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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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II.
Ans Berlin.

Gutzrow. -- Menzel. Der Gesellschafter. -- Concerte. -- Die Dirigenten Hen¬
ning und Taubert. -- Eine neue Oper.

In unsern Mauern befinden sich gegenwärtig zwei interessante Fremde:
Karl Gutzkow und Frau von Bacharach, die Verfasserin mehrerer ge¬
schätzten und vielgelesenen Romane. Karl Gutzkow wird seinen Aufent¬
halt Hierselbst nur auf drei Wochen einschränken, um alsdann nach Dres¬
den zu gehen. So ehrenwerth seine neue Position dort auch >sein mag,
so scheint sie uns doch streng genommen unvereinbar mit dem Innern
eines productiven Autors. Verdrießliche Verwickelungen, langweilige und
abspannende Amtsgeschäfte, zeitraubende Correspondenzen sind unzertrenn¬
bar von den Functionen eines Dramaturgen. Ob nun durch längere
Wirkung dieser Verhältnisse nicht die producrive Stimmung geschmälert
oder wenigstens beeinträchtigt wird, muß die Folge zeigen. Uebrigens
scheint dieser Gutzkow nun schon seit längerer Zeit dem Geschmack des
Publicums und der Schauspieler größere Concessionen zu machen, als
das Recht der dichterischen Unabhängigkeit zuläßt. Allerdings hat das
theatralische Element gerechte Ansprüche an den Autor, allein die Grenz¬
linie muß scharf gezogen werden, wo. man ihm Satisfaction gegeben hat
und nun das Gebiet des Waltens originaler und unbeschränkter Kräfte
anhebt.

Französische Autoren machen sich im theatralischen Moment zu gel¬
tend, deutsche Dichter im Dramatischen. Ein Ideal bleibt noch immer
ein Werk, das hierin richtige Proportionen aufzuweisen hat. Karl Gutz¬
kow steht bis jctzc noch immer dem Feldlager der Franzosen näher, als
dem der Deutschen. Vielleicht führt ihn der Uebecdruß in unsere Reihen
hinüber und die Einsicht, wie viel leichter der Ruhm erreicht wird, auf
der Bühne temporair angenehm zu sein*).

Vom Namen Gutzkow kommen wir wie von selbst auf den seines
alten Widersachers Menzel. Dieser ist wirklich im Anzüge und wird in
etwa drei Wochen in unserer Mitte anlangen. Er ist berufen, die zum
Januar notorisch erscheinende deutsche Zeitung in's Geleise zu bringen,
nachoem er glücklich die Literaturbeilagen des Morgcnblatts aus dem
Geleise gebracht hat. Man dürfte ihm seine vergangenen Sünden hier
nicht vergess.n haben und der Empfang von Seiten der hiesigen Litera¬
tur möchte nur wenig an arabische Gastfreundschaft erinnern.

Der Gesellschafter des Professor Gubitz hat eine Umwandlung er¬
fahren. Seine Literatur- und Kunstspalten haben sich als Monatsschrift
unter der Redaction des talentvollen Anton Gubitz constituirt. Die Con¬
cession des Gesellschafters oder vielmehr der Mangel einer solchen (venu



*) Uriel Accosta soll, wie uns Eingeweihte versichern, eine sehr günstige Aus¬
nahme machen und überhaupt die bedeutendste p veli sah e Production unter allen
D- Red. dramatischen Leistungen Gutzkow's sein.
II.
Ans Berlin.

Gutzrow. — Menzel. Der Gesellschafter. — Concerte. — Die Dirigenten Hen¬
ning und Taubert. — Eine neue Oper.

In unsern Mauern befinden sich gegenwärtig zwei interessante Fremde:
Karl Gutzkow und Frau von Bacharach, die Verfasserin mehrerer ge¬
schätzten und vielgelesenen Romane. Karl Gutzkow wird seinen Aufent¬
halt Hierselbst nur auf drei Wochen einschränken, um alsdann nach Dres¬
den zu gehen. So ehrenwerth seine neue Position dort auch >sein mag,
so scheint sie uns doch streng genommen unvereinbar mit dem Innern
eines productiven Autors. Verdrießliche Verwickelungen, langweilige und
abspannende Amtsgeschäfte, zeitraubende Correspondenzen sind unzertrenn¬
bar von den Functionen eines Dramaturgen. Ob nun durch längere
Wirkung dieser Verhältnisse nicht die producrive Stimmung geschmälert
oder wenigstens beeinträchtigt wird, muß die Folge zeigen. Uebrigens
scheint dieser Gutzkow nun schon seit längerer Zeit dem Geschmack des
Publicums und der Schauspieler größere Concessionen zu machen, als
das Recht der dichterischen Unabhängigkeit zuläßt. Allerdings hat das
theatralische Element gerechte Ansprüche an den Autor, allein die Grenz¬
linie muß scharf gezogen werden, wo. man ihm Satisfaction gegeben hat
und nun das Gebiet des Waltens originaler und unbeschränkter Kräfte
anhebt.

