin, in den lebendigen Schwin¬
gungen aller seiner so verschiedenartigen Lebenselemente! Sie ziehen an, sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/310>, abgerufen am 27.07.2024.