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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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klärte, und jenes von der "Zeitungshalle" in Berlin veröffentlichte Decrcr
erließ, das den wohlthätigen Schutz des Toleranzpatents für die Ansie¬
delungen der Akatholiken in Strenge gegen sie verwandelt und sich Rechte
zuschreibt, die ihr das Gesetz nicht vorbehält. Die Beschwerden legten ihre
Berufung an die Hofkanzlei ein, welche die Bewilligung zum Kaufe ohne
Anstand ertheilte, allein die Landesstelle konnte sich dabei nicht beruhigen.
Man hielt die Entscheidung zurück und brachte den Fall vor Se. Maje¬
stät zur allerhöchsten Schlußfassung, die noch gewärtigt wird. Ob man
auch in Wien zu allen diesen Ergebnissen und Maßnahmen gute Miene
machen wird? Gewiß kennt man sie dort kaum zur Hälfte. Die Frem¬
den sind, wie Sie merken, bei uns nicht gern gesehen; hier gleich ein
zweiter Fall. Vor ein paar Jahren kam ein Baier zu uns, der sich als
Violoncellspicler beliebt machte und vom Ertrage seiner Musikstunden lebte.
Die Polizei fand Gründe, ihn abzuschaffen, eine Berufung an die Landes¬
stelle half seinen Aufenthalt einstweilen verlängern. Nach einiger Zeit
wurde der polizeiliche Befehl erneuert, der Betroffene nahm seine Zuflucht
wieder zur Landesstelle, diese fand die Gründe seiner Ausweisung gehoben
und entsprach seiner Bitte durch günstigen Bescheid. Dessen achtete man
aber keineswegs von Polizeiwegen. Der arme Mann, der sich ruhig und
anspruchslos sein tägliches Brod mühsam durch die Kunst erwarb und
beim hiesigen Musikverein als Lehrer angestellt war, mußte trotz der von
der administrativen Behörde ertheilten Aufenthaltsbewilligung stehenden
Fußes aus dem Lande fort. Die Grenzen der verschiedenen Zweige der
Staatsverwaltung scheinen also selbst unter denen, die ihnen vorstehen,
streitig, und der böse Humor davon trifft den wehrlosen "Ausländer,"
der auf fremde Erde keinen Anspruch hat. Wie lange es wohl noch eine
hochgewichtige Frage sein wird, ob einem der stammverwandten Söhne
deutscher Länder, die sich die Großmächte zu einigen berufen finden, auch
außer den Planken seiner Heimath Luft zum Athmen und ein Bischen
Lich S t vergönnt ist?


V.
Notizen.

Dahlmann's Erklärung. -- An die Mitarbeiter der Grenzboten. -- Druckfehler.

-- Dies ist das Wort so vom Herrn geschah zu Dahlmann, zur
Zeit da sie zu ihm sandten den Prof. Lohbauer und ihm ließen sagen:
zu streiten mit ihnen in der Geheimcnrathszeitung gegen Nebucadnezar
und die gesammte Opposition, die gegen Israel und die gesalbten Beam¬
ten kämpfet mit gefährlicher Macht. Dahlmann aber sprach zu den Ab¬
gesandten wie folgt: Verkünde den geheimen Räthen so dich geschickt, so
spricht der Herr durch mich: Siehe, ich will die Waffen zurückwenden,
die ihr in euren Händen habt, zu streiten wider die Chaldäer, welche euch
draußen belagert haben. Ich will wider euch streiten mit großem Zorn
Grimm und Unbarmherzigkeit. Denn so ward des Herrn Wort zu mir:
Wehe den tollen Propheten, die ihrem eigenen Geiste folgen und haben
doch nicht Gesichte. O Israel, deine Propheten sind wie die Füchse in


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klärte, und jenes von der „Zeitungshalle" in Berlin veröffentlichte Decrcr
erließ, das den wohlthätigen Schutz des Toleranzpatents für die Ansie¬
delungen der Akatholiken in Strenge gegen sie verwandelt und sich Rechte
zuschreibt, die ihr das Gesetz nicht vorbehält. Die Beschwerden legten ihre
Berufung an die Hofkanzlei ein, welche die Bewilligung zum Kaufe ohne
Anstand ertheilte, allein die Landesstelle konnte sich dabei nicht beruhigen.
Man hielt die Entscheidung zurück und brachte den Fall vor Se. Maje¬
stät zur allerhöchsten Schlußfassung, die noch gewärtigt wird. Ob man
auch in Wien zu allen diesen Ergebnissen und Maßnahmen gute Miene
machen wird? Gewiß kennt man sie dort kaum zur Hälfte. Die Frem¬
den sind, wie Sie merken, bei uns nicht gern gesehen; hier gleich ein
zweiter Fall. Vor ein paar Jahren kam ein Baier zu uns, der sich als
Violoncellspicler beliebt machte und vom Ertrage seiner Musikstunden lebte.
Die Polizei fand Gründe, ihn abzuschaffen, eine Berufung an die Landes¬
stelle half seinen Aufenthalt einstweilen verlängern. Nach einiger Zeit
wurde der polizeiliche Befehl erneuert, der Betroffene nahm seine Zuflucht
wieder zur Landesstelle, diese fand die Gründe seiner Ausweisung gehoben
und entsprach seiner Bitte durch günstigen Bescheid. Dessen achtete man
aber keineswegs von Polizeiwegen. Der arme Mann, der sich ruhig und
anspruchslos sein tägliches Brod mühsam durch die Kunst erwarb und
beim hiesigen Musikverein als Lehrer angestellt war, mußte trotz der von
der administrativen Behörde ertheilten Aufenthaltsbewilligung stehenden
Fußes aus dem Lande fort. Die Grenzen der verschiedenen Zweige der
Staatsverwaltung scheinen also selbst unter denen, die ihnen vorstehen,
streitig, und der böse Humor davon trifft den wehrlosen „Ausländer,"
der auf fremde Erde keinen Anspruch hat. Wie lange es wohl noch eine
hochgewichtige Frage sein wird, ob einem der stammverwandten Söhne
deutscher Länder, die sich die Großmächte zu einigen berufen finden, auch
außer den Planken seiner Heimath Luft zum Athmen und ein Bischen
Lich S t vergönnt ist?


V.
Notizen.

Dahlmann's Erklärung. — An die Mitarbeiter der Grenzboten. — Druckfehler.

— Dies ist das Wort so vom Herrn geschah zu Dahlmann, zur
Zeit da sie zu ihm sandten den Prof. Lohbauer und ihm ließen sagen:
zu streiten mit ihnen in der Geheimcnrathszeitung gegen Nebucadnezar
und die gesammte Opposition, die gegen Israel und die gesalbten Beam¬
ten kämpfet mit gefährlicher Macht. Dahlmann aber sprach zu den Ab¬
gesandten wie folgt: Verkünde den geheimen Räthen so dich geschickt, so
spricht der Herr durch mich: Siehe, ich will die Waffen zurückwenden,
die ihr in euren Händen habt, zu streiten wider die Chaldäer, welche euch
draußen belagert haben. Ich will wider euch streiten mit großem Zorn
Grimm und Unbarmherzigkeit. Denn so ward des Herrn Wort zu mir:
Wehe den tollen Propheten, die ihrem eigenen Geiste folgen und haben
doch nicht Gesichte. O Israel, deine Propheten sind wie die Füchse in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/47>, abgerufen am 03.07.2024.