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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Aus Mainz.

Lethargie und Erwachen. -- Der Arzt für Gesunde. -- Der Ooäs Napoleon und
der neue Gesetzbuchentwurf. -- Kunstverein. -- Veit und Rüstige. -- Thcatcr-
jammer. -- Gasthausleben. -- Die Volksschulen.

Es^ ist Ihnen ebenso gut wie vielen Andern gewiß schon aufgefal¬
len, daß Mainz, das alte, ehrwürdige, weltberühmte, an zwei Flüssen
liegende Mainz bis jetzt so wenig von sich reden gemacht und das noch
obendrein zu einer Zeit, wo die kleinsten Städte und Menschen die Or¬
gane der Presse so oft beschäftigen. Die Ursache davon lag aber darin,
daß die alte, ehrwürdige, weltberühmte, an der Mündung des Mains in
den Rhein liegende Gutcnbergstadt bis jetzt alle Erscheinungen der Neu¬
zeit theilnahmlos an sich vorübergehen ließ. Unter dem Schutze der treff¬
lichsten Institutionen und unter einer Regierung, der man sich um so
williger fügte, weil sie wenigstens das Gute bestehen ließ, erlag Mainz
nachgerade einer Trägheit, die um so unverzeihlicher war, je rühriger sich
die benachbarten Städte sowohl für das eigene Interesse als für die Kämpfe
und Bestrebungen des gesammten Deutschlands zeigten. Die Mainzer
bauten auf den alten Spruch: den Glücklichen gibt es Gott im Schlafe.
Die Mainzer schliefen; aber der liebe Gott gab ihnen nichts. Mainz
wurde von den benachbarten Städten im Handel, in Kunst und Wissen¬
schaft weit überflügelt; aber das schlafsüchtige Mainz regte kaum die
schwerfälligen Glieder, Es gähnte unwillig und schlief wieder ein. Nur
ein gewaltiges, erschütterndes Ereigniß konnte die Mainzer aus der Schlaf¬
trunkenheit retten. Dies Ereigniß trat ein. Man tastete seine Institu¬
tionen an, das letzte und theuerste Gut, ja, das einzige, das man be,
uns wahrhaft schätzen gelernt hatte. Die Nachricht kam Allen so uner¬
wartet,, daß man nicht daran glauben wollte. Man fragte sich: -üias
mag die Regierung zu einem Schritte veranlassen, der nur dazu dienen


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Aus Mainz.

Lethargie und Erwachen. — Der Arzt für Gesunde. — Der Ooäs Napoleon und
der neue Gesetzbuchentwurf. — Kunstverein. — Veit und Rüstige. — Thcatcr-
jammer. — Gasthausleben. — Die Volksschulen.

Es^ ist Ihnen ebenso gut wie vielen Andern gewiß schon aufgefal¬
len, daß Mainz, das alte, ehrwürdige, weltberühmte, an zwei Flüssen
liegende Mainz bis jetzt so wenig von sich reden gemacht und das noch
obendrein zu einer Zeit, wo die kleinsten Städte und Menschen die Or¬
gane der Presse so oft beschäftigen. Die Ursache davon lag aber darin,
daß die alte, ehrwürdige, weltberühmte, an der Mündung des Mains in
den Rhein liegende Gutcnbergstadt bis jetzt alle Erscheinungen der Neu¬
zeit theilnahmlos an sich vorübergehen ließ. Unter dem Schutze der treff¬
lichsten Institutionen und unter einer Regierung, der man sich um so
williger fügte, weil sie wenigstens das Gute bestehen ließ, erlag Mainz
nachgerade einer Trägheit, die um so unverzeihlicher war, je rühriger sich
die benachbarten Städte sowohl für das eigene Interesse als für die Kämpfe
und Bestrebungen des gesammten Deutschlands zeigten. Die Mainzer
bauten auf den alten Spruch: den Glücklichen gibt es Gott im Schlafe.
Die Mainzer schliefen; aber der liebe Gott gab ihnen nichts. Mainz
wurde von den benachbarten Städten im Handel, in Kunst und Wissen¬
schaft weit überflügelt; aber das schlafsüchtige Mainz regte kaum die
schwerfälligen Glieder, Es gähnte unwillig und schlief wieder ein. Nur
ein gewaltiges, erschütterndes Ereigniß konnte die Mainzer aus der Schlaf¬
trunkenheit retten. Dies Ereigniß trat ein. Man tastete seine Institu¬
tionen an, das letzte und theuerste Gut, ja, das einzige, das man be,
uns wahrhaft schätzen gelernt hatte. Die Nachricht kam Allen so uner¬
wartet,, daß man nicht daran glauben wollte. Man fragte sich: -üias
mag die Regierung zu einem Schritte veranlassen, der nur dazu dienen


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[0560] Tage b u ab. ' ' Aus Mainz. Lethargie und Erwachen. — Der Arzt für Gesunde. — Der Ooäs Napoleon und der neue Gesetzbuchentwurf. — Kunstverein. — Veit und Rüstige. — Thcatcr- jammer. — Gasthausleben. — Die Volksschulen. Es^ ist Ihnen ebenso gut wie vielen Andern gewiß schon aufgefal¬ len, daß Mainz, das alte, ehrwürdige, weltberühmte, an zwei Flüssen liegende Mainz bis jetzt so wenig von sich reden gemacht und das noch obendrein zu einer Zeit, wo die kleinsten Städte und Menschen die Or¬ gane der Presse so oft beschäftigen. Die Ursache davon lag aber darin, daß die alte, ehrwürdige, weltberühmte, an der Mündung des Mains in den Rhein liegende Gutcnbergstadt bis jetzt alle Erscheinungen der Neu¬ zeit theilnahmlos an sich vorübergehen ließ. Unter dem Schutze der treff¬ lichsten Institutionen und unter einer Regierung, der man sich um so williger fügte, weil sie wenigstens das Gute bestehen ließ, erlag Mainz nachgerade einer Trägheit, die um so unverzeihlicher war, je rühriger sich die benachbarten Städte sowohl für das eigene Interesse als für die Kämpfe und Bestrebungen des gesammten Deutschlands zeigten. Die Mainzer bauten auf den alten Spruch: den Glücklichen gibt es Gott im Schlafe. Die Mainzer schliefen; aber der liebe Gott gab ihnen nichts. Mainz wurde von den benachbarten Städten im Handel, in Kunst und Wissen¬ schaft weit überflügelt; aber das schlafsüchtige Mainz regte kaum die schwerfälligen Glieder, Es gähnte unwillig und schlief wieder ein. Nur ein gewaltiges, erschütterndes Ereigniß konnte die Mainzer aus der Schlaf¬ trunkenheit retten. Dies Ereigniß trat ein. Man tastete seine Institu¬ tionen an, das letzte und theuerste Gut, ja, das einzige, das man be, uns wahrhaft schätzen gelernt hatte. Die Nachricht kam Allen so uner¬ wartet,, daß man nicht daran glauben wollte. Man fragte sich: -üias mag die Regierung zu einem Schritte veranlassen, der nur dazu dienen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/560>, abgerufen am 05.12.2024.