Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band. Wie sich der Säuren Wahlprocesse gründen, Das ward uns täglich stundenlang erzählt; Doch wie ein Volk in freier Selbstentwicklung Aus Elementen mächtig sich erhebt, Und wie es schmählich endet in Zerstücklung, Wer hat uns dies zu lehren sich bestrebt? Sie gaben uns von unsrem Ehristusgotte In Sagen und Legenden wohl Bericht, Doch war geworden ihnen längst zum Spotte Das erste Gotteswort: Es werde Licht! Wie dort in dunkler Kult' am Seminare Der Theologe trag die Glieder dehnt: Wann kommen doch der Pfründe fette Jahre, Wo man behaglich ißt, und trinkt, und gähnt? Ha! wie der Ekel mir am Herzen nagel, Und doch zugleich unendlich tiefe Pein! Hier der Juriste leise lispelnd klaget: Wann werd' ich endlich Fürstendiener sein? Wann werd' ich endlich unter Acten sitzen, Wann fällt auf mich des Hofraths Gnadenstrahl, Daß mir's vergönnt, den Röthel ihm zu spitzen? O, wann bezieh' ich endlich mein Quartal? -- 2. Wir wollen Wind und Sonne theilen, Nur kommt zum offnen Kampf heraus. Nur schießt auf uns mit gist'gen Pfeilen Nicht feige aus dem sichren Haus: Wie einst in altersgrauen Zeiten, So sprech' ein Gottesurtheil Recht: Auf glüh'ndem Eisen will ich schreiten. Und schutzlos stürzen in's Gefecht! Wie sich der Säuren Wahlprocesse gründen, Das ward uns täglich stundenlang erzählt; Doch wie ein Volk in freier Selbstentwicklung Aus Elementen mächtig sich erhebt, Und wie es schmählich endet in Zerstücklung, Wer hat uns dies zu lehren sich bestrebt? Sie gaben uns von unsrem Ehristusgotte In Sagen und Legenden wohl Bericht, Doch war geworden ihnen längst zum Spotte Das erste Gotteswort: Es werde Licht! Wie dort in dunkler Kult' am Seminare Der Theologe trag die Glieder dehnt: Wann kommen doch der Pfründe fette Jahre, Wo man behaglich ißt, und trinkt, und gähnt? Ha! wie der Ekel mir am Herzen nagel, Und doch zugleich unendlich tiefe Pein! Hier der Juriste leise lispelnd klaget: Wann werd' ich endlich Fürstendiener sein? Wann werd' ich endlich unter Acten sitzen, Wann fällt auf mich des Hofraths Gnadenstrahl, Daß mir's vergönnt, den Röthel ihm zu spitzen? O, wann bezieh' ich endlich mein Quartal? — 2. Wir wollen Wind und Sonne theilen, Nur kommt zum offnen Kampf heraus. Nur schießt auf uns mit gist'gen Pfeilen Nicht feige aus dem sichren Haus: Wie einst in altersgrauen Zeiten, So sprech' ein Gottesurtheil Recht: Auf glüh'ndem Eisen will ich schreiten. Und schutzlos stürzen in's Gefecht! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183966"/> <lg xml:id="POEMID_40" type="poem"> <l> Wie sich der Säuren Wahlprocesse gründen,<lb/> Das ward uns täglich stundenlang erzählt;<lb/> Doch wie ein Volk in freier Selbstentwicklung<lb/> Aus Elementen mächtig sich erhebt,<lb/> Und wie es schmählich endet in Zerstücklung,<lb/> Wer hat uns dies zu lehren sich bestrebt?</l> <l> Sie gaben uns von unsrem Ehristusgotte<lb/> In Sagen und Legenden wohl Bericht,<lb/> Doch war geworden ihnen längst zum Spotte<lb/> Das erste Gotteswort: Es werde Licht!<lb/> Wie dort in dunkler Kult' am Seminare<lb/> Der Theologe trag die Glieder dehnt:<lb/> Wann kommen doch der Pfründe fette Jahre,<lb/> Wo man behaglich ißt, und trinkt, und gähnt?</l> <l> Ha! wie der Ekel mir am Herzen nagel,<lb/> Und doch zugleich unendlich tiefe Pein!<lb/> Hier der Juriste leise lispelnd klaget:<lb/> Wann werd' ich endlich Fürstendiener sein?<lb/> Wann werd' ich endlich unter Acten sitzen,<lb/> Wann fällt auf mich des Hofraths Gnadenstrahl,<lb/> Daß mir's vergönnt, den Röthel ihm zu spitzen?<lb/> O, wann bezieh' ich endlich mein Quartal? —</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <note type="pt"> Wir wollen Wind und Sonne theilen.</note> <div n="2"> <head> 2.</head><lb/> <lg xml:id="POEMID_41" type="poem"> <l> Wir wollen Wind und Sonne theilen,<lb/> Nur kommt zum offnen Kampf heraus.<lb/> Nur schießt auf uns mit gist'gen Pfeilen<lb/> Nicht feige aus dem sichren Haus:<lb/> Wie einst in altersgrauen Zeiten,<lb/> So sprech' ein Gottesurtheil Recht:<lb/> Auf glüh'ndem Eisen will ich schreiten.<lb/> Und schutzlos stürzen in's Gefecht!</l> </lg><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
Wie sich der Säuren Wahlprocesse gründen,
Das ward uns täglich stundenlang erzählt;
Doch wie ein Volk in freier Selbstentwicklung
Aus Elementen mächtig sich erhebt,
Und wie es schmählich endet in Zerstücklung,
Wer hat uns dies zu lehren sich bestrebt? Sie gaben uns von unsrem Ehristusgotte
In Sagen und Legenden wohl Bericht,
Doch war geworden ihnen längst zum Spotte
Das erste Gotteswort: Es werde Licht!
Wie dort in dunkler Kult' am Seminare
Der Theologe trag die Glieder dehnt:
Wann kommen doch der Pfründe fette Jahre,
Wo man behaglich ißt, und trinkt, und gähnt? Ha! wie der Ekel mir am Herzen nagel,
Und doch zugleich unendlich tiefe Pein!
Hier der Juriste leise lispelnd klaget:
Wann werd' ich endlich Fürstendiener sein?
Wann werd' ich endlich unter Acten sitzen,
Wann fällt auf mich des Hofraths Gnadenstrahl,
Daß mir's vergönnt, den Röthel ihm zu spitzen?
O, wann bezieh' ich endlich mein Quartal? —
Wir wollen Wind und Sonne theilen. 2.
Wir wollen Wind und Sonne theilen,
Nur kommt zum offnen Kampf heraus.
Nur schießt auf uns mit gist'gen Pfeilen
Nicht feige aus dem sichren Haus:
Wie einst in altersgrauen Zeiten,
So sprech' ein Gottesurtheil Recht:
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