Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
2. Liirst Piickler*).

Es sind jetzt ungefähr zwei Jahrzehende, daß ein neugieriges Publikum zum
erstenmal in die Salons der hohen Aristokratie eingeführt wurde, in die Zirkel
der mächtigsten Aristokratie, welche Enropa kennt, der Englischen. Damals be¬
gann überhaupt der hohe Adel, der eine Zeitlang in der Literatur gefeiert hatte,
sich eifrigst dieser Beschäftigung anzunehmen, die nnn neben der Jagd und den
8to<!>>I"z-l^asos zu den nobeln Passionen gerechnet wurde. Ein deutscher Fürst
war es, der uns die objective Welt in vielen ihrer geheimen Beziehungen, in der
bunten Beweglichkeit eines Panorama's, das sich über Enropa, Asien und Afrika
ausdehnte, auszuschließen unternahm, wie bald darauf eine deutsche Gräfin die in¬
timsten Empfindungen eines hochgeborenen Busens der Populace zur Schau stellte.
Der Fürst ging in seiner Objektivität weiter, als es den gemeinen Erdensvhnen
möglich ist; er aMimatisirte sich auf eine wunderbare Weise; und wenn er indem freien
Albion deu vornehmen Jokcyclnbbistcn ebenso gut zu spielen verstand, als den Fuchs-
Hetzer, so wurde er im Orient zum Türken, er rauchte mit den Orientalen im Feß
und Kaftan türkischen Tabak, schlürfte schwarzen Kaffeebrei und was sonst die Landes¬
sitte mit sich brachte. Vielleicht würde er bei den Hottentotten sich in Schaffelle klei¬
den, bei den Irokese" dem geistreichen Gesicht eine Tinktur vou Schlaugeukuäueln oder
Todtenköpfen geben. Dabei behielt er aber stets das Bewnßlsei" eines vornehmen
Mannes, der nnr momenta" eine Maske trägt, und ironisirte sich selbst in seiner
Verpuppung. Der echte Aristokrat ist ein geborner Kosmopolit; frei von der
Scholle ist nur, wer nicht an die praktische, unmittelbare Thätigkeit des realen
Lebens mit seinen Sorgen und Mühen, nicht an die Schranken der engumgrenz-
ten sittlichen Welt gekettet ist.

Der größere Theil der Mittheilungen, die wir hier über des Fürsten Freund
empfangen, deu barbarischen Verehrer und Verbreiter der europäischen Civilisation,
über seine weiten Reformpläne, die Versuche und Hindernisse seiner Politik, die
Kriegsthaten seines tapfern Sohnes, siud uns schon früher, wenigstens theilweise
in Zeitschriften zu Gesicht gekommen. Die interessante Zusammenkunft des Fürsten
mit der Königin der Wüste, der Lady Esther Stanhope, in welcher der Erstere
das ganze Selbstgefühl eines graziösen Chevaliers der alten Bildung entwickelt;
die verunglückten Versuche, in dem Feldzug Ibrahims in Syrien, wenigstens den
Antheil eines Beobachters zu nehmen, die halb von der Ironie der Aufklärung
zersetzte gläubig-enthusiastische Stimmung im Besuch der Heiligthümer des Jordan,
die Unterhaltungen mit den Beamten des alten ViccloUigS, die Abentheuer in der
Wüste -- dies Alles gibt der Reise einen eigene" pikante" Anstrich, der durch



*) "Die Rückkehr." Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen. Berlin, I84V --47.
A. Duncker. 1r Theil: Acgypte". Ar Theil- Syrien.
2. Liirst Piickler*).

Es sind jetzt ungefähr zwei Jahrzehende, daß ein neugieriges Publikum zum
erstenmal in die Salons der hohen Aristokratie eingeführt wurde, in die Zirkel
der mächtigsten Aristokratie, welche Enropa kennt, der Englischen. Damals be¬
gann überhaupt der hohe Adel, der eine Zeitlang in der Literatur gefeiert hatte,
sich eifrigst dieser Beschäftigung anzunehmen, die nnn neben der Jagd und den
8to<!>>I«z-l^asos zu den nobeln Passionen gerechnet wurde. Ein deutscher Fürst
war es, der uns die objective Welt in vielen ihrer geheimen Beziehungen, in der
bunten Beweglichkeit eines Panorama's, das sich über Enropa, Asien und Afrika
ausdehnte, auszuschließen unternahm, wie bald darauf eine deutsche Gräfin die in¬
timsten Empfindungen eines hochgeborenen Busens der Populace zur Schau stellte.
Der Fürst ging in seiner Objektivität weiter, als es den gemeinen Erdensvhnen
möglich ist; er aMimatisirte sich auf eine wunderbare Weise; und wenn er indem freien
Albion deu vornehmen Jokcyclnbbistcn ebenso gut zu spielen verstand, als den Fuchs-
Hetzer, so wurde er im Orient zum Türken, er rauchte mit den Orientalen im Feß
und Kaftan türkischen Tabak, schlürfte schwarzen Kaffeebrei und was sonst die Landes¬
sitte mit sich brachte. Vielleicht würde er bei den Hottentotten sich in Schaffelle klei¬
den, bei den Irokese» dem geistreichen Gesicht eine Tinktur vou Schlaugeukuäueln oder
Todtenköpfen geben. Dabei behielt er aber stets das Bewnßlsei» eines vornehmen
Mannes, der nnr momenta» eine Maske trägt, und ironisirte sich selbst in seiner
Verpuppung. Der echte Aristokrat ist ein geborner Kosmopolit; frei von der
Scholle ist nur, wer nicht an die praktische, unmittelbare Thätigkeit des realen
Lebens mit seinen Sorgen und Mühen, nicht an die Schranken der engumgrenz-
ten sittlichen Welt gekettet ist.

