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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Venedey und SchufelV"" über die deutschen
Juden.



Ein Preuße und ein Oesterreicher, zwei Schriftsteller, in deren
Wirken der Enthusiasmus für deutsche Nationalität und Größe den
Grundzug bildet, behandeln in ihren neuesten Publikationen die Frage
der Judenemancipation. Was ist noch Neues in dieser Frage zu sagen
übrig? Ist nicht Alles schon vorgebracht worden? Im Namen der
Menschheit, im Namen des Rechts, im Namen der Liebe, im Namen
der Vernunft, im Namen der Freiheit sind die schönsten, glühendsten
und überzeugendsten Worte gesprochen worden; im Namen des Fana¬
tismus, im Namen des Vorurtheils, im Namen des Hasses, des
Mißtrauens, des Zunftneids und des Egoismus sind nicht minder
glühende Worte und erschöpfende Gründe zur Welt gekommen. Den¬
noch hat in den letzten Jahren die Judenfrage eine neue Wendung
genommen. Viele hochherzige Männer haben die Judenemancipation
im Namen deutscher Ehre, im Namen des christlichen Vortheils ver¬
langt, während die Gehässigkeit der Gegner die neue Taktik erfanden,
jene Stimmen, die für die Rechte der Juden sich erhoben, als lauter
jüdische Stimmen auszuschreien. Diese Taktik ist nicht ohne Erfolg
geblieben und die Erfahrung lehrt, daß ein großer Theil des Lesepu-
blikums jene Aufsätze, welche die Tagespresse gegen die herrschenden
Judengesetze enthält, rasch überschlägt, weil man immer Avvokaten in
der eigenen Sache dahinter vermuthet. Der christliche Schriftsteller,
dem das schreiende Unrecht, das an den Juden begangen wird, aus
Herz geht, leistet daher der Sache einen doppelten Dienst, wenn er
mit seinem ganzen Namen in die Arena tritt. Von diesem Gesichts-


Venedey und SchufelV«» über die deutschen
Juden.



Ein Preuße und ein Oesterreicher, zwei Schriftsteller, in deren
Wirken der Enthusiasmus für deutsche Nationalität und Größe den
Grundzug bildet, behandeln in ihren neuesten Publikationen die Frage
der Judenemancipation. Was ist noch Neues in dieser Frage zu sagen
übrig? Ist nicht Alles schon vorgebracht worden? Im Namen der
Menschheit, im Namen des Rechts, im Namen der Liebe, im Namen
der Vernunft, im Namen der Freiheit sind die schönsten, glühendsten
und überzeugendsten Worte gesprochen worden; im Namen des Fana¬
tismus, im Namen des Vorurtheils, im Namen des Hasses, des
Mißtrauens, des Zunftneids und des Egoismus sind nicht minder
glühende Worte und erschöpfende Gründe zur Welt gekommen. Den¬
noch hat in den letzten Jahren die Judenfrage eine neue Wendung
genommen. Viele hochherzige Männer haben die Judenemancipation
im Namen deutscher Ehre, im Namen des christlichen Vortheils ver¬
langt, während die Gehässigkeit der Gegner die neue Taktik erfanden,
jene Stimmen, die für die Rechte der Juden sich erhoben, als lauter
jüdische Stimmen auszuschreien. Diese Taktik ist nicht ohne Erfolg
geblieben und die Erfahrung lehrt, daß ein großer Theil des Lesepu-
blikums jene Aufsätze, welche die Tagespresse gegen die herrschenden
Judengesetze enthält, rasch überschlägt, weil man immer Avvokaten in
der eigenen Sache dahinter vermuthet. Der christliche Schriftsteller,
dem das schreiende Unrecht, das an den Juden begangen wird, aus
Herz geht, leistet daher der Sache einen doppelten Dienst, wenn er
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[0288] Venedey und SchufelV«» über die deutschen Juden. Ein Preuße und ein Oesterreicher, zwei Schriftsteller, in deren Wirken der Enthusiasmus für deutsche Nationalität und Größe den Grundzug bildet, behandeln in ihren neuesten Publikationen die Frage der Judenemancipation. Was ist noch Neues in dieser Frage zu sagen übrig? Ist nicht Alles schon vorgebracht worden? Im Namen der Menschheit, im Namen des Rechts, im Namen der Liebe, im Namen der Vernunft, im Namen der Freiheit sind die schönsten, glühendsten und überzeugendsten Worte gesprochen worden; im Namen des Fana¬ tismus, im Namen des Vorurtheils, im Namen des Hasses, des Mißtrauens, des Zunftneids und des Egoismus sind nicht minder glühende Worte und erschöpfende Gründe zur Welt gekommen. Den¬ noch hat in den letzten Jahren die Judenfrage eine neue Wendung genommen. Viele hochherzige Männer haben die Judenemancipation im Namen deutscher Ehre, im Namen des christlichen Vortheils ver¬ langt, während die Gehässigkeit der Gegner die neue Taktik erfanden, jene Stimmen, die für die Rechte der Juden sich erhoben, als lauter jüdische Stimmen auszuschreien. Diese Taktik ist nicht ohne Erfolg geblieben und die Erfahrung lehrt, daß ein großer Theil des Lesepu- blikums jene Aufsätze, welche die Tagespresse gegen die herrschenden Judengesetze enthält, rasch überschlägt, weil man immer Avvokaten in der eigenen Sache dahinter vermuthet. Der christliche Schriftsteller, dem das schreiende Unrecht, das an den Juden begangen wird, aus Herz geht, leistet daher der Sache einen doppelten Dienst, wenn er mit seinem ganzen Namen in die Arena tritt. Von diesem Gesichts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/288>, abgerufen am 05.12.2024.