Französische Autoren machen sich im theatralischen Moment zu gel¬
tend, deutsche Dichter im Dramatischen. Ein Ideal bleibt noch immer
ein Werk, das hierin richtige Proportionen aufzuweisen hat. Karl Gutz¬
kow steht bis jctzc noch immer dem Feldlager der Franzosen näher, als
dem der Deutschen. Vielleicht führt ihn der Uebecdruß in unsere Reihen
hinüber und die Einsicht, wie viel leichter der Ruhm erreicht wird, auf
der Bühne temporair angenehm zu sein*).

Vom Namen Gutzkow kommen wir wie von selbst auf den seines
alten Widersachers Menzel. Dieser ist wirklich im Anzüge und wird in
etwa drei Wochen in unserer Mitte anlangen. Er ist berufen, die zum
Januar notorisch erscheinende deutsche Zeitung in's Geleise zu bringen,
nachoem er glücklich die Literaturbeilagen des Morgcnblatts aus dem
Geleise gebracht hat. Man dürfte ihm seine vergangenen Sünden hier
nicht vergess.n haben und der Empfang von Seiten der hiesigen Litera¬
tur möchte nur wenig an arabische Gastfreundschaft erinnern.

Der Gesellschafter des Professor Gubitz hat eine Umwandlung er¬
fahren. Seine Literatur- und Kunstspalten haben sich als Monatsschrift
unter der Redaction des talentvollen Anton Gubitz constituirt. Die Con¬
cession des Gesellschafters oder vielmehr der Mangel einer solchen (venu



*) Uriel Accosta soll, wie uns Eingeweihte versichern, eine sehr günstige Aus¬
nahme machen und überhaupt die bedeutendste p veli sah e Production unter allen
D- Red. dramatischen Leistungen Gutzkow's sein.
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[0264] II. Ans Berlin. Gutzrow. — Menzel. Der Gesellschafter. — Concerte. — Die Dirigenten Hen¬ ning und Taubert. — Eine neue Oper. In unsern Mauern befinden sich gegenwärtig zwei interessante Fremde: Karl Gutzkow und Frau von Bacharach, die Verfasserin mehrerer ge¬ schätzten und vielgelesenen Romane. Karl Gutzkow wird seinen Aufent¬ halt Hierselbst nur auf drei Wochen einschränken, um alsdann nach Dres¬ den zu gehen. So ehrenwerth seine neue Position dort auch >sein mag, so scheint sie uns doch streng genommen unvereinbar mit dem Innern eines productiven Autors. Verdrießliche Verwickelungen, langweilige und abspannende Amtsgeschäfte, zeitraubende Correspondenzen sind unzertrenn¬ bar von den Functionen eines Dramaturgen. Ob nun durch längere Wirkung dieser Verhältnisse nicht die producrive Stimmung geschmälert oder wenigstens beeinträchtigt wird, muß die Folge zeigen. Uebrigens scheint dieser Gutzkow nun schon seit längerer Zeit dem Geschmack des Publicums und der Schauspieler größere Concessionen zu machen, als das Recht der dichterischen Unabhängigkeit zuläßt. Allerdings hat das theatralische Element gerechte Ansprüche an den Autor, allein die Grenz¬ linie muß scharf gezogen werden, wo. man ihm Satisfaction gegeben hat und nun das Gebiet des Waltens originaler und unbeschränkter Kräfte anhebt. Französische Autoren machen sich im theatralischen Moment zu gel¬ tend, deutsche Dichter im Dramatischen. Ein Ideal bleibt noch immer ein Werk, das hierin richtige Proportionen aufzuweisen hat. Karl Gutz¬ kow steht bis jctzc noch immer dem Feldlager der Franzosen näher, als dem der Deutschen. Vielleicht führt ihn der Uebecdruß in unsere Reihen hinüber und die Einsicht, wie viel leichter der Ruhm erreicht wird, auf der Bühne temporair angenehm zu sein*). Vom Namen Gutzkow kommen wir wie von selbst auf den seines alten Widersachers Menzel. Dieser ist wirklich im Anzüge und wird in etwa drei Wochen in unserer Mitte anlangen. Er ist berufen, die zum Januar notorisch erscheinende deutsche Zeitung in's Geleise zu bringen, nachoem er glücklich die Literaturbeilagen des Morgcnblatts aus dem Geleise gebracht hat. Man dürfte ihm seine vergangenen Sünden hier nicht vergess.n haben und der Empfang von Seiten der hiesigen Litera¬ tur möchte nur wenig an arabische Gastfreundschaft erinnern. Der Gesellschafter des Professor Gubitz hat eine Umwandlung er¬ fahren. Seine Literatur- und Kunstspalten haben sich als Monatsschrift unter der Redaction des talentvollen Anton Gubitz constituirt. Die Con¬ cession des Gesellschafters oder vielmehr der Mangel einer solchen (venu *) Uriel Accosta soll, wie uns Eingeweihte versichern, eine sehr günstige Aus¬ nahme machen und überhaupt die bedeutendste p veli sah e Production unter allen D- Red. dramatischen Leistungen Gutzkow's sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/264>, abgerufen am 23.07.2024.