Der größere Theil der Mittheilungen, die wir hier über des Fürsten Freund
empfangen, deu barbarischen Verehrer und Verbreiter der europäischen Civilisation,
über seine weiten Reformpläne, die Versuche und Hindernisse seiner Politik, die
Kriegsthaten seines tapfern Sohnes, siud uns schon früher, wenigstens theilweise
in Zeitschriften zu Gesicht gekommen. Die interessante Zusammenkunft des Fürsten
mit der Königin der Wüste, der Lady Esther Stanhope, in welcher der Erstere
das ganze Selbstgefühl eines graziösen Chevaliers der alten Bildung entwickelt;
die verunglückten Versuche, in dem Feldzug Ibrahims in Syrien, wenigstens den
Antheil eines Beobachters zu nehmen, die halb von der Ironie der Aufklärung
zersetzte gläubig-enthusiastische Stimmung im Besuch der Heiligthümer des Jordan,
die Unterhaltungen mit den Beamten des alten ViccloUigS, die Abentheuer in der
Wüste — dies Alles gibt der Reise einen eigene» pikante» Anstrich, der durch



*) „Die Rückkehr." Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen. Berlin, I84V —47.
A. Duncker. 1r Theil: Acgypte». Ar Theil- Syrien.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184890"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 2. Liirst Piickler*).</head><lb/>
            <p xml:id="ID_408"> Es sind jetzt ungefähr zwei Jahrzehende, daß ein neugieriges Publikum zum<lb/>
erstenmal in die Salons der hohen Aristokratie eingeführt wurde, in die Zirkel<lb/>
der mächtigsten Aristokratie, welche Enropa kennt, der Englischen. Damals be¬<lb/>
gann überhaupt der hohe Adel, der eine Zeitlang in der Literatur gefeiert hatte,<lb/>
sich eifrigst dieser Beschäftigung anzunehmen, die nnn neben der Jagd und den<lb/>
8to&lt;!&gt;&gt;I«z-l^asos zu den nobeln Passionen gerechnet wurde. Ein deutscher Fürst<lb/>
war es, der uns die objective Welt in vielen ihrer geheimen Beziehungen, in der<lb/>
bunten Beweglichkeit eines Panorama's, das sich über Enropa, Asien und Afrika<lb/>
ausdehnte, auszuschließen unternahm, wie bald darauf eine deutsche Gräfin die in¬<lb/>
timsten Empfindungen eines hochgeborenen Busens der Populace zur Schau stellte.<lb/>
Der Fürst ging in seiner Objektivität weiter, als es den gemeinen Erdensvhnen<lb/>
möglich ist; er aMimatisirte sich auf eine wunderbare Weise; und wenn er indem freien<lb/>
Albion deu vornehmen Jokcyclnbbistcn ebenso gut zu spielen verstand, als den Fuchs-<lb/>
Hetzer, so wurde er im Orient zum Türken, er rauchte mit den Orientalen im Feß<lb/>
und Kaftan türkischen Tabak, schlürfte schwarzen Kaffeebrei und was sonst die Landes¬<lb/>
sitte mit sich brachte. Vielleicht würde er bei den Hottentotten sich in Schaffelle klei¬<lb/>
den, bei den Irokese» dem geistreichen Gesicht eine Tinktur vou Schlaugeukuäueln oder<lb/>
Todtenköpfen geben. Dabei behielt er aber stets das Bewnßlsei» eines vornehmen<lb/>
Mannes, der nnr momenta» eine Maske trägt, und ironisirte sich selbst in seiner<lb/>
Verpuppung. Der echte Aristokrat ist ein geborner Kosmopolit; frei von der<lb/>
Scholle ist nur, wer nicht an die praktische, unmittelbare Thätigkeit des realen<lb/>
Lebens mit seinen Sorgen und Mühen, nicht an die Schranken der engumgrenz-<lb/>
ten sittlichen Welt gekettet ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_409" next="#ID_410"> Der größere Theil der Mittheilungen, die wir hier über des Fürsten Freund<lb/>
empfangen, deu barbarischen Verehrer und Verbreiter der europäischen Civilisation,<lb/>
über seine weiten Reformpläne, die Versuche und Hindernisse seiner Politik, die<lb/>
Kriegsthaten seines tapfern Sohnes, siud uns schon früher, wenigstens theilweise<lb/>
in Zeitschriften zu Gesicht gekommen. Die interessante Zusammenkunft des Fürsten<lb/>
mit der Königin der Wüste, der Lady Esther Stanhope, in welcher der Erstere<lb/>
