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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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die Regierung werde den im blüthereichen Mai unbedingt gefaßten, auch
unbedingt genehmigten Beschluß, für alle Zukunft aufrecht zu halten wissen.

Aus so schöner Maiblüthc reiften so herbe Früchte heran im Okto¬
ber 1846. Ständische Großmut!) wurde von der Kartosselfäule befallen.


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Theaterwescn.*)

Die schönen Tage sind längst vorüber, wo deutsche Journale in
holder Fricdseligkeit nichts zu besprechen wußten, als ihr Theater, das
einzige der freien, wenn auch censirten, Besprechung anheim gegebenes
Object. Sie waren idyllisch diese Tage, wenn auch langweilig wie schwa¬
cher Thee, doch saßen damals weniger Literaten ihren Humor auf der
Festung ab, auch hatten weniger Literaten nachher ex portu zu schreiben
und dennoch müssen Sie eine Theatcrnotiz hinnehmen aus dem histori¬
schen Prag, dem historischen, was so viel bedeutet als ehemaligen, heute
mäusetodten.

Ihr Journal hat jüngsthin eine Beurtheilung unseres Theaterwesens
gebracht, welche wenn auch lückenhaft, doch Wahrheit, wiewohl bittere
aussprach, suum cuiyue ist pflichtmäßiger Wahlspruch eines ehrlichen
Correspondenten, drum sei Ihnen auch berichtet, daß die Theaterverhältnisse
sich im Ganzen etwas gebessert, das Publicum wenn auch nur oberfläch¬
lich, versöhnlich gestimmt haben.

Man hat eine ziemlich gute Schauspielerin, Mad. Pollert aus
Vreslau, gewonnen, welche das Publicum ansprach, und jene frühere
Dame endlich verdrängte, die uns unerträglich geworden, mag sein, daß
der Contrast bedeutend .beitrug, Madame Pollert auf jene Folie
glänzend zu machen. Legt Mad. Pollert übermäßiges Minaudiren ab,
und eine bisweilen ermüdende Maniertheit, so kann sie sich halten, wenn
auch der Kothurn ihr nimmer paßt, so wenig als das Elfengewand, denn
so wohlgenährte Elfen trägen die Lüfte kaum.

Man hat unter Mitwirkung eines Oberregtsseurs Rottmeyer,
ditto aus Breslau, den artesischen Brunnen recht stattlich, den Sommer¬
nachtstraum gar lieblich und nett in Scene gesetzt, und mit letzterem be¬
sonders volle Häuser gemacht, was der Regie wie dem Publicum gleiche
Ehre machen dürste.

Hätten wir die Beruhigung, Herrn Rottmeyer nur als Arrangeur
in Dienste genommen zu wissen, manch' nettem Theaterabende wäre un¬
befangen entgegenzusehen, doch leider hat Herr Rottmeyer noch eine fatale
Nebenetgenschaft, er ist nämlich Schauspieler, und spielt Schau mit un¬
ermüdlicher Passion, in wenigen Tagen schauspielte er sehr Vieles, und
weit mehr als uns lieb war. Mephisto -- Shylo? -- Don Philipp,
ich lasse ab, im Zeitungsblatt zu melden, was wir schaudernd selbst er¬
lebt. -- Denken sie sich Hanswurst als Mephisto, Mephisto als Shilok



*) Der Herr Einsender dieser Corresp. wird ersucht, uns gefälligst eine zu¬
verlässige Adresse angeben zu wollen, unter der wir ihm schreiben körinten.

die Regierung werde den im blüthereichen Mai unbedingt gefaßten, auch
unbedingt genehmigten Beschluß, für alle Zukunft aufrecht zu halten wissen.

Aus so schöner Maiblüthc reiften so herbe Früchte heran im Okto¬
ber 1846. Ständische Großmut!) wurde von der Kartosselfäule befallen.



2.
Theaterwescn.*)

Die schönen Tage sind längst vorüber, wo deutsche Journale in
holder Fricdseligkeit nichts zu besprechen wußten, als ihr Theater, das
einzige der freien, wenn auch censirten, Besprechung anheim gegebenes
Object. Sie waren idyllisch diese Tage, wenn auch langweilig wie schwa¬
cher Thee, doch saßen damals weniger Literaten ihren Humor auf der
Festung ab, auch hatten weniger Literaten nachher ex portu zu schreiben
und dennoch müssen Sie eine Theatcrnotiz hinnehmen aus dem histori¬
schen Prag, dem historischen, was so viel bedeutet als ehemaligen, heute
mäusetodten.

Ihr Journal hat jüngsthin eine Beurtheilung unseres Theaterwesens
gebracht, welche wenn auch lückenhaft, doch Wahrheit, wiewohl bittere
aussprach, suum cuiyue ist pflichtmäßiger Wahlspruch eines ehrlichen
Correspondenten, drum sei Ihnen auch berichtet, daß die Theaterverhältnisse
sich im Ganzen etwas gebessert, das Publicum wenn auch nur oberfläch¬
lich, versöhnlich gestimmt haben.

