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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Fragmente und Aphorismen.
Von Ludwig Börne.-)



-- Kraftmenschen, Menschen von Stahl und Eisen, die den Blitzen
des Neides und der Verlä'umdung mehr als andere ausgesetzt sind,
müssen sich mit Spottableitern bewaffnen; dann wird der Wetter-
strahl, statt sie zu bes-bädigen, ihnen zur Glorie dienen. So kaufte
AlttbiadeS den schönsten Hund um Ilwl) Drachmen, schnitt ihm den
Schwanz ab und ließ ihn so durch die Gassen Athens laufen. DaS
Volk lachte und versöhnte sich mit dem gefürchtetrn Manne, weil er
doch auch so närrisch sein konnte.

-- Aus Pa^ris, vom S. August 1819. -- Ein achtungswürdiger
deutscher Gelehrter in Paris schreibt: "Seit einiger Zeit werden wir
hier in Paris mit frankirten und unfrankirteu, mit geschriebenen und
lithographirten, mit deutschen und französischen Briefen der Haupt-
Und Unter-Lotterie-Collecicurs der freien Stadt Frankfurt belästigt.
Diese Herren müssen ein vorzügliches Wohlwollen gegen die Pariser
hegen, denn sie versichern jedes Mal in ihren Briefen, sie hätten diese
und jene Nummer "mit besonderer Sorgfalt" ausgesucht und zweifelten
sie nicht, daß dieselbe ein glückliches Loos treffen werde." Und so
geht die Klage noch weiter fort. Die Herren Franzosen mögen es
nicht übel nehmen, aber ich bin der Meinung, es sei billig, daß sie
etwas an sich verdienen lassen. Zwanzig Jahre lang haben wir Frank¬
furter in ihre große Revolutions-Lotterie eingesetzt, ihre Ober- und
Unter-Collecteurs haben uns mit vorgestrecktem Bajonette den Einsatz



") Aus dem soeben erschienenen Nachtrag zu Börne's gesammelten Schriften
(Leipzig bei W. Kori, 1,847).
Fragmente und Aphorismen.
Von Ludwig Börne.-)



— Kraftmenschen, Menschen von Stahl und Eisen, die den Blitzen
des Neides und der Verlä'umdung mehr als andere ausgesetzt sind,
müssen sich mit Spottableitern bewaffnen; dann wird der Wetter-
strahl, statt sie zu bes-bädigen, ihnen zur Glorie dienen. So kaufte
AlttbiadeS den schönsten Hund um Ilwl) Drachmen, schnitt ihm den
Schwanz ab und ließ ihn so durch die Gassen Athens laufen. DaS
Volk lachte und versöhnte sich mit dem gefürchtetrn Manne, weil er
doch auch so närrisch sein konnte.

— Aus Pa^ris, vom S. August 1819. — Ein achtungswürdiger
deutscher Gelehrter in Paris schreibt: „Seit einiger Zeit werden wir
hier in Paris mit frankirten und unfrankirteu, mit geschriebenen und
lithographirten, mit deutschen und französischen Briefen der Haupt-
Und Unter-Lotterie-Collecicurs der freien Stadt Frankfurt belästigt.
Diese Herren müssen ein vorzügliches Wohlwollen gegen die Pariser
hegen, denn sie versichern jedes Mal in ihren Briefen, sie hätten diese
und jene Nummer „mit besonderer Sorgfalt" ausgesucht und zweifelten
sie nicht, daß dieselbe ein glückliches Loos treffen werde." Und so
geht die Klage noch weiter fort. Die Herren Franzosen mögen es
nicht übel nehmen, aber ich bin der Meinung, es sei billig, daß sie
etwas an sich verdienen lassen. Zwanzig Jahre lang haben wir Frank¬
furter in ihre große Revolutions-Lotterie eingesetzt, ihre Ober- und
Unter-Collecteurs haben uns mit vorgestrecktem Bajonette den Einsatz



») Aus dem soeben erschienenen Nachtrag zu Börne's gesammelten Schriften
(Leipzig bei W. Kori, 1,847).
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[0549] Fragmente und Aphorismen. Von Ludwig Börne.-) — Kraftmenschen, Menschen von Stahl und Eisen, die den Blitzen des Neides und der Verlä'umdung mehr als andere ausgesetzt sind, müssen sich mit Spottableitern bewaffnen; dann wird der Wetter- strahl, statt sie zu bes-bädigen, ihnen zur Glorie dienen. So kaufte AlttbiadeS den schönsten Hund um Ilwl) Drachmen, schnitt ihm den Schwanz ab und ließ ihn so durch die Gassen Athens laufen. DaS Volk lachte und versöhnte sich mit dem gefürchtetrn Manne, weil er doch auch so närrisch sein konnte. — Aus Pa^ris, vom S. August 1819. — Ein achtungswürdiger deutscher Gelehrter in Paris schreibt: „Seit einiger Zeit werden wir hier in Paris mit frankirten und unfrankirteu, mit geschriebenen und lithographirten, mit deutschen und französischen Briefen der Haupt- Und Unter-Lotterie-Collecicurs der freien Stadt Frankfurt belästigt. Diese Herren müssen ein vorzügliches Wohlwollen gegen die Pariser hegen, denn sie versichern jedes Mal in ihren Briefen, sie hätten diese und jene Nummer „mit besonderer Sorgfalt" ausgesucht und zweifelten sie nicht, daß dieselbe ein glückliches Loos treffen werde." Und so geht die Klage noch weiter fort. Die Herren Franzosen mögen es nicht übel nehmen, aber ich bin der Meinung, es sei billig, daß sie etwas an sich verdienen lassen. Zwanzig Jahre lang haben wir Frank¬ furter in ihre große Revolutions-Lotterie eingesetzt, ihre Ober- und Unter-Collecteurs haben uns mit vorgestrecktem Bajonette den Einsatz ») Aus dem soeben erschienenen Nachtrag zu Börne's gesammelten Schriften (Leipzig bei W. Kori, 1,847).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/549>, abgerufen am 05.12.2024.