das ganze Selbstgefühl eines graziösen Chevaliers der alten Bildung entwickelt;<lb/>
die verunglückten Versuche, in dem Feldzug Ibrahims in Syrien, wenigstens den<lb/>
Antheil eines Beobachters zu nehmen, die halb von der Ironie der Aufklärung<lb/>
zersetzte gläubig-enthusiastische Stimmung im Besuch der Heiligthümer des Jordan,<lb/>
die Unterhaltungen mit den Beamten des alten ViccloUigS, die Abentheuer in der<lb/>
Wüste &#x2014; dies Alles gibt der Reise einen eigene» pikante» Anstrich, der durch</p><lb/>
            <note xml:id="FID_16" place="foot"> *) &#x201E;Die Rückkehr." Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen. Berlin, I84V &#x2014;47.<lb/>
A. Duncker. 1r Theil: Acgypte». Ar Theil- Syrien.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0126] 2. Liirst Piickler*). Es sind jetzt ungefähr zwei Jahrzehende, daß ein neugieriges Publikum zum erstenmal in die Salons der hohen Aristokratie eingeführt wurde, in die Zirkel der mächtigsten Aristokratie, welche Enropa kennt, der Englischen. Damals be¬ gann überhaupt der hohe Adel, der eine Zeitlang in der Literatur gefeiert hatte, sich eifrigst dieser Beschäftigung anzunehmen, die nnn neben der Jagd und den 8to<!>>I«z-l^asos zu den nobeln Passionen gerechnet wurde. Ein deutscher Fürst war es, der uns die objective Welt in vielen ihrer geheimen Beziehungen, in der bunten Beweglichkeit eines Panorama's, das sich über Enropa, Asien und Afrika ausdehnte, auszuschließen unternahm, wie bald darauf eine deutsche Gräfin die in¬ timsten Empfindungen eines hochgeborenen Busens der Populace zur Schau stellte. Der Fürst ging in seiner Objektivität weiter, als es den gemeinen Erdensvhnen möglich ist; er aMimatisirte sich auf eine wunderbare Weise; und wenn er indem freien Albion deu vornehmen Jokcyclnbbistcn ebenso gut zu spielen verstand, als den Fuchs- Hetzer, so wurde er im Orient zum Türken, er rauchte mit den Orientalen im Feß und Kaftan türkischen Tabak, schlürfte schwarzen Kaffeebrei und was sonst die Landes¬ sitte mit sich brachte. Vielleicht würde er bei den Hottentotten sich in Schaffelle klei¬ den, bei den Irokese» dem geistreichen Gesicht eine Tinktur vou Schlaugeukuäueln oder Todtenköpfen geben. Dabei behielt er aber stets das Bewnßlsei» eines vornehmen Mannes, der nnr momenta» eine Maske trägt, und ironisirte sich selbst in seiner Verpuppung. Der echte Aristokrat ist ein geborner Kosmopolit; frei von der Scholle ist nur, wer nicht an die praktische, unmittelbare Thätigkeit des realen Lebens mit seinen Sorgen und Mühen, nicht an die Schranken der engumgrenz- ten sittlichen Welt gekettet ist. Der größere Theil der Mittheilungen, die wir hier über des Fürsten Freund empfangen, deu barbarischen Verehrer und Verbreiter der europäischen Civilisation, über seine weiten Reformpläne, die Versuche und Hindernisse seiner Politik, die Kriegsthaten seines tapfern Sohnes, siud uns schon früher, wenigstens theilweise in Zeitschriften zu Gesicht gekommen. Die interessante Zusammenkunft des Fürsten mit der Königin der Wüste, der Lady Esther Stanhope, in welcher der Erstere das ganze Selbstgefühl eines graziösen Chevaliers der alten Bildung entwickelt; die verunglückten Versuche, in dem Feldzug Ibrahims in Syrien, wenigstens den Antheil eines Beobachters zu nehmen, die halb von der Ironie der Aufklärung zersetzte gläubig-enthusiastische Stimmung im Besuch der Heiligthümer des Jordan, die Unterhaltungen mit den Beamten des alten ViccloUigS, die Abentheuer in der Wüste — dies Alles gibt der Reise einen eigene» pikante» Anstrich, der durch *) „Die Rückkehr." Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen. Berlin, I84V —47. A. Duncker. 1r Theil: Acgypte». Ar Theil- Syrien.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/126
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/126>, abgerufen am 22.07.2024.