Man hat eine ziemlich gute Schauspielerin, Mad. Pollert aus
Vreslau, gewonnen, welche das Publicum ansprach, und jene frühere
Dame endlich verdrängte, die uns unerträglich geworden, mag sein, daß
der Contrast bedeutend .beitrug, Madame Pollert auf jene Folie
glänzend zu machen. Legt Mad. Pollert übermäßiges Minaudiren ab,
und eine bisweilen ermüdende Maniertheit, so kann sie sich halten, wenn
auch der Kothurn ihr nimmer paßt, so wenig als das Elfengewand, denn
so wohlgenährte Elfen trägen die Lüfte kaum.

Man hat unter Mitwirkung eines Oberregtsseurs Rottmeyer,
ditto aus Breslau, den artesischen Brunnen recht stattlich, den Sommer¬
nachtstraum gar lieblich und nett in Scene gesetzt, und mit letzterem be¬
sonders volle Häuser gemacht, was der Regie wie dem Publicum gleiche
Ehre machen dürste.

Hätten wir die Beruhigung, Herrn Rottmeyer nur als Arrangeur
in Dienste genommen zu wissen, manch' nettem Theaterabende wäre un¬
befangen entgegenzusehen, doch leider hat Herr Rottmeyer noch eine fatale
Nebenetgenschaft, er ist nämlich Schauspieler, und spielt Schau mit un¬
ermüdlicher Passion, in wenigen Tagen schauspielte er sehr Vieles, und
weit mehr als uns lieb war. Mephisto — Shylo? — Don Philipp,
ich lasse ab, im Zeitungsblatt zu melden, was wir schaudernd selbst er¬
lebt. — Denken sie sich Hanswurst als Mephisto, Mephisto als Shilok



*) Der Herr Einsender dieser Corresp. wird ersucht, uns gefälligst eine zu¬
verlässige Adresse angeben zu wollen, unter der wir ihm schreiben körinten.
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[0082] die Regierung werde den im blüthereichen Mai unbedingt gefaßten, auch unbedingt genehmigten Beschluß, für alle Zukunft aufrecht zu halten wissen. Aus so schöner Maiblüthc reiften so herbe Früchte heran im Okto¬ ber 1846. Ständische Großmut!) wurde von der Kartosselfäule befallen. — 2. Theaterwescn.*) Die schönen Tage sind längst vorüber, wo deutsche Journale in holder Fricdseligkeit nichts zu besprechen wußten, als ihr Theater, das einzige der freien, wenn auch censirten, Besprechung anheim gegebenes Object. Sie waren idyllisch diese Tage, wenn auch langweilig wie schwa¬ cher Thee, doch saßen damals weniger Literaten ihren Humor auf der Festung ab, auch hatten weniger Literaten nachher ex portu zu schreiben und dennoch müssen Sie eine Theatcrnotiz hinnehmen aus dem histori¬ schen Prag, dem historischen, was so viel bedeutet als ehemaligen, heute mäusetodten. Ihr Journal hat jüngsthin eine Beurtheilung unseres Theaterwesens gebracht, welche wenn auch lückenhaft, doch Wahrheit, wiewohl bittere aussprach, suum cuiyue ist pflichtmäßiger Wahlspruch eines ehrlichen Correspondenten, drum sei Ihnen auch berichtet, daß die Theaterverhältnisse sich im Ganzen etwas gebessert, das Publicum wenn auch nur oberfläch¬ lich, versöhnlich gestimmt haben. Man hat eine ziemlich gute Schauspielerin, Mad. Pollert aus Vreslau, gewonnen, welche das Publicum ansprach, und jene frühere Dame endlich verdrängte, die uns unerträglich geworden, mag sein, daß der Contrast bedeutend .beitrug, Madame Pollert auf jene Folie glänzend zu machen. Legt Mad. Pollert übermäßiges Minaudiren ab, und eine bisweilen ermüdende Maniertheit, so kann sie sich halten, wenn auch der Kothurn ihr nimmer paßt, so wenig als das Elfengewand, denn so wohlgenährte Elfen trägen die Lüfte kaum. Man hat unter Mitwirkung eines Oberregtsseurs Rottmeyer, ditto aus Breslau, den artesischen Brunnen recht stattlich, den Sommer¬ nachtstraum gar lieblich und nett in Scene gesetzt, und mit letzterem be¬ sonders volle Häuser gemacht, was der Regie wie dem Publicum gleiche Ehre machen dürste. Hätten wir die Beruhigung, Herrn Rottmeyer nur als Arrangeur in Dienste genommen zu wissen, manch' nettem Theaterabende wäre un¬ befangen entgegenzusehen, doch leider hat Herr Rottmeyer noch eine fatale Nebenetgenschaft, er ist nämlich Schauspieler, und spielt Schau mit un¬ ermüdlicher Passion, in wenigen Tagen schauspielte er sehr Vieles, und weit mehr als uns lieb war. Mephisto — Shylo? — Don Philipp, ich lasse ab, im Zeitungsblatt zu melden, was wir schaudernd selbst er¬ lebt. — Denken sie sich Hanswurst als Mephisto, Mephisto als Shilok *) Der Herr Einsender dieser Corresp. wird ersucht, uns gefälligst eine zu¬ verlässige Adresse angeben zu wollen, unter der wir ihm schreiben körinten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/82>, abgerufen am 05.12